Nord Stream-Sabotage: Der Hauptverdächtige Ukrainer bleibt unauffindbar
Beinahe zwei Jahre nach dem Sprengstoffattentat auf die deutsch-russischen Nord Stream-Gaspipelines in der Ostsee hat Generalbundesanwalt Jens Rommel (FDP) bereits im Juni 2024 einen ersten Haftbefehl erwirkt. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe habe damals einen Europäischen Haftbefehl gegen einen gewissen Wolodymyr Z. unterschrieben. Das berichtet die „Tagesschau“ am 14. August 2024 unter Verweis auf ein Rechercheteam der ARD, der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Zeit“. Nähere Details dazu habe eine Sprecherin des Generalbundesanwalts bislang nicht preisgeben wollen.
Wolodymyr Z., ein Mann ukrainischer Herkunft, solle nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler zuletzt in Polen gewohnt haben, aber inzwischen verschwunden sein, so die „Tagesschau“. Er soll zur Besatzung der Segeljacht „Andromeda“ gehört haben, die den Sabotageakt Ende September 2022 vorbereitet und auch durchgeführt haben könnte. Die Recherchen hätten allerdings den Verdacht auf Verbindungen zwischen der mutmaßlichen Sabotagegruppe und ukrainischen Geheimdiensten oder Militärkräften nicht bestätigt. Hohe Offiziere, Nachrichtendienstleiter und auch Präsident Wolodymyr Selenskyi persönlich hatten jegliche Tatbeteiligung stets verneint.
Polen reagierte nicht auf Rechtshilfeersuchen
Z. solle nach Erkenntnissen der deutschen Behörden zuletzt in einem Ort westlich von Warschau gelebt haben, so die „Tagesschau“ unter Verweis auf das Rechercheteam.
Kurz nach Ausstellung des Haftbefehls hätten die deutschen Ermittler im Juni ihre polnischen Kollegen kontaktiert, um sie um die Festnahme von Wolodymyr Z. zu bitten. Die polnischen Behörden hätten aber bislang weder auf das Rechtshilfeersuchen reagiert noch hätten sie den Verdächtigen verhaftet, obwohl sie das nach den Regeln für Europäische Haftbefehle binnen 60 Tagen hätten erledigen sollen. Warum Polen die Frist stumm und ungenutzt habe verstreichen lassen, sei nicht bekannt, so die „Tagesschau“.
Den Verdacht, dass es aus Polen Unterstützung für die Andromeda-Gruppe gegeben haben könnte, hatte der frühere polnische Staatssekretär Stanislaw Zaren bereits 2023 im ARD-Interview mit den Worten „Wir haben keine Spuren der Beteiligung dieser Jacht an den Ereignissen gefunden“ zurückgewiesen. Kameraaufnahmen von einem Stopp der Andromeda in Hafen Kołobrzeg hätten die polnischen Behörden laut „Tagesschau“ aber trotz mehrmaliger Anträge der Deutschen nicht herausgegeben: Das Video sei aufgrund rechtlicher Vorschriften schon früh vernichtet worden.
Nach aktuellem Recherchestand soll die Miet-Segeljacht mit wahrscheinlich fünf oder sechs Menschen an Bord Anfang September 2022 in Rostock zu einem mehrtägigen Segeltörn in See gestochen sein. Dabei soll das Boot den Hafen Wiek auf Rügen, die dänische Insel Christiansø, das schwedische Sandhamn und das polnische Kołobrzeg angelaufen haben und dann nach Rostock zurückgefahren sein.
Am 26. September 2022 hatten Seismografen in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm Explosionen festgestellt. Kurz darauf war klar: Drei der insgesamt vier Untersee-Gasröhren waren gesprengt worden, darunter die beiden Röhren der älteren, bereits abgeschalteten NS1-Pipeline. Der brandneue Doppel-Transportstrang Nord Stream 2 war zwar mit Gas gefüllt, aber aufgrund eines Beschlusses von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vom 22. Februar 2022 nicht in Betrieb genommen worden. Nur eine dieser neuen Leitungen blieb unbeschädigt. Im Juli 2023 hatten Ermittler Sprengstoffspuren an Bord der Andromeda gefunden, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die Generalbundesanwaltschaft geht dem größten Sabotageakt seit dem Zweiten Weltkrieg auf die deutsche Energie-Infrastruktur mithilfe von Bundespolizei und Bundeskriminalamt (BKA) mittlerweile seit rund 22 Monaten nach. Ihre schwedischen und dänischen Kollegen hatten den Fall bereits in der ersten Jahreshälfte 2024 unaufgeklärt zu den Akten gelegt.
Im Juli 2024 berichtete die „Welt“ darüber, dass der Anschlag schon 2014, vor der Besetzung der Krim durch Russland, von einer ukrainischen Gruppierung geplant worden sein könnte.
Radarfalle führte zu Z.
Nachdem in Presseberichten bereits verschiedene mögliche Theorien zur Täterschaft kursiert hatten, habe ein Foto auf die Spur von Wolodymyr Z. geführt. Es stammte aus einer Geschwindigkeitsüberwachungskamera auf der Insel Rügen und soll am 8. September 2022 geschossen worden sein – 18 Tage vor den Explosionen am Meeresgrund. Zu sehen seien darauf zwei Männer in einem weißen Transporter.
Der Fahrer habe den deutschen Beamten gegenüber bestätigt, dass er an diesem Tag den Auftrag gehabt habe, mehrere Ukrainer zu chauffieren. Der Fahrer habe Wolodymyr Z. als einen seiner damaligen Fahrgäste identifiziert. Es könnte sich um jenen Mann handeln, der neben dem Fahrer zu sehen sei, so die „Tagesschau“. Der Lieferwagen könnte zudem dazu gedient haben, Taucherausrüstungen zu transportieren. Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze sollen entsprechende Hinweise „verdichtet“ haben. Der Hauptverdächtige Z. habe auf eine frühere telefonische Anfrage des Rechercheteams abgestritten, etwas mit dem Anschlag zu tun zu haben, berichtet die dpa.
Die Ermittler seien nach gemeinsamen Recherchen von ARD, der „Süddeutschen“ und der „Zeit“ zudem auf der Suche nach einem weiteren Mann und einer Frau, die sich ebenfalls an Bord des Segelboots aