Chinesischer Ballon über Amerika: Experte vermutet KI-gesteuertes Fluggerät

Ein mittlerweile abgeschossener chinesischer Überwachungsballon über den USA belastet die diplomatischen Beziehungen beider Länder. Ein zweiter Ballon über Lateinamerika soll auch von China stammen.
Ein Kampfflugzeug der US-Luftwaffe schießt einen mutmaßlichen chinesischen Beobachtungsballon ab.
Ein Kampfflugzeug der US-Luftwaffe schießt einen mutmaßlichen chinesischen Überwachungsballon ab.Foto: Uncredited/Jason Sellers/AP/dpa
Von 6. Februar 2023

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Nach dem Abschuss eines chinesischen Spionageballons vor der Ostküste der USA drückte das chinesische Außenministerium „seine starke Missbilligung“ über den Abschuss aus. Das kommunistische Regime äußerte seinen „Protest gegen die Gewalt (…), die von den USA eingesetzt wird, um ein ziviles unbemanntes Luftschiff anzugreifen“.

Man habe der US-Seite nach der Überprüfung der Angelegenheit „wiederholt mitgeteilt, dass das Luftschiff für die zivile Nutzung“ bestimmt gewesen und es nur „wegen höherer Gewalt in den US-Luftraum“ eingedrungen sei. „Das war eine absolut unvorhersehbare Situation.“

China behalte sich das Recht auf die erforderliche weitere Reaktion vor und werde seine rechtmäßigen Rechte und Interessen entschieden schützen, fügte das Ministerium nach Angaben von „Eurasian Times“ hinzu.

Anfangs hatte sich China noch über den Vorwurf der Amerikaner verwundert gezeigt: „Die chinesische Seite sammelt und überprüft die Fakten“, hatte Mao Ning, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, nach Angaben von „ABC News“ erklärt – und dass man „in Übereinstimmung mit internationalem Recht“ handle. Später dann gab Peking zu, dass das „Luftschiff aus China stammt“.

Man behauptete jedoch, dass es sich nur um einen Wetterballon handle, dass er „ziviler Natur ist und für meteorologische und andere wissenschaftliche Forschungen verwendet wird“. Das Luftgefährt sei demnach nur vom Kurs abgekommen: „Betroffen vom Westwindgürtel und seiner eigenen begrenzten Steuerfähigkeit ist das Luftschiff ernsthaft von der vorgegebenen Route abgewichen“, so die Erklärung des chinesischen Ministeriums.

Ein hochrangiger Beamter der US-Regierung machte deutlich, dass der Ballon versucht habe, „sensible Militärstandorte zu überwachen“ und seine Route über den USA „in der Nähe vieler potenziell sensibler Orte“ verlaufen sei. Dies widerspreche der Erklärung der chinesischen Regierung, „dass es sich um einen Wetterballon handelt“.

Der Beamte erklärte auch, dass ein „weiterer Überwachungsballon“ Chinas über Mittel- und Südamerika gesichtet worden sei, mit „ähnlichen technischen Eigenschaften“ wie der erste. China sei in der Lage gewesen, die „Ballons aktiv zu manövrieren, um bestimmte Orte zu überfliegen“. Der Beamte verwies dazu nach CNN-Angaben auf die Flugmuster der Ballons und die kleinen Motoren und Propeller, die in Videos als Beweis zu sehen sind. Er sagte auch, dass China diese Art von Überwachungsballons seit Jahren einsetze – und zwar auf fünf Kontinenten, wo sie gesichtet worden seien. 

KI-gesteuerter Spionageballon

Gewöhnlich werden Spionageballons verwendet, um Informationen über Radar- und Kommunikationssysteme zu sammeln. Sie sind kostengünstiger als Satelliten und können mit weniger Risiko in den gegnerischen Luftraum geschickt werden als etwa Spionagedrohnen. Wie die „Eurasian Times“ schreibt, habe eine Studie des Airpower Research Institute der Air Force aus dem Jahr 2005 ergeben, dass die Ballons nicht direkt gesteuert werden, sondern im Allgemeinen zu einer Zielregion geleitet werden. Dies wird durch eine Änderung der Höhe und die Ausnutzung unterschiedliche Windströmungen erreicht.

Steve Ganyard, pensionierter US-Oberst und Mitarbeiter von „ABC News“, meinte, der Ballon sehe aus wie ein Standard-Forschungsschiff – was bedeuten würde, dass er keinen Antrieb hatte und mit dem Jetstream trieb. Ein hochrangiger US-Beamter sagte jedoch gegenüber ABC, dass der Militärballon speziell für eine zielgerichtete Bahn entworfen worden sei, um hochauflösende Bilder entlang von Gebieten zu machen, in denen sich Raketen und Basen befinden.

Auch William Kim, ein Ballon-Spezialist der Washingtoner „Marathon Initiative“, einer Denkfabrik für strategische Angelegenheiten, meinte, dass der Ballon zwar wie ein ganz gewöhnlicher Wetterballon ausgesehen habe – allerdings mit gewissen Besonderheiten. Zum einen habe er eine ziemlich große „Ladung“ getragen, ein Hinweis auf von Solarzellen gespeiste Elektronik zur Lenkung des Luftgefährts und zum Sammeln von Informationen. Laut Kim schien es, als verfüge der Ballon über moderne Steuerungstechnologien wie Künstliche Intelligenz. Dadurch könne der Ballon seine Höhe allein durch das Erkennen von Luftveränderungen anpassen und dadurch in die gewünschte Richtung navigieren. Diese Steuerung schließe auch eine Funkverbindung zur Heimatbasis ein.

Die Vorteile von Ballons gegenüber Satelliten sieht Kim darin, dass sie schwerer angreifbar und vom Radar kaum aufzuspüren sind. Sie könnten „monatelang“ über einer Stelle bleiben, während ein Satellit in einer ständigen Umlaufbahn kreise. Der Ballon-Spezialist erklärte auch, dass es nicht so einfach sei, einen Ballon abzuschießen, da er Helium verwende. Das Gas würde beim Beschuss nur sehr langsam entweichen. Der Ballon würde nicht platzen oder explodieren, wenn man auf ihn schieße.

Allerdings meinte Kim auch, dass eine Fehlfunktion nicht ausgeschlossen sei. „Diese Ballons funktionieren nicht immer perfekt“, so der Experte. Er verwies darauf, dass Ballons dieser Art normalerweise in einer Höhe von 20 bis 30 Kilometern schwebten. Der abgeschossene Ballon sei aber nur rund 14 Kilometer hoch geflogen, so Kim.

Von China bis ins Meer vor South Carolina

Der Ballon war von China kommend über die zu den USA gehörenden Aleuten-Inseln und Nordwestkanada geflogen, bevor Washington die Sichtung über Montana im Norden der Vereinigten Staaten bestätigte. Dort lagern in einer der drei US-Atomsiloanlagen, der Malmstrom Air Force Base, 150 interkontinentale Atomraketen vom Typ Minuteman III, wie US-Medien berichteten.

Tagelang hatten die USA die Laufbahn des Ballons beobachtet und auch einen Abschuss in Erwägung gezogen. Die Militärführung riet jedoch von einem Abschuss über Land ab. Der Ballon mit einer Größe von drei Schulbussen flog zu dieser Zeit in einer Höhe von etwa 18 Kilometern. Das erwartete Trümmerfeld bei einem Abschuss sei nach Angaben des US-Verteidigungsministers und ehemaligen Vier-Sterne-Generals, Lloyd Austin, „aufgrund der Größe und Höhe des Ballons und seiner Überwachungslast“ ein „unangemessenes Risiko für Menschen in einem großen Gebiet“ gewesen.

Als der Ballon dann über die ganze USA geflogen war und die Ostküste erreichte, wurde der Abschuss über dem Meer angeordnet. Von der Langley Air Force Base in Virginia startete ein F-22-Tarnkappenjet des US-Nordkommandos und führte den finalen Schuss aus (4. Februar, 14:39 Uhr Ortszeit, mit einer infrarotgesteuerten Kurzstreckenrakete vom Typ AIM-9 Sidewinder). Das Objekt wurde 6 Seemeilen (ca. 11,1 Kilometer) vor der Küste von South Carolina über dem Meer zum Absturz gebracht.

Verteidigungsminister Austin bestätigte den Abschuss. Die US-Küstenwache und die Marine hatten zuvor einen Sicherheitsbereich eingerichtet. Das Meer an dieser Stelle ist nach US-Angaben mit 47 Fuß (ca. 14 Meter) relativ flach. Für das Trümmerfeld wurde ein Radius von 7 Seemeilen (ca. 13 Kilometer) angegeben. Wie lange die Bergung der Überreste dauern wird, ist nach Angaben von „ABC News“ nicht bekannt.

Am 4. Februar erfolgte der Abschuss des chinesischen Spionageballons vor der Ostküste der USA. Foto: Andrew Caballero-Reynolds / AFP via Getty Images

Republikaner kritisierten Bidens Zögern

Der Ballon war von den Aleuten bis zum Abschuss eine Woche lang unterwegs. Biden war von den Republikanern in Senat und Repräsentantenhaus dafür kritisiert worden, den Spionageballon nicht frühzeitig abzuschießen. Sie nannten es eine Demonstration von „Schwäche“, wie CNN berichtet.

Ein Beamter des Weißen Hauses erklärte nach dem Abschuss, dass Präsident Biden und seine Militärberater „verantwortungsvoll gehandelt“ hätten, indem sie darauf gewartet hätten, den chinesischen Ballon abzuschießen, bis er über Wasser gewesen sei. So habe man das Risiko minimiert, dass er für Menschen am Boden bei einem Abschuss dargestellt hätte. Biden selbst sagte, dass er schon am Mittwoch den Ballon habe abschießen lassen wollen, schließlich aber der Einschätzung des Militärs zugestimmt habe, es über offenem Wasser zu tun.



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