Auswärtiges Amt verurteilt neue Gewalt in Syrien – Anwohner: „Straßen voller Leichen“

Das Auswärtige Amt fordert alle Seiten in Syrien zu einem Ende der Gewalt auf. In Syrien wurden seit drei Tagen mehr als 1.000 Menschen getötet – vor allem Alawiten, die der gleichen Minderheit angehören wie Assad.
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Mitglieder der Sicherheitskräfte, die der syrischen Übergangsregierung treu sind, posieren an der Mittelmeerküste in Syriens westlicher Stadt Latakia am 9. März 2025.Foto: Omar Hat Kadour/AFP via Getty Images
Epoch Times9. März 2025

Drei Monate nach dem Sturz der Assad-Regierung in Syrien haben Einsatzkräfte der neuen islamistischen Machthaber nach übereinstimmenden Berichten Massaker an hunderten Zivilisten verübt.

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden an der Mittelmeerküste und im Gebirge bei Latakia im Nordwesten des Landes seit Donnerstag mindestens 745 Angehörige der alawitischen Minderheit getötet.

Augenzeugen schilderten der Nachrichtenagentur AFP regelrechte Jagdszenen, der christliche Patriarch Johannes X. sprach von Massakern auch an Christen. Das Auswärtige Amt rief die Übergangsregierung in Damaskus auf, weitere Übergriffe zu verhindern.

Großeinsatz der Dschihadisten gegen Minderheit der Alawiten

Die mehrheitlich von Alawiten bewohnte Region Latakia am Mittelmeer ist seit Donnerstag Schauplatz heftiger Gefechte zwischen Kämpfern der neuen Führung und Anhängern des vor drei Monaten gestürzten Machthabers Baschar al-Assad, der ebenfalls der alawitischen Minderheit angehört.

Am Freitag startete die neue islamistische Führung in Damaskus nach eigenen Angaben einen Großeinsatz, der auf „die Überreste von Assads Milizen und deren Unterstützer“ ziele.

Insgesamt wurden laut Beobachtungsstelle in den vergangenen Tagen mehr als tausend Menschen getötet, darunter 125 Kämpfer der neuen Führung sowie 148 Assad-treue Kämpfer.

Zugleich wurden laut der in London ansässigen Beobachtungsstelle für Menschenrechte auch mindestens 745 Zivilisten durch die Regierungskräfte und verbündete Gruppen getötet.

Die Beobachtungsstelle sprach von regelrechten „Massakern“ und „Hinrichtungen“, bei denen auch Kinder getötet worden seien. Die Opfer würden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der religiösen Minderheit oder ihres Wohnorts ausgesucht. Auch komme es zu Plünderungen. Die Daten können nicht überprüft werden.

Anwohner: „Straßen voller Leichen“

Auch mehrere Bewohner der betroffenen Region schilderten der Nachrichtenagentur AFP wahllose Tötungen von Menschen. Die 35-jährige Alawitin Rihab Kamel sagte, sie und ihre Familie hätten sich in der Hafenstadt Banias vor den mit den neuen Machthabern verbündeten Einsatzkräften zwei Tage lang im Badezimmer ihres Wohnhauses versteckt.

Als sie schließlich ihr Wohnviertel Al-Kussur verlassen hätten, seien die Straßen „voller Leichen“ gewesen. Mit ihrer Familie sei sie mittlerweile an einen Ort an der Grenze zum Libanon geflüchtet, eine christliche Familie habe ihnen geholfen.

Ein anderer Bewohner von Banias, der 67-jährige Samir Haidar, der ebenfalls Alawit ist, aber der linksgerichteten, syrischen Opposition gegen Assad angehörte und jahrelang inhaftiert war, entkam den bewaffneten Gruppen, „darunter Ausländer“, nach eigenen Angaben ebenfalls nur knapp. Zwei seiner Brüder und ein Neffe wurden nach seinen Worten getötet.

Entführungen und Ermordungen

Mehrere Bewohner von Latakia berichteten AFP, dass Kämpfer zahlreiche Alawiten entführt hätten. Diese seien später tot aufgefunden worden. Unter ihnen sei der Leiter des staatlichen Kulturzentrums der Stadt, Jasser Sabbuh, seine Leiche sei vor den Eingang seines Wohnhauses geworfen worden.

