Auffällig hohe Schulden nach Corona: Frankreich, Italien, Deutschland

Sechs europäische Länder sind aktuell mit mehr als 100 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts verschuldet. Ein Blick auf Frankreich.
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Paris: Blick auf die Alexander-Ill-Brücke.Foto: iStock
Von 21. September 2023

Während der COVID-19-Krise von 2020 bis 2021 stieg die Verschuldung der EU-Mitgliedstaaten laut den Zahlen von Eurostat zeitweise sprunghaft an, bevor die Schulden ab dem zweiten Quartal 2021 wieder zurückgingen.

Allerdings haben sechs der 27 Länder bis heute immer noch eine Staatsverschuldung von mehr als 100 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Das sind: Griechenland mit einer Quote von 168,3 Prozent, Italien (143,5 Prozent), Portugal (113,8 Prozent) und Spanien (112,8 Prozent). An fünfter Stelle steht Frankreich mit einer Verschuldung von 112,4 Prozent seines BIP. Darauf folgt Belgien (107,4 Prozent).

Deutschland befindet sich im Ranking an 15. Stelle mit einer offiziellen Verschuldung von derzeit 66,2 Prozent des BIP. Die niedrigste Verschuldung im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt haben Estland (17,2 Prozent), Bulgarien (22,5 Prozent), Luxemburg (28,0 Prozent) und Dänemark (29,4 Prozent).

In absoluten Zahlen: Frankreich vor Italien und Deutschland

Frankreich gehört damit zu den sechs am höchsten verschuldeten Ländern der Europäischen Union. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wies Frankreich mit rund 3,01 Billionen Euro im ersten Quartal 2023 auch die höchste absolute Staatsverschuldung innerhalb der EU auf. Estland war im ersten Quartal 2023 mit rund 6,33 Milliarden Euro der Staat mit der geringsten absoluten Staatsverschuldung in der EU.

Noch drei weitere Staaten sind in Billionenhöhe verschuldet. Das sind Italien mit rund 2,79 Billionen, Deutschland mit 2,58 Billionen Euro und Spanien mit 1,53 Billionen Euro.

Diese Zahlen sind schwer vorstellbar. Das Bruttoinlandsprodukt steht für die gesamte wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft. Für Deutschland wird das BIP 2022 mit rund 3,8 Billionen Euro, konkret 3.876,8 Milliarden Euro angegeben. Pro Einwohner entspräche das 46.264 Euro.

Gesundheitsmaßnahmen vergrößerten das Schuldenloch

Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Frankreich und Belgien geben auch Anlass zur Sorge, weil sie deutlich über dem europäischen Durchschnitt für die Verschuldung liegen. Dieser betrug im ersten Quartal 2023 83,7 Prozent des BIP gegenüber 87,4 Prozent im ersten Quartal 2022.

Die Explosion der Staatsverschuldung ist größtenteils auf den Versuch der Regierungen zurückzuführen, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen ihrer Gesundheitspolitik, insbesondere der Ausgangssperren oder der gesellschaftlichen Einschränkungen, einzudämmen.

In Frankreich lag die Staatsverschuldung Ende 2019 noch bei 97,4 Prozent des BIP. Bis 2022 stieg sie auf 111,6 Prozent des BIP an. Anders ausgedrückt: Von 2.374 Milliarden Euro im Jahr 2019 stieg diese Verschuldung bis 2022 auf 2.950 Milliarden Euro. Im März 2023 durchbrach sie die symbolische Grenze von 3.000 Milliarden Euro.

Während der ersten fünfjährigen Amtszeit von Emmanuel Macron stiegen die Schulden also um rund 600 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte dieser Verschuldung ist auf die mit der COVID-Periode verbundenen Maßnahmen zur Einschränkung der Freiheiten zurückzuführen.

Tatsächlich handelt es sich bei 165 Milliarden Euro der Gesamtverschuldung um vom Staat zum Ausgleich gezahlte Hilfen (Sofortmaßnahmen zur Konjunkturbelebung, Kurzarbeit, Entlastungen, Solidaritätsfonds usw.). Hinzu kommt noch ein nahezu identischer Betrag (155 Milliarden Euro), der dem Verlust an Steuereinnahmen (Sozialabgaben, Mehrwertsteuer usw.) entspricht.

Wird die Gesundheitskrise außer Acht gelassen, dann hat Emmanuel Macron das Staatsdefizit somit um rund 300 Milliarden Euro ausgeweitet. Er knüpft damit an seinen Vorgänger François Hollande an, der während seiner sozialistischen Präsidentschaft die Schulden Frankreichs um 341 Milliarden Euro erhöhte.

