Balkanroute gebremst durch Ungarn: „Menschenschmuggel funktioniert wie ein Reisebüro“

Schmuggler wollen ihr großes Geld machen, Migranten haben selbst nicht mehr viel zu verlieren. Die Gewalt gegen Polizisten und Soldaten an der ungarisch-serbischen Grenze hat im letzten Jahr um 310 Prozent zugenommen.
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Ein Teil des ungarischen Grenzzauns zu Serbien, der 2015 gebaut wurde.Foto: iStock
Von 15. März 2023

Die Migrationsbilanz des letzten Jahres an den Südgrenzen der EU ist düster. Laut einer neuen Statistik stieg in Ungarn die Zahl der Schleusungsdelikte im Jahr 2022 um 167 Prozent, wobei 1.697 Fälle untersucht wurden.

Auch die Anzahl der Migranten und Flüchtlinge, die über die Balkanroute kommen, ist nicht zurückgegangen. Die Zahl der illegalen Migranten ist sogar um 120 Prozent gestiegen: 269.254 Menschen haben im vergangenen Jahr die Grenzen Ungarns überquert, so die Sendung „Kékfény“ des ungarischen staatlichen Fernsehsenders.

Ungarns Grenztruppen arbeiten international zusammen, um die extreme Gewalt zu bekämpfen. Die Regierung hat seit 2016 eine „besondere Krisensituation“ ausgerufen, um schnell Maßnahmen zum Schutz der Grenzen ergreifen zu können. Der Druck lässt jedoch nicht nach, im Gegenteil, er scheint sogar noch zuzunehmen.

Körperliche Gewalt ist Alltag

Die ungarisch-serbische Grenzregion wird ein gefährlicherer Ort für Polizisten und Grenzschutzbeamte. János Kuczik, stellvertretender Chef der nationalen Polizei, verdeutlichte kürzlich einige Methoden, die angewendet werden, um die Grenze zu überwinden.

Da die gesamte Südgrenze durch einen Zaun geschützt ist, sieht sich jeder illegale Einwanderer, der das Land betritt, Stacheldraht und den an der Grenze stationierten Polizeikräften gegenüber. Die ersten Methoden, um den Zaun zu durchbrechen oder Tunnel zu graben, waren in der Regel nicht mit direkter Gewalt verbunden.

Im Jahr 2022 wurden andere Methoden ausprobiert. Sie bestehen darin, „in kleinen oder großen Gruppen von Serbien aus an den Sicherheitszaun zu kommen und die Grenzbeamten mit Steinen und Stöcken zu bewerfen, während sie gleichzeitig Leitern benutzen, um einige Hundert Meter entfernt über den Zaun zu gelangen“, erklärte Kuczik.

Die Grenzbeamten werden teilweise mittels Schleudern mit Steinen, Murmeln oder sogar lokal verfügbaren Früchten beschossen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Schusswaffen gefunden werden. „Letztes Jahr hörte die Polizei mindestens Hundert Schüsse aus Serbien und in zwölf Fällen gaben Schmuggler Warnschüsse vor den Augen von Polizisten oder Soldaten ab“, erklärte der Polizist.

Dem Bericht zufolge wurden im Jahr 2022 bei 485 Angriffen 12 Polizisten und 30 Soldaten verletzt und 210 Fahrzeuge in Ungarn beschädigt.

Manchmal versammeln sich größere Menschenmengen in der Nähe der Grenze. Diese Migranten auf dem Foto verlassen gerade Ungarn, nachdem sie abgeschoben wurden. Foto: iStock

Die Grenze überqueren – aus Sicht der Migranten

Ein ungarischer Journalist hat sich vor Kurzem selbst ein Bild von der Lage an der serbischen Grenze gemacht. In einem Artikel, der in der Wirtschaftszeitung „hvg360“ veröffentlicht wurde, zeigt András Földes, wie der Grenzübertritt aus der Sicht der Migranten aussieht.

Der Reporter traf mehrere Flüchtlinge auf der serbischen Seite des Grenzzauns. Sie weihten ihn in ihre Geschichten ein. Im Wesentlichen fasst Földes seine Erfahrungen mit den Worten zusammen, dass „Menschenschmuggel wie ein Reisebüro funktioniert“.