Ein Bewohner der weiter südlich gelegenen Stadt Dschabla berichtete am Telefon unter Tränen aus dem Wohnhaus, in dem er sich mit seinen Eltern und Brüdern ohne Strom und Wasser verschanzt habe, von massenhaften Ermordungen.

Mehr als 50 Mitglieder seiner Familie und seines Freundeskreises seien getötet worden. „Sie haben die Leichen mit Bulldozern zusammengeschoben und in Massengräbern begraben“, sagte er und fügte an: „Sie haben sogar Leichen ins Meer geworfen.“

Wie ein AFP-Fotograf berichtete, rückte ein Konvoi aus zwölf Militärfahrzeugen in Latakia im Vorort Basnada ein, Einsatzkräfte der Regierung durchsuchten dort Wohnhäuser. Alle Straßen in Richtung der Küstenregion wurden nach Behördenangaben abgeriegelt. Dies geschehe, um „Übergriffe zu verhindern“, hieß es von der Regierung.

Der Patriarch der christlich-orthodoxen Kirche von Antiochien, Johannes X., sprach in seiner Predigt am Sonntag auch von „zahlreichen unschuldigen Christen“, die getötet worden seien. Er forderte Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa auf, die „Massaker“ im Westen des Landes zu beenden.

US-Außenminister verurteilt die „Massaker“

Der neue US-Außenminister Marco Rubio verurteilte die „Massaker“ an Minderheiten in Syrien. Er forderte am Sonntag von den neuen Machthabern, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssten.

Das Auswärtige Amt nannte die „Berichte über die Ermordung von Zivilisten und Gefangenen (…) schockierend“. Die Übergangsregierung stehe „in der Verantwortung, weitere Übergriffe zu verhindern, die Vorfälle aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“.

Israel warnt: Europa sollte Realität nicht verkennen

Der israelische Außenminister Gideon Saar sagte der „Bild“-Zeitung, die islamistischen Machthaber massakrierten „gnadenlos ihr eigenes Volk“. Ihr „Gerede über Inklusivität“ sei „nichts als leere Worte“.

Der neue Regierungschef Ahmed al-Scharaa und seine Männer „waren Dschihadisten und sind es geblieben, auch wenn sie jetzt Anzüge tragen“, sagte Israels Außenminister Gideon Sa’ar.

Europas Regierungen forderte Saar auf, die „Realität“ in Syrien nicht zu verkennen. Europa müsse „aufhören, einem Regime Legitimität zu verleihen, dessen erste Handlungen – wenig überraschend angesichts seiner bekannten terroristischen Vergangenheit – diese Gräueltaten sind“.

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk erklärte am Sonntag, ihn erreichten „äußerst verstörende“ Berichte, denen zufolge ganze Familien getötet würden. Die Tötung von Zivilisten müsse „sofort aufhören“.

Auswärtiges Amt verurteilt Gewalt

Das Auswärtige Amt hat den neuen Ausbruch der Gewalt in den syrischen Regionen Tartus, Latakia und Homs scharf verurteilt.

„Die Übergangsregierung steht in der Verantwortung, weitere Übergriffe zu verhindern, die Vorfälle aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Sonntag. Die Berichte über die Ermordung von Zivilisten und Gefangenen seien „schockierend“.

Man fordere alle Seiten zu einem Ende der Gewalt auf, so die Sprecherin weiter. „Nur so kann gesellschaftlicher Frieden nach Jahrzehnten des Assad-Terrorregimes hergestellt und der Weg eines inklusiven politischen Prozesses beschritten werden, der zur nachhaltigen Befriedung und Stabilisierung Syriens so wichtig ist.“

Die Zukunft des Landes müsse, frei von jeglichen ausländischen Destabilisierungsversuchen, in den Händen aller Syrer liegen – „egal welcher Ethnie, Religion oder welchen Geschlechts“, so das Auswärtige Amt.

Die islamistische HTS-Miliz von al-Scharaa hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Schreckensherrschaft von Assad beendet, der nach Russland floh. Seit der Machtübernahme hat al-Scharaa wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Die HTS ging einst aus der Al-Nusra-Front hervor, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. (afp/red)

 



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