Bald Frieden in der Ukraine? Macron und Starmer übernehmen das Ruder
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Der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer schlagen eine einmonatige Waffenruhe für die Ukraine vor. Ihr Friedensplan sieht als erste Deeskalationsmaßnahme eine „Waffenruhe in der Luft, auf See und im Bereich der Energieinfrastruktur“ vor, wie Macron der französischen Zeitung „Le Figaro“ sagte.
Starmer hatte zuvor nach einem europäischen Krisengipfel in London angekündigt, Großbritannien, Frankreich sowie eine Reihe anderer Länder wollten mit der Ukraine an einem Waffenruhe-Plan arbeiten.
Der Vorteil einer solchen Waffenruhe sei, dass „man sie messen kann“, da die Front extrem lang sei – „das Äquivalent der Strecke Paris-Budapest“, sagte der französische Präsident.
Zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs waren am 2. März in London zu einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammengekommen. Zuvor hatte ein heftiger Schlagabtausch zwischen Selenskyj, US-Präsident Donald Trump und dessen Vize JD Vance im Beisein der Weltpresse im Weißen Haus die amerikanisch-ukrainischen Beziehungen in eine tiefe Krise gestürzt.
Scholz: „Russische Perspektive nicht akzeptieren“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte in einer Pressekonferenz in London nach dem Treffen: Die Ukraine müsse sich weiterhin „selbst verteidigen können“ und „die russischen Perspektiven“ dürften nicht akzeptiert werden. Auch gegen eine Demilitarisierung der Ukraine sprach sich Scholz aus. Zur NATO: „Die transatlantische Vergangenheit war wichtig“ und bleibe auch künftig wichtig, wies Scholz im Hinblick auf die Verlässlichkeit der USA hin.
Sowohl die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen als auch der NATO-Generalsekretär Mark Rutte unterstrichen, dass das Gipfeltreffen in London klar gemacht habe, „dass in den nächsten Tagen mehrere EU-Länder ihr Verteidigungsbudget erhöhen werden“. Rutte weiter: „Ich habe allen Grund zur Annahme, dass weitere Ankündigungen folgen werden.“

Ukraine-Sondergipfel in London: Olaf Scholz (SPD) reiste als Noch-Bundeskanzler an. Foto: Christophe Ena/Pool AP/AP/dpa
Frankreich bietet Atomschild an
Macron erklärte sich bereit, nun „die Diskussion“ über eine europäische nukleare Abschreckung zu eröffnen. Frankreich ist das einzige EU-Land, das über Atomwaffen verfügt. Nun bietet Macron allen Europäern seinen nuklearen Schutzschirm an. Dies würde „Frankreich stärker machen“, begründete der französische Präsident im Vorfeld des Londoner Gipfeltreffens gegenüber der Pariser Tageszeitung „Le Parisien“.
Gegenüber der Regionalzeitung „Ouest-France“ fügte er hinzu, „dass wir schon heute“ den in Weißrussland stationierten russischen Raketen „ausgesetzt“ seien. Und weiter: „Wir können nicht sagen, dass wir autonomere Europäer sein wollen und davon ausgehen, dass wir unsere Nachbarn völlig von den amerikanischen Abschreckungskapazitäten abhängig machen.“
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Europäische Regierungschefs beraten am 2. März 2025 über die Zukunft der Ukraine. Foto: Justin Tallis – WPA Pool/Getty Images
Italien will „Brückenbauer“ sein
Laut „Microsoft News“ (MSN) bot sich die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Partei Fratelli d’Italia, konservativ) gegenüber dem britischen Premier Keir Starmer (Labor, politisch links) als Vermittlerin an: „Italien und Großbritannien können Brücken zwischen Europa und den USA bauen“, sagte sie. „Ich halte es für sehr, sehr wichtig, dass wir das Risiko einer Spaltung des Westens vermeiden.“
Deshalb schlägt sie ein Treffen zwischen den Staats- und Regierungschefs der USA und Europas vor, denn „wenn wir uns spalten, werden wir alle schwächer“. Sie sei sich sicher, „dass wir in Fragen wie Sicherheit, Verteidigung, Energie und dem Kampf gegen irreguläre Einwanderung und Menschenhändler noch besser werden können“.
Großbritannien übernimmt Führung
Der britische Premierminister Starmer hat zu Beginn der Konferenz die Teilnehmer, darunter Bundeskanzler Scholz, dazu aufgefordert, sich in einem „einmaligen Moment“ für die Sicherheit in Europa einzusetzen.
Zuvor hatte er gegenüber des britischen Staatsfernsehens BBC erklärt, er habe mit Trump und Macron vereinbart, dass sich Großbritannien und Frankreich an einem Friedensplan für die Ukraine beteiligen werden. Dieser soll dann mit Trump besprochen werden. Starmer will zudem, dass sich „ein oder zwei“ weitere Nationen an der Ausarbeitung des Plans beteiligen, „um die Kämpfe zu beenden“.
Außerdem will Starmer rund zwei Milliarden Euro ausgeben, um der Ukraine 5.000 Luftabwehrraketen zur Verfügung zu stellen.
„Ist Polen noch sicher?“
„Ist Polen nach dem Streit zwischen Trump und Selenskyj noch sicher?“, titelte die polnische Zeitung „Rzeczpospolita“ direkt nach dem Eklat im Weißen Haus und machte sich Sorgen: „Wir sind dem Zusammenbruch der amerikanischen und europäischen Allianzen und dem Vorgehen russischer Kommandos gegen westliche Ziele wie den Angriff auf den Flughafen Hostomel bei Kiew im Februar 2022 nähergekommen.“
Enttäuschung herrschte derweil bei den nicht eingeladenen baltischen Staats- und Regierungschefs, wie die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) erfuhr. Litauen, Lettland und Estland sind Grenzstaaten zu Russland und haben in der Vergangenheit häufiger erlebt, wie Großmächte Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg trafen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie gegen ihren Willen in die Sowjetunion gezwungen.
Hingegen nahm der kanadische Premier Justin Trudeau an dem europäischen Gipfel teil. Aus der kanadischen Delegation war zu erfahren, auch Kanadas Ziel für die Ukraine bestehe darin, „langfristige Sicherheitsgarantien zu gewährleisten, die sicherstellen können, dass die Menschen in der Ukraine friedlich leben können und nicht ständiger Bedrohung oder Unterdrückung durch einen unzuverlässigen Nachbarn ausgesetzt“ seien, wird ein Teilnehmer von der konservativen Toronto Zeitung „National Post“ zitiert.
Trump erhöht Druck auf Europa
Die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Post“ zeigte sich in einem Beitrag vom 1. März überzeugt, dass aufgrund des Konflikts zwischen Trump und Selenskyj „ein großer Druck auf die europäischen Staaten entstanden sei, die Ukraine gegebenenfalls ohne die USA zu unterstützen“.
Diese Bereitschaft bekräftigte umgehend die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Sie postete auf X: „Das Treffen verändert die Sicht der Verbündeten auf die Vereinigten Staaten. Heute wurde klar, dass die freie Welt einen neuen Führer braucht. Es liegt an uns Europäern, diese Herausforderung anzunehmen. Wir werden unsere Unterstützung für die Ukraine verstärken, damit sie den Aggressor weiterhin bekämpfen kann.“
Wie lange bleibt Selenskyj noch?
In der Ukraine gibt es Medien wie den Fernsehkanal „112 ua“, die kritische Stimmen über Selenskyj veröffentlichen. Rachel Rizzo etwa, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Washingtoner Think Tanks „Atlantic Council“, kommentierte, dass Selenskyj die Kommunikation mit Trump von Grund auf neu beginnen müsse. Andernfalls werde er „nicht nur in den Hintergrund gedrängt, sondern sogar vollständig gestrichen“, glaubt Rizzo.
Der US-Senator Lindsey Graham (Republikaner) wird mit der Forderung zitiert, Selenskyj „sollte entweder zurücktreten und jemanden senden, mit dem wir Geschäfte machen können, oder er sollte Maßnahmen ergreifen, um Trumps Vertrauen wiederherzustellen.“ Ob dies möglich sei, bezweifelt hingegen Rachel Rizzo.
Hintergrund: Beispielloser Eklat
Trump und JD Vance hatten am 28. Februar Selenskyj im Weißen Haus empfangen. Die Auseinandersetzung begann, als der US-Vizepräsident erklärte, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine müsse durch „Diplomatie“ beendet werden. Selenskyj entgegnete darauf, dass bereits 2014 niemand Putin bei der Annexion der Krim gestoppt habe. In Richtung JD Vance gewandt, fragte Selenskyj dann: „Von welcher Art von Diplomatie sprechen Sie denn?“
An dieser Frage schaukelte sich das Gespräch sichtlich hoch und geriet aus den Fugen. Es entspann sich ein Wortgefecht zwischen Trump, JD Vance und Selenskyj. Der US-Präsident warf Selenskyj vor, den Dritten Weltkrieg zu riskieren. „Und was Sie tun, ist sehr respektlos gegenüber diesem Land“, so Trump.
JD Vance und Trump äußerten sich zudem frustriert über ein geplantes Abkommen zum Abbau von „seltenen Erden“ in der Ukraine sowie der angeblich mangelnden Bereitschaft Selenskyjs, ein Friedensabkommen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin abzuschließen.
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Als Trump, JD Vance und Selenskyj im Weißen Haus diskutierten, eskalierte das Gespräch. Foto: Mystyslav Chernov/AP/dpa
Fest steht: Frieden rückt näher
Bei all den Aufregungen der letzten Tage darüber, auf welche Weise Frieden in der Ukraine erreicht werden könnte, zeichnet sich inzwischen ein klares Bild ab: Seit dem erneuten Einzug Trumps ins Weiße Haus ist Frieden in der Ukraine – wie von Trump angekündigt – tatsächlich in greifbare Nähe gerückt.
Der aktuelle Londoner Gipfel offenbart, dass der Druck aus den USA Wirkung zeigt. Noch nie in den vergangenen drei Kriegsjahren waren sich die führenden europäischen Staaten so einig wie jetzt, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Dass dabei die UN-Sicherheitsratsmächte Großbritannien und Frankreich die Führung übernehmen, liegt auf der Hand.
Denn die eigentliche Führungsmacht Deutschland, die finanziell und militärisch bisher der größte europäische Unterstützer der Ukraine war, ist durch ihre innenpolitischen Probleme derzeit gebunden.
Nun wird Starmer in dieser Woche in Washington die französischen und britischen Vorstellungen für das weitere Vorgehen vorlegen und mit Trumps Ideen abgleichen. Dass Kanada an den Beratungen in London teilnahm, dürfte nicht nur daran liegen, dass der britische König nach wie vor kanadisches Staatsoberhaupt ist.
Vielmehr liegt es im Interesse Kanadas, mit diesem Schritt Unabhängigkeit von den USA zu demonstrieren. Und wahrscheinlich ist die kanadische Regierung auch bereit, – anders als die USA – sich an möglichen Friedenstruppen bei einer Demilitarisierung zu beteiligen.
Den Statements der europäischen Politiker nach der Konferenz ist indes zu entnehmen, dass an einem geschlossenen Auftreten gegenüber Russland noch gearbeitet werden muss. Bislang war dazu nichts zu vernehmen. Insofern sind die USA, was den Umgang mit Putin angeht, weiterhin in der Führung.
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