Die Zuwanderer zahlen zu Beginn ihrer Reise eine große Summe Geld an einen Koordinator in ihrem Heimatland. Die meisten betroffenen Menschen sind nicht wohlhabend. In der Regel verkaufen sie ihr Haus und ihr Land und machen sich mittellos auf den Weg. Der Großteil ihres Geldes bleibt an einem sicheren Ort bei Verwandten oder Freunden, die sie aus der Ferne unterstützen.

Die Reise besteht dann aus mehreren Etappen, bis sie ein Zielland im Westen erreichen. Vor jeder Etappe wird eine separate Rate gezahlt.

Im Falle des ungarischen Grenzübergangs bezahlen sie sogenannte „Wanderführer“, die sie durch den Wald zum Zaun führen und die Grenzbeamten ablenken. Während die Schmuggler selbst absichtlich Lärm machen, Dinge nach der Polizei werfen, Warnschüsse abgeben oder ähnliches tun, versuchen die Migranten, mit ihren Leitern an einem ruhigen Ort überzusetzen. Außerdem müssen sie ein Auge auf Wärmebildkameras haben. Wenn sie eine sehen, bedecken sie sich in der Regel mit Schlamm oder Schmutz, damit man sie nicht entdecken kann.

Sobald sie die Grenze erfolgreich überquert haben, müssen sie den nächsten Treffpunkt finden. Von diesem ausgehend können sie in den Lastwagen der Schmuggler nach Österreich, Deutschland oder in ein anderes Land weiterfahren. Allerdings schaffen nicht alle von ihnen, den Weg zum Sammelpunkt zu finden. Einige ergeben sich der Polizei, nachdem sie tagelang hungrig und durstig herumgeirrt sind.

Nachdem sie den Zaun überquert haben, suchen die Migranten nach den Autos der Schmuggler, die sie weiterbringen. Viele von ihnen verirren sich und werden von den Behörden geschnappt. Das Foto zeigt die serbisch-ungarische Grenze mit dem Zaun in der Nähe des Grenzübergangs in Subotica. Foto: iStock

Die Polizei ermittelt in der Regel nicht, sondern schiebt sie sofort zurück nach Serbien ab. Von dort aus können sie sich erneut auf den Weg über den Grenzzaun machen. Natürlich müssen sie die Schmuggler für jeden dieser Versuche bezahlen.

An der Grenze traf der Reporter auf Menschen, die mehr als zehnmal versucht hatten, die Grenze zu überqueren. Einige wurden am Zaun erwischt, andere haben sich verlaufen und sich der Polizei gestellt.

„Das Fahrgeld zur Grenze muss immer wieder bezahlt werden. Auch das Telefon, das uns die Polizei abnimmt, muss gekauft werden. Und die Schläge an der Grenze …“, erklärte ein Migrant dem Reporter, warum es sich lohnt, die ungarische Grenze so schnell wie möglich zu überqueren. Eine Überquerung der ungarisch-österreichischen Grenze kostet in der Regel etwa 2.500 Euro.

Regierung verlängert die Krisensituation

Im Jahr 2016 verkündete die Regierung von Viktor Orbán eine Krisensituation in Ungarn, die durch die Masseneinwanderung verursacht wurde. Seitdem gilt der Ausnahmezustand; die Regierung hat ihn kürzlich um weitere sechs Monate verlängert. Die aktivste Migrationsroute ist weiterhin die aus dem Balkan, zu der auch die ungarische Grenze gehört.

„Ohne Grenzzaun und Schutz wären in den letzten neun Jahren Millionen illegaler Einwanderer ins Land gekommen. Da es in Brüssel keine nennenswerte Änderung der einwanderungsfreundlichen Politik gibt, drängt die einwanderungsfreundliche Organisation weiterhin auf die Aufnahme und Verteilung von Migranten. Ungarn muss sich daher weiterhin um seine eigene Verteidigung kümmern“, heißt es im Schreiben der Regierung.

Der Grenzschutz wird daher derzeit ohne EU-Unterstützung durchgeführt, hauptsächlich durch die Zusammenarbeit zwischen Österreich, Serbien und Mazedonien. Die Visegrád-Gruppe hat kürzlich ebenfalls Unterstützung zugesagt und eine Zusammenarbeit mit der EU gefordert. Allerdings sei dies noch ein weiter Weg, sagt Ministerpräsident Viktor Orbán.



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