Beginn eines „parteiischen Ein-Mann-Regimes“: Erdogan für zweite Amtszeit als Präsident vereidigt
Recep Tayyip Erdogan ist am Montag zu seiner zweiten Amtszeit als Präsident der Türkei vereidigt worden. Der am 24. Juni wiedergewählte Staatschef legte in der Hauptstadt Ankara den Eid für die nächste fünfjährige Amtszeit ab.
Erdogan wird durch das umstrittene neue Präsidialsystem über mehr Macht verfügen als alle seine Vorgänger der vergangenen Jahrzehnte.
Er schwöre „bei meiner Ehre“, unparteiisch an der Erfüllung seiner Pflicht zu arbeiten, sagte Erdogan bei der Vereidigung im Parlament. Bei einer späteren Feier im Präsidentenpalast in Ankara beschrieb er die tiefgreifende Veränderung, die mit dem neuen Präsidialsystem einhergeht, als „Neuanfang“.
Er werde der Präsident aller 81 Millionen Türken sein, sagte Erdogan. „Wir wollen nicht Herr, sondern Diener des Volkes sein“, sagte der Staatschef weiter.
Anschließend stellte Erdogan das erste Kabinett unter dem neuen System vor. Neuer Finanzminister wird sein Schwiegersohn Berat Albayrak. Neuer Verteidigungsminister wird Generalstabschef Hulusi Akar. Mevlüt Cavusoglu bleibt Außenminister. Der frühere Chef der Katastrophenschutzbehörde, Fuat Oktay, wird einziger Stellvertreter des Präsidenten.
Eine der bedeutendsten Veränderungen ist zudem die Eingliederung des Ministeriums für EU-Angelegenheiten in das Außenministerium. Es wird zudem erwartet, dass der bisherige Ministerpräsident Binali Yildirim Parlamentspräsident wird.
Die Ernennung von Albayrak zum Finanzminister kam überraschend. Die türkische Lira verlor nach der Bekanntgabe der Postenbesetzung 3,5 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar. Albayrak ist der Ehemann von Erdogans älterer Tochter Esra und ehemaliger Energieminister.
Die Zeremonie für die neue Regierung wurde von dem Zugunglück mit 24 Toten und hunderten Verletzten im Nordwesten der Türkei überschattet. Erdogan erklärte, eine geplante Tanz- und Lasershow sei wegen des Unglücks abgesagt worden.
An der Zeremonie nahmen auch Staats- und Regierungschefs aus dem Ausland teil, darunter aber nur wenige aus Europa. Stattdessen waren die wichtigsten Verbündeten der Türkei aus Russland, Südamerika, Afrika und dem Nahen Osten vertreten, darunter der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew und Venezuelas Präsident Nicolás Maduro.
Das neue türkische Präsidialsystem war bei einem Volksentscheid im vergangenen Jahr beschlossen worden. In dem neuen System ist der Staatschef zugleich Regierungschef und hat die gesamte Exekutivgewalt inne. Erdogan kann dann Präsidialdekrete auch ohne die Sonderrechte eines Ausnahmezustands erlassen, der in der Türkei seit dem Putschversuch vor zwei Jahren herrscht.
Kurz vor Erdogans Vereidigung wurden per Dekret weitere mehr als 18.500 Staatsbedienstete entlassen. Ihnen werden „Verbindungen zu Terrororganisationen“ vorgeworfen. Der türkische Staatschef hatte vor der Wahl versprochen, den Ausnahmezustand aufzuheben.
Die regierungskritische Zeitung „Cumhuriyet“ schrieb am Montag vom Beginn eines „parteiischen Ein-Mann-Regimes“. In der regierungsnahen Zeitung „Yeni Safak“ hingegen war von einem „historischen Tag“ die Rede. (afp)
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