Bauernproteste in Polen eskalieren: Gegen den Green Deal und ukrainische Billigprodukte
Polnische Fahnen, anti-ukrainische Parolen, Böller, bengalisches Feuer: In der Nähe des polnischen Parlaments kam es am 6. März zu Zusammenstößen zwischen Landwirten und der Polizei, wobei die Polizei auch Pfefferspray einsetzte. Wasserwerfer fuhren auf.
„Aufgrund körperlicher Aggression gegen Polizeibeamte durch einige der Protestierenden […] war es notwendig, direkte Zwangsmaßnahmen anzuwenden“, schrieb die Polizei auf X. Mehrere Beamte wurden verletzt und etwa ein Dutzend Menschen festgenommen.
Schätzungsweise 30.000 Menschen nahmen laut Monika Beuth am 6. März am Protest in der polnischen Hauptstadt teil, so die „Polnische Presseagentur“. Die Sprecherin des Warschauer Stadtrats erklärte, dass die Stadtverwaltung derzeit die durch die Proteste verursachten Schäden dokumentiere. Zudem werde die Möglichkeit geprüft, die Organisatoren der Kundgebung für die Reparaturen zur Kasse zu bitten.
Der stellvertretende Landwirtschaftsminister Michał Kołodziejczak entgegnete, er glaube nicht, dass „echte, normale Landwirte diesen Aufstand heute verursacht haben“ und es erforderlich sei, die „Provokateure und Unruhestifter“ zu isolieren.
Verschiedene Sichtweisen von Solidarność und Polizei
Tomasz Obszański, Vorsitzender der Solidarność, erklärte, er und andere Demonstranten hätten versucht, das Regierungsgebäude zu betreten, um einen Antrag an das Parlament zu stellen. Sie seien aber nicht zugelassen worden, berichtete er dem polnischen Fernsehsender „TV Republika“.
Daraufhin habe die Polizei die Straße blockiert und die Demonstranten provoziert, so Obszański. Polens größte Gewerkschaft NSZZ Solidarność unterstützt die Landwirte. Auch Jäger und Forstarbeiter schlossen sich dem Protest an.
Aus Sicht der Polizei habe ein Teil der Demonstranten versucht, die Absperrgitter vor dem Parlament zu durchbrechen und auf das Gelände zu gelangen. Das sei verhindert worden – mit Tränengas und Knallgranaten. Sie hätten die Menge aufgefordert, auseinanderzugehen. Das Parlament wurde abgeriegelt.
Proteste gegen den Green Deal und ukrainische Billigprodukte
Seit Wochen protestieren die polnischen Landwirte gegen die Umweltvorschriften der EU, die sie als zu restriktiv kritisieren. Zudem plädieren sie für die Wiedereinführung von Zöllen auf landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Ukraine. Der Eintritt billigen ukrainischen Getreides führe auf dem polnischen Markt zu unlauterem Wettbewerb.
Krzysztof (38), ein Landwirt, der an der zunächst friedlichen Kundgebung teilnahm, sagte gegenüber „Reuters“: „Wir sind nicht einverstanden mit den Forderungen des Green Deal, mit der Einschränkung der Verwendung chemischer Produkte, mit allem, was dazu gehört, mit dem Import illegaler Lebensmittel, die chemisch verseucht sind, das ist es, wogegen wir uns wehren.“
„Ich möchte gesunde Lebensmittel produzieren, aber wir importieren Produkte, die von geringerer Qualität sind als unsere und mit denen wir preislich nicht konkurrieren können“, sagte Jan Kepa, der ebenfalls in Warschau dabei war, der Nachrichtenagentur AFP. Und auch:
Wir haben immer noch Hoffnung, aber wir protestieren seit über einem Monat und bisher gibt es keine zufriedenstellende Lösung für uns.“
Landwirte blockierten erneut Grenzübergänge zu Deutschland und der Ukraine, Straßen in Warschau und in anderen Teilen des Landes.
In Warschau waren zu den Demonstrationen Traktoren in der Innenstadt verboten. Plakate wie „Ich will Bauer sein, kein Sklave Brüssels“ und „Zum Teufel mit den Verrätern des polnischen Dorfs“ waren zu sehen.
Was geschah derweil im Parlament?
Abgeordnete der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kritisierten die Reaktion der Regierung. „Wir wissen, dass sich die polnische Polizei gemäß den Anweisungen verhält […] aber alle, die die polnische Polizei leiten, sind direkt dafür verantwortlich“, sagte der Parlamentsabgeordnete Piotr Kaleta (PiS).
Kaleta forderte die polnische Regierung, Premierminister Donald Tusk und Innenminister Marcin Kierwiński auf, die polnischen Landwirte einerseits nicht zu unterschätzen und sie andererseits nicht zu entwürdigen. Sie sollten sich zu ihren Verteidigern machen, denn das sei die Aufgabe der Regierung.
Anna Kwiecień, ebenfalls Abgeordnete der PiS, sagte, sie habe mit den Demonstranten gesprochen. Von ihnen hörte sie, dass einige Leute wohl Provokateure seien, die mit Böllern und verschiedenen Gegenständen versuchten, die Demonstranten zu stören.
Natürlich müsse die Polizei Befehle befolgen, aber:
Heute kämpfen auch die Landwirte für Ihre Sicherheit. Behalten Sie das im Hinterkopf.“
Während die Landwirte vor dem Parlament protestierten, forderten die Abgeordneten der Opposition die Parteien auf, eine Resolution auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen.
In der Resolution (hier das PDF) wird die Regierung darum gebeten, ein Einfuhrverbot für landwirtschaftliche Lebensmittel aus der Ukraine zu verhängen und mit der EU wirksame Zollschutzmechanismen auszuhandeln. Die Resolution wurde von Landwirten vorgeschlagen und von der PiS-Fraktion eingebracht.
Über das Vorhaben sei im Parlament abgestimmt worden. Und die Abgeordneten der Regierungskoalition seien dagegen gewesen, sich damit zu befassen, so Anna Gębicka auf der Konferenz.
Einfuhrverbot auf andere Produkte ausweiten
Einige Fraktionen im polnischen Parlament stimmen der Forderung der Landwirte zu, das bisherige Einfuhrverbot für ukrainisches Getreide auf andere ukrainische Produkte auszudehnen. Im Gespräch sind Geflügel, Eier, gefrorenes Beerenobst, Spirituosen, Honig und Apfelsaft. Die national-konservative und oppositionelle Partei Konfederacja erklärt auf ihrer Website.
Wir können nicht unsere Wirtschaft zerstören, um der Ukraine zu helfen.“
Zudem werden die meisten Lebensmittel in der Ukraine von großen landwirtschaftlichen Betrieben produziert, die „wenig mit den einfachen Ukrainern und dem Schicksal der ukrainisch-russischen Kämpfe an der Front zu tun haben.“ Alle diese Produkte seien billiger, weil ihre Hersteller nie die EU-Standards erfüllen mussten. Es sei also kein fairer Wettbewerb.
Andrzej Danielak vom polnischen Verband der Geflügelzüchter und -produzenten sagt, die Ukraine könne
keinen unbegrenzten Zugang zu den EU-Märkten verlangen, weil diese großflächige Landwirtschaft die europäische Landwirtschaft zerstören wird.“
Die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU sei gänzlich anders als die in der Ukraine.
Und Kiew? Zeigt nach Russland, Russland sei schuld
Die ukrainische Regierung erklärt, sie sei bereit, vorübergehend Handelsbeschränkungen mit der EU zu akzeptieren – sofern Brüssel ein Verbot für russische Getreideimporte verhänge.
Der ukrainische Handelsminister Taras Kachka sagte gegenüber der „Financial Times“: „Vielleicht ist für einen Übergangszeitraum diese Art von […] kontrolliertem Ansatz für die Handelsströme zwischen der Ukraine und der EU etwas, das wir alle benötigen.“ Es sei der russische Weizen, der den polnischen Landwirten Probleme bereite.
Dazu kann EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski Zahlen bieten. Die Getreideeinfuhren aus Russland nach Polen seien vernachlässigbar. Sie hätten sich im Jahr 2023 sich auf 3.500 Tonnen Getreide und 4.000 Tonnen Ölsaaten belaufen.
Laut einem Bericht des Obersten Rechnungshofs Polens belaufen sich die gesamten Getreideeinfuhren nach Polen im Jahr 2022 auf etwa 3,3 Millionen Tonnen, von denen 75 Prozent aus der Ukraine stammen.
Einladung zu Gesprächen
Polens Ministerpräsident Donald Tusk sagt dazu: „Wir müssen eine Lösung finden, die den polnischen und den europäischen Markt wirksam vor ungleichem Wettbewerb schützt.“ Er werde das polnische Parlament bitten, eine Resolution zu verabschieden, in der die Europäische Kommission aufgefordert wird, umfassende Sanktionen gegen Agrar- und Lebensmittelprodukte aus Russland und seinem Verbündeten Belarus zu verhängen.
Der Druck der Straße erhöht den Druck auf die Regierung von Donald Tusk. Tusk, bekannt als früherer Präsident des Europäischen Rates, und als jemand, der sich stark für die EU einsetzt, hat nun die Anführer der polnischen Landwirte zu Gesprächen am Samstag eingeladen.
(Mit Material der englischsprachigen The Epoch Times)
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