Aussage dementiert: Türkische Armee hat syrische Grenzstadt Ras al-Ain nicht erobert
Die türkischen Truppen haben am Samstag ihren Vormarsch gegen die Kurdenmiliz YPG fortgesetzt und sind in die Grenzstadt Ras al-Ain in Nordsyrien eingedrungen. Angaben aus Ankara, wonach die türkische Armee die Stadt erobert habe, wurden vom Rebellenbündnis SDF umgehend dementiert. Auch ein AFP-Reporter berichtete über anhaltende Gefechte in Ras al-Ain. Die USA warfen der Türkei unterdessen den Beschuss von US-Soldaten vor und drohten Ankara mit Sanktionen.
Die türkischen Truppen und ihre syrischen Verbündeten waren laut der Beobachtungsstelle am Samstagmorgen aus drei Richtungen auf Ras al-Ain vorgerückt. Nach Angaben eines AFP-Korrespondenten nahmen sie dabei ein Industriegebiet am Stadtrand ein.
Kampf um Ras al-Ain dauert an
Der Kampf um Ras al-Ain dauere aber an, betonte ein Vertreter der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). Er widersprach damit Angaben des Verteidigungsministeriums in Ankara, das verkündet hatte, die strategisch wichtige Grenzstadt sei „unter Kontrolle“ der türkischen Armee. Die SDF sind ein Bündnis der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und arabischer Milizen.
Die Türkei hatte am Mittwoch nach einem Rückzug von US-Soldaten aus dem syrischen Grenzgebiet ihre lange angedrohte Militäroffensive gegen die YPG in Nordsyrien begonnen. Die Armee bombardierte die Grenzstädte Tal Abjad und Ras al-Ain aus der Luft, zudem rückten türkische Bodentruppen und ihre syrischen Verbündeten auf die beiden Ortschaften vor.
In der Nacht zum Samstag nahmen die türkischen Truppen laut der Beobachtungsstelle elf Ortschaften in Nordsyrien ein, die meisten von ihnen in der Nähe von Tal Abjad. Seit Mittwoch eroberten sie demnach insgesamt 23 ehemals von den Kurden kontrollierte Orte.
Über 100 Tote
Seit dem Beginn der Offensive wurden mehr als 70 kurdische Kämpfer sowie 30 Zivilisten in Nordsyrien getötet, wie die den Rebellen nahestehende Beobachtungsstelle weiter mitteilte. Die Angaben der in London ansässigen Organisation sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.
Auf türkischer Seite wurden nach Angaben Ankaras 18 Zivilisten getötet. Bei den Kämpfen in Nordsyrien seien außerdem vier Soldaten getötet worden. Nach UN-Angaben flohen bereits mehr als 100.000 Menschen aus dem Grenzgebiet vor den Kämpfen.
Die USA und andere westliche Staaten hatten den türkischen Militäreinsatz von Beginn an heftig kritisiert, da sie in der YPG den wichtigsten Partner im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) sehen. Sie fürchten ein Wiedererstarken der IS-Miliz.
Sanktionen angedroht
Die USA drohten dem Nato-Partner Türkei am Freitag mit Sanktionen. US-Finanzminister Steven Mnuchin sagte, auf Geheiß von Präsident Donald Trump seien „sehr weitreichende“ Strafmaßnahmen auf den Weg gebracht worden. Frankreich drohte der Türkei mit EU-Sanktionen. Präsident Emmanuel Macron forderte in einem Telefonat mit Trump den sofortigen Stopp der türkischen Offensive.
Für zusätzliche Spannungen zwischen Washington und Ankara sorgte ein Zwischenfall nahe der syrischen Grenzstadt Kobane. Die USA warfen der Türkei vor, dort am Freitagabend US-Soldaten unter Beschuss genommen zu haben. Wenige hundert Meter entfernt von einem US-Militärposten habe es eine Explosion gegeben, erklärte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Er forderte die Türkei auf, alles zu vermeiden, was zu „sofortigen Verteidigungsaktionen“ führen könne.
Die Türkei wies die Anschuldigungen zurück. „Es wurden keinerlei Schüsse auf den US-Beobachtungsposten abgegeben“, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Samstag.
Die Türkei will mit ihrem Vorstoß eine „Sicherheitszone“ südlich der türkischen Grenze in Nordsyrien schaffen. Präsident Recep Tayyip Erdogan betonte am Freitag in einer Rede in Istanbul, sein Land werde sich dem internationalen Druck nicht beugen. „Wir werden nicht den Rückzug antreten“, sagte er. „Wir werden diesen Kampf fortsetzen, bis sich alle Terroristen 32 Kilometer von unserer Grenze entfernen.“
Die Grünen forderten mit Blick auf die türkische Offensive ein Ende der deutschen Rüstungsverkäufe an Ankara. Die Exporte müssten „sofort gestoppt werden“, sagte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Türkei heize den Krieg in Syrien weiter an und sorge „für zusätzliches Leid und massenhafte Vertreibung“ in der Region. (afp)
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