Bei Präsident Macron ist der Lack ab
Er ist vor 17 Monaten als neuer „Anführer“ Europas angetreten, doch nun kämpft Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mit einer schwierigen Kabinettsumbildung und schlechten Umfragewerten. Ein Überblick:
HOFFNUNGSTRÄGER FÜR EUROPA
Macrons Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2017 gleicht einem Triumphzug: Das in Lethargie erstarrte Frankreich hat mit dem 39-Jährigen endlich einen dynamischen Präsidenten, lautet die Einschätzung vieler Kommentatoren. Im europäischen Ausland wird Macron als Hoffnungsträger und Bezwinger der Rechtspopulistin Marine Le Pen gefeiert.
Mit seiner Rede zur „Neugründung der EU“ an der Sorbonne-Universität im Herbst und selbstbewussten Auftritten auf internationalem Parkett festigt er seinen Ruf als neuer „Anführer Europas“, wie ihn das „Time“-Magazin nennt. In Deutschland wird ihm der Karlspreis für europäische Verdienste verliehen. Lob aus Berlin bekommt Macron auch, weil er das Defizit unter die EU-Grenze von drei Prozent drückt.
VOM REFORMER ZUM „PRÄSIDENT DER REICHEN“
Macron traut sich an die lange aufgeschobene Reform des Arbeitsrechts und der unter Milliardenschulden ächzenden Bahn. Trotz Streiks im Frühjahr 2018 bleiben die Proteste für französische Verhältnisse überschaubar. Mit einer Mischung aus Resignation und Missfallen sehen viele Franzosen aber, dass Macron Reformen trotz absoluter Parlamentsmehrheit per Verordnung durchdrückt.
Auch das Etikett „Präsident der Reichen“ haftet ihm hartnäckig an. Denn Macron entlastet zwar Unternehmen und streicht die Vermögensteuer, versprochene Sozialprogramme bleiben aber aus. Arrogant und abgehoben wirkt er oft im Gespräch mit Bürgern. So maßregelt er einen Arbeitslosen, er müsse „nur über die Straße gehen“ und finde schon einen Job. Rentnerinnen rät er, sich nicht so viel zu beschweren.
PRÜGEL-AFFÄRE UND UMFRAGETIEF
Einen Einschnitt markiert die Affäre um Macrons Sicherheitsberater Alexandre Benalla, der als Polizist verkleidet auf Demonstranten einprügelte. Macron lässt die Vorwürfe im Juli an sich abperlen und erweckt so den Eindruck, er protegiere Mitarbeiter – dabei wollte er mit dem Günstlingssystem eigentlich aufräumen.
Die wegen der Reformen ins Rutschen geratenen Umfragewerte stürzen über den Sommer ab. Nur noch drei von zehn Franzosen billigen Macrons Kurs, er ist unbeliebter als seine Vorgänger François Hollande und Nicolas Sarkozy. Dazu kommt eine Konjunkturflaute, die erhoffte Wende auf dem Arbeitsmarkt bleibt aus.
RÜCKTRITTE UND PERSONALROCHADEN
Aus der Sommerpause zurück, will der Staatschef das Blatt wenden. Doch eine Serie von Ministerrücktritten macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Zunächst geht mit Umweltminister Nicolas Hulot einer der beliebtesten französischen Politiker, dann wirft überraschend Macrons väterlicher Freund Gérard Collomb das Amt des Innenministers hin.
Die Kabinettsumbildung wird zur Zitterpartie, nach Medienberichten sagen mindestens fünf Kandidaten ab. Vor allem im linken politischen Lager hat der Präsident, der „weder links noch rechts“ sein wollte, sein Ansehen verspielt.
BANGER BLICK AUF DIE EU-WAHL
Unsicher ist, ob Macron das Ruder bis zur EU-Wahl Ende Mai herumreißen kann. Er hat sie zur Abstimmung gegen Populisten wie in Ungarn und Italien ernannt. Im eigenen Land kündigt sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen Macrons gegen die Rechtspopulisten an.
Auch auf die Partnerschaft mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist aus Pariser Sicht kein Verlass mehr. Macrons Umfeld beklagt, dass seine EU-Reformpläne von Berlin ausgebremst werden. (afp)
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