Berg-Karabach: Gefechte trotz „Waffenruhe“ – Armeniens Präsident fordert „Reaktion“ gegen Erdogan

Ungeachtet einer vereinbarten Waffenruhe haben Armenien und Aserbaidschan ihre Kämpfe um die Südkaukasus-Region Berg-Karabach fortgesetzt. Zwei Wochen nach Beginn der Gefechte stieg die Zahl der offiziell gemeldeten Todesopfer auf fast 600. Indes fordert Armeniens Präsident Sarkissjan die internationale Gemeinschaft auf, "Stellung" zu beziehen.
Titelbild
Stepanakert, Berg-Karbach, am ersten Tag der "Waffenruhe" am 10. Oktober 2020.Foto: Alex McBride/Getty Images
Epoch Times13. Oktober 2020

Die Behörden in der selbsternannten Republik Berg-Karabach warfen den aserbaischanischen Streitkräften am Dienstag vor, Offensiven im Süden, Norden und Nordosten des Gebiets gestartet zu haben. Die Regierung in Baku beschuldigte ihrerseits Armenien, die aserbaidschanischen Landkreise Goranboy, Terter und Agdam angegriffen zu haben.

Zwei Wochen nach Beginn der Gefechte stieg die Zahl der offiziell gemeldeten Todesopfer auf fast 600, darunter 73 Zivilisten. Beide Konfliktparteien nehmen für sich in Anspruch, der jeweiligen Gegenseite noch deutlich größere Verluste zugefügt zu haben.

Berg-Karabach: Teil Aserbaidschans von Armeniern bewohnt

Berg-Karabach liegt in Aserbaidschan, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt, welche die Region auch unter ihrer Kontrolle haben. Der Konflikt dauert bereits seit Jahrzehnten an, die Ende September aufgeflammten Gefechte sind jedoch die schwersten seit Jahren. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan haben das Kriegsrecht verhängt.

Vereinbarte Waffenruhe unter russischer Vermittlung

Unter Vermittlung des russischen Außenministers Sergej Lawrow hatten sich beide Seiten am Samstag (10. August) in Moskau auf eine Feuerpause geeinigt, die sich jedoch bereits nach wenigen Stunden als äußerst brüchig erwies. Bei einem Treffen mit seinem armenischen Kollegen Sohrab Mnatsakanjan am Montag appellierte Lawrow an beide Konfliktparteien, die Waffenruhe einzuhalten. Auch die EU und der Iran forderten die Konfliktparteien dazu auf, die Kampfhandlungen einzustellen.

Befürchtung eines Stellvertreterkriegs zwischen Russland und der Türkei

Beobachter fürchten, dass sich der Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der Türkei im Kaukasus ausweiten könnte. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt das Nachbarland Aserbaidschan. Russland unterhält gute Beziehungen zu beiden Seiten, gilt aber als die militärische Schutzmacht Armeniens.

Unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat der Türkei vorgeworfen, dschihadistische Kämpfer von Syrien nach Aserbaidschan verlegt zu haben. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seit Beginn der Gefechte insgesamt 1450 pro-türkische Söldner aus Syrien nach Aserbaidschan geschickt. 119 der Kämpfer wurden demnach getötet.

Armeniens Präsident fordert „Reaktion“ gegen Erdogan

Unterdessen hat der armenische Präsident Armen Sarkissjan von Deutschland und der internationalen Gemeinschaft eine scharfe Reaktion auf die Beteiligung der Türkei im Konflikt um Berg-Karabach eingefordert. „Ich mache mir auf jeden Fall große Sorgen, dass dieser Konflikt außer Kontrolle geraten könnte“, sagte er der „Bild“. Wenn es nur um Berg-Karabach und Aserbaidschan gehen würde, wäre er viel hoffnungsvoller, dass der Konflikt eingedämmt werden könne.

Doch aufgrund der Beteiligung der Türkei und ihrer Einstellung, die wir in der gesamten Region sehen können, bin ich angesichts der Lage sehr beunruhigt.“

Die Türkei und Aserbaidschan sollen Zivilisten getötet haben

Sarkissjan kritisierte das Ausbleiben einer unmissverständlichen Antwort der internationalen Gemeinschaft:

Warum verurteilt die internationale Gemeinschaft nicht, was die andere Seite gemeinsam mit der Türkei macht? Seit mehr als zwei Wochen bombardieren sie jetzt Zivilisten und töten Zivilisten.“

Der armenische Präsident sagte weiter: „Eine diesbezüglich härtere Reaktion, von wem auch immer, von der internationalen Gemeinschaft, einschließlich Deutschlands und der Europäischen Union oder auch der NATO, sollte sich zunächst auf die Türkei richten.“

Sarkissjan: Türkei verfolgt das Ziel, Energieressourcen zu kontrollieren

Er denke, dass die Präsenz und die Aktivitäten der Türkei das Gesamtbild „dramatisch verändert“ hätten, sagte er der „Bild“.

Er fügte hinzu, dass die Türkei das Ziel verfolge, Energieressourcen in Aserbaidschan, am Kaspischen Meer und in Zentralasien zu kontrollieren:

In gewisser Weise ist Europa dann auch eine Geisel der Türkei, denn die Türkei wird das Öl und das Gas kontrollieren, was vom Kaspischen Meer in die Europäische Union kommt.“

(afp/dts)



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