Aussetzung der Waffenlieferungen: Zeichen wachsender Frustration Bidens mit Netanjahu

US-Präsident Joe Biden ist zunehmend über Israels Unfähigkeit frustriert, auf die Bedenken der USA bezüglich einer größeren Operation in Rafah einzugehen. Das zeigt seine jüngste Drohung, Waffenlieferungen an den jüdischen Staat auszusetzen.
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Ist die Zeit der Umarmung vorbei? Wegen des geplanten Angriffs auf Rafah droht US-Präsident Joe Biden Israels Premierminister Benjamin Netanjahu mit einem Stopp der Waffenlieferungen.Foto: Brendan Smialowski/AFP via Getty Images
Von 11. Mai 2024

Zum ersten Mal erklärte Präsident Biden, dass die Vereinigten Staaten keine Waffen und Artilleriegeschosse liefern würden, sollte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu in Rafah einmarschieren.

„Diese Bomben und andere Angriffe auf Bevölkerungszentren haben Zivilisten in Gaza getötet“, sagte Biden am 8. Mai in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN.

Netanjahu revanchierte sich am nächsten Tag mit einer Videobotschaft: „Wenn wir allein handeln müssen, werden wir allein handeln.“

Während sich die beiden Staatsoberhäupter bereits in der Vergangenheit wegen der israelischen Operation im Gazastreifen heftige Wortgefechte geliefert hatten, hat die jüngste Auseinandersetzung ihre Fehde offenbar auf ein neues Niveau gehoben.

„Ein politisches Signal der Frustration und Unzufriedenheit“, so interpretiert Aaron David Miller, ein ehemaliger Nahost-Analyst des US-Außenministeriums, das jüngste Ultimatum von Präsident Biden.

In einem kürzlich veröffentlichten Beitrag auf X spekulierte er, dass der Präsident von seiner „passiv-aggressiven“ Haltung gegenüber Israel in den letzten sechs Monaten zu einer aggressiveren übergehen könnte.

Da Rafah die letzte Hochburg der Hamas im Gazastreifen ist, erklärte Netanjahu wiederholt, dass er dort eine Militäraktion starten werde, um die Terrorgruppe zu vernichten.

Biden hingegen äußerte wiederholt Bedenken, dass bei einer groß angelegten Militäroperation in Rafah die Zivilbevölkerung zu Schaden kommen könnte, da in den vergangenen sieben Monaten der Kämpfe mehr als eine Million Palästinenser in der Stadt zusammengepfercht waren.

Einigen Beobachtern zufolge signalisieren die derzeitigen Spannungen das Ende der Ära der „Bärenumarmung“ zwischen Präsident Biden und Netanjahu, auch bekannt als „Bibi“.

„Umarme Bibi fest“

Biden und sein Team wurden überrascht, als die Terrorgruppe Hamas am 7. Oktober einen Angriff auf Israel startete, bei dem etwa 1.200 Zivilisten, darunter mehr als 30 Amerikaner, getötet wurden. Kurz nach dem Anschlag reiste er in den Nahen Osten und fand sich mitten in einem Kriegsgebiet wieder.

Seine Umarmung von Netanjahu bei seiner Ankunft in Tel Aviv am 18. Oktober wurde zu einem der meist diskutierten Momente der Krise und einige sahen darin ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den beiden Staatschefs.

Biden und Netanjahu kennen sich schon seit Jahrzehnten. Ihre Beziehung verlief jedoch nicht immer reibungslos.

Franklin Foer, Reporter des US-Magazins „The Atlantic“, erklärt diese komplexe Beziehung in seinem Buch „The Last Politician: Inside Joe Biden’s White House and the Struggle for America’s Future“.

Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2021 ging Biden auf Netanjahu zu. Er sagte seinen Beratern, dass er abwarten wolle, um Vertrauen zu Netanjahu aufzubauen, da er aus früherer Erfahrung wisse, dass „Kritik Bibi nur wegstoßen würde“.

„Seiner Ansicht nach war der schnellste Weg zur Beendigung des Konflikts, sich klar auf die Seite Israels zu stellen und Netanjahu mit Liebe zu erdrücken“, heißt es in dem Buch.

Das Vertrauen, das er in der Vergangenheit hinterlegt hatte, wollte er dann im richtigen Moment für sich nutzen, schreibt Foer. Erst dann würde er Bibi sagen, er solle den Krieg beenden. Aber in der Zwischenzeit würde er Bibi fest umarmen.

Es scheint, dass Präsident Bidens Strategie an ihre Grenzen gestoßen ist, wie sich in dem CNN-Interview zeigt. „Ich habe es deutlich gemacht“, sagte Biden. „Wenn sie nach Rafah gehen, werde ich keine Waffen liefern. […] Das ist einfach falsch.“

Was nun?

Die US-amerikanische Nachrichten-Website „Axios“ berichtete erstmals am 5. Mai unter Berufung auf zwei anonyme israelische Beamte, dass die Biden-Regierung die Lieferung bestimmter Munition in der Woche zuvor gestoppt habe. Am 8. Mai bestätigte Verteidigungsminister Lloyd Austin, dass die Biden-Regierung die Lieferung verschiedener Munition an Israel verzögert habe, da sie deren Einsatz gegen Zivilisten in Gaza überprüfe.

„Wir überprüfen derzeit einige kurzfristige Sicherheitslieferungen im Zusammenhang mit den sich entwickelnden Ereignissen in Rafah“, sagte Austin bei einer Senatsanhörung.

Israel hat seine Absicht, eine größere Militäroperation in Rafah zu starten, seit Monaten kundgetan. Die Vereinigten Staaten haben sich stets dagegen ausgesprochen.

„Wir haben ganz klar gesagt, dass wir das nicht wollen. Ich sollte sagen, dass wir weiterhin mit Israel über andere Optionen sprechen, die es verfolgen kann“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller, während eines Pressetermins am 9. Mai.

Der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, versuchte, die Äußerungen Bidens während eines Telefonats mit Reportern klarzustellen, indem er andeutete, dass die Öffentlichkeit nur erfahren habe, was er Netanjahu seit Wochen privat mitteilte.

„Der Präsident und sein Team sind sich seit mehreren Wochen darüber im Klaren, dass wir eine größere Bodenoperation in Rafah nicht unterstützen“, sagte Kirby am 9. Mai und fügte hinzu, dass der Präsident dies Netanjahu „wiederholt und geradeheraus“ mitgeteilt habe.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Arms Suspension Signals Biden’s Deepening Frustration With Netanyahu“. (deutsche Bearbeitung jw)



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