Ausschreitungen in London nach Messerattacke in Southport: Mehr als 100 Festnahmen, 39 Polizisten verletzt

Der Versuch von Ultranationalisten, eine Messerattacke mit drei getöteten Kindern im britischen Southport politisch zu instrumentalisieren, hatte mehr als 100 Festnahmen und 39 verletzte Polizisten zur Folge. Unter Berufung auf Gerüchte hatten sich Rechtsextreme unter anderem vor einer Moschee versammelt.
In London eskalierten Proteste von Ultranationalisten.
In London eskalierten Proteste von Ultranationalisten.Foto: Jordan Pettitt/PA Wire/dpa
Von 1. August 2024

Mehr als 100 Festnahmen und 39 verletzte Polizisten in London: Das ist die Bilanz der jüngsten Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Messerattacke vom Montag, 29. Juli, im britischen Southport. Dabei hatte ein 17-Jähriger auf Kinder eingestochen, die an einem Tanzkurs teilnahmen. Drei von ihnen starben. König Charles III., Premierminister Keir Starmer und Popsängerin Taylor Swift haben den Angehörigen der Opfer ihre Anteilnahme ausgesprochen. Der Tanzkurs hatte sich auf die Sängerin und ihre Musik bezogen.

Nachrichtensperre über Messerattacke in Southport lag am Alter des Tatverdächtigen

Der Tatverdächtige konnte überwältigt und festgenommen werden. Gegen ihn wird nun wegen des Verdachts auf Mord und versuchten Mord in mehreren Fällen ermittelt. Der Haftrichter hatte auf Antrag der Ermittlungsbehörden vorerst die 96-Stunden-Frist verlängert, in dieser über die Erhebung einer Anklage oder die Freilassung des Verdächtigen zu entscheiden ist. Mittlerweile melden Medien, dass eine Anklage wegen dreifachen Mordes und zehnfachen versuchten Mordes erhoben werden soll.

In Großbritannien verbieten es gesetzliche Vorgaben, vor einer rechtskräftigen Verurteilung Details wie Namen, Wohnort oder Beruf minderjähriger Verdächtiger zu veröffentlichen. In diesem Sinne hatten sich Polizei und Medien über Details bezüglich des 17-Jährigen bedeckt gehalten.

Für zahlreiche Social-Media-Nutzer, die mit Blick auf die Tat, die das gesamte Land schockierte, nach Antworten suchten, war dies augenscheinlich ein unbefriedigender Zustand. Ideologische Akteure erkannten ihre Chance, einen Sündenbock zu bieten.

Weder Asylbewerber noch Bezug zum Islam – Gerücht wurde dennoch geteilt

Entsprechend machte ein gezielt gestreutes Gerücht die Runde. Diesem zufolge handele es sich bei dem Tatverdächtigen um einen „Ali Al-Shakati“ und dieser sei ein „Asylbewerber aus einem islamischen Land“. Er sei „im Vorjahr illegal mit einem Boot eingereist“.

Die Clickbait-Seite „Channel 3 Now“ griff die Falschmeldung auf, Bezug habende Beiträge wurden mehr als vier Millionen Mal auf X angesehen. Schon bald verbreiteten sich erste Aufrufe, sich unter dem Motto „Genug ist genug“ („Enough is enough“) am Dienstag zu einer Demonstration zu versammeln.

Der Tatverdächtige soll jedoch in der walisischen Hauptstadt Cardiff geboren sein. Berichten zufolge hat er seit mehr als zehn Jahren in Southport – nahe Liverpool – gelebt. Über seine religiöse Zugehörigkeit ist nichts bekannt; mangels erkennbarer Bedeutsamkeit für den Fall haben Sicherheitsbehörden sich dazu nicht geäußert.

Die Eltern des Tatverdächtigen waren aus dem zu mehr als 95 Prozent christlichen Ruanda eingewandert. Sie galten als eine freundliche, aber verhältnismäßig zurückgezogen lebende Familie. Der Vater hatte über einige Jahre Karate-Kurse gegeben, wie BBC berichtet. Der Sohn teilte die Leidenschaft für den Sport jedoch nicht. Einen terroristischen Beweggrund halten Ermittlungsbehörden für unwahrscheinlich. Der Schwerpunkt der Ermittlungen fokussiere sich auf den mentalen Gesundheitszustand des 17-Jährigen.

Randalierer kamen nicht aus Southport

Neben dem Messerangriff selbst beschäftigen auch die Krawalle Großbritanniens Innenpolitik, die in den Tagen danach stattgefunden hatten. Am Dienstagabend hatten Anhänger islamophober Gruppen in Southport BBC zufolge erst versucht, eine Andacht für die Opfer durch Parolen zu stören. Anschließend haben sie sich in die Nähe der städtischen Moschee begeben und dort Pflastersteine auf das Gebäude und auf Polizeibeamte zu werfen begonnen. Fünf Personen wurden festgenommen.

Wie sowohl Anwohner als auch Polizeibeamte vor Ort angaben, seien die Randalierer nicht aus Southport oder der Umgebung der Gemeinde gekommen. Vielmehr habe es sich um organisierten Demonstrationstourismus gehandelt, der sich durch ein hohes Maß an Aggressivität ausgezeichnet hätte. Die Gemeinde Southport selbst gilt weder als sozialer Brennpunkt noch als Kriminalitätshochburg.

Am Mittwoch kam es zu einer ebenfalls teilweise gewalttätig verlaufenen Kundgebung in der Innenstadt von London. Dort sei der Polizei zufolge ein Sanitäter angegriffen worden. Zudem wurden Beamte leicht verletzt und mehrere Verstöße gegen Auflagen festgestellt. Auch zu Würfen von Flaschen und Feuerwerkskörpern in Richtung des Regierungssitzes in der Downing Street sei es gekommen. Dort hat die Polizei mehr als 100 Festnahmen ausgesprochen.

Vorwürfe gegen X wegen Reichweite der Falschinformationen

Die Ausschreitungen in Southport und London haben erneut Vorwürfe gegen den Kurznachrichtendienst X laut werden lassen. Im „Guardian“ schreibt Owen Jones, X sei zu einer „Schlangengrube an Desinformation und rechtsradikalen Talking Points geworden. Aber auch andere soziale Medien hätten ungeprüfte und am Ende als falsch entlarvte Behauptungen verbreitet.

Allerdings seien Gerüchte nur dort erfolgreich, wo diese auf ein empfängliches Publikum stießen. Die extreme Rechte, die historisch in Form der British Union of Fascists, später der National Front und der BNP und zuletzt in Form der English Defence League Anlaufpunkte gehabt habe, sei nun zersplittert und verhältnismäßig wenig schlagkräftig. Allerdings seien Islamophobie und Feindseligkeit gegen Geflüchtete auch abseits davon wirkmächtig geworden.

Im November des Vorjahres hatte es in Irland einen ähnlichen Fall gegeben. Dort war es ebenfalls nach einem Messerangriff auf Kinder in Dublin zu Ausschreitungen gekommen. Als Tatverdächtiger angeklagt ist ein irischer Staatsangehöriger, der ursprünglich aus Algerien stammte. Der 50-jährige obdachlose Riad Bauchaker erklärte zu den Anschuldigungen vor Gericht, er sei „ein kranker Mann“.



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