Frankreich sackt im Rating auf AA- ab

Die drei Jahre „whatever it takes“ [Koste es, was es wolle] blieben nicht ohne Folgen. Ende April 2023 beschloss die Ratingagentur Fitch, die Kreditwürdigkeit Frankreichs auf „AA-“ herabzustufen. Angesichts der unerwartet niedrigen Wachstumsaussichten kamen die Analysten zu dem Ergebnis, dass der politische und soziale Kontext die Sanierung des Defizits und der Schulden erschweren könnte.

Dies war das erste Mal seit neun Jahren, dass Frankreich abgestuft wurde. Bis 2011 hatte Frankreich bei allen Agenturen die Höchstnote (AAA oder Aaa). 2013 stufte Fitch Ratings das französische Rating 2013 auf AA+ herab, 2014 auf AA und schließlich 2023 auf AA-.

Hinter dieser Herabstufung sahen einige wie Yves Bourdillon, Journalist bei „Les Échos“, die Folge „jahrzehntelanger haushaltspolitischer Unverantwortlichkeit“. Der letzte ausgeglichene Staatshaushalt stammt aus dem Jahr 1974, das heißt seither folgte fast ein halbes Jahrhundert ununterbrochener Defizite.

Ein politisches Patt und zum Teil gewalttätige soziale Bewegungen würden ein Risiko für die Reformpläne von Präsident Emmanuel Macron darstellen, erklärte die Ratingagentur Fitch im April. Sie warnte, dass „geringere Wachstumsaussichten und eine geschwächte Wettbewerbsfähigkeit“ zu einer weiteren Herabstufung führen könnten.

Regierung will Verschuldung senken, Möglichkeiten begrenzt

Finanzminister Le Maire erklärte zu der Einstufung, Fitchs „pessimistische“ Bewertung unterschätze die Konsequenzen der Reformen. Er bekräftigte die „vollkommene Entschlossenheit“ der Regierung, das Staatsdefizit und die Verschuldung zu senken.

„Ich glaube, die Fakten sprechen gegen die Einstufung durch Fitch. Wir können Strukturreformen umsetzen und werden das auch weiter für das Land tun“, so Le Maire. „Wir haben eine ganze Reihe von Reformen vor uns, die die Umwandlung des französischen Wirtschaftsmodells beschleunigen werden“, erklärte Le Maire und verwies in diesem Zusammenhang auf einen Gesetzentwurf für „Grüne Industrien“. Erst Mitte des Jahres setzte Macron seine umstrittene Rentenreform gegen große Widerstände durch.

Finanzmärkte legen anhand dieses Ratings, das mit den Bewertungen anderer Agenturen verglichen wird, Zinssätze für Kredite an Staaten fest. Während die Zinsen 2020 (-0,30 Prozent) und 2021 (-0,28 Prozent) negativ gewesen waren, hatte Frankreich 2022 im Durchschnitt Geld zu 1,03 Prozent geliehen. Heute sind die Anleihezinsen auf über 3 Prozent gestiegen.

Das wirft in Frankreich erneut die Frage auf, ob die öffentlichen Ausgaben gesenkt werden müssen, da sich die Schuldenlast immer stärker auf die öffentlichen Haushalte auszuwirken droht. Ein Umschichten der Schulden, also eine Rückzahlung fälliger Kredite durch neue Kredite, wird schwieriger, wenn die Zinssätze steigen – da neue Kredite teurer sind als die alten.

Deutschland noch bei AAA

Obwohl die Ratingagentur Fitch davon ausgeht, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2023 um 0,4 Prozent schrumpft, bleibt Deutschland derzeit das AAA-Rating erhalten.

Die Analysten sprachen am 15. September 2021 allerdings von strukturellen Herausforderungen. „Die Wachstumsleistung Deutschlands in den letzten fünf Jahren (0,6 Prozent) und in unseren Prognosen gehört zu den schwächsten in der Ratingkategorie ‚AAA‘, was zum Teil strukturelle Herausforderungen wie eine ungünstige demografische Entwicklung und ein verlangsamtes Produktivitätswachstum widerspiegelt.“

Die deutschen Behörden stünden zunehmend unter Druck, ehrgeizige Reformen zur Verbesserung des Wachstumspotenzials umzusetzen. Und „wachsende Meinungsverschiedenheiten zwischen den regierenden Koalitionsparteien“ würden „zu einer gewissen Unsicherheit über den Umfang und die Wirksamkeit der Reformen“ führen.

Mit Material der französischen Epoch Times.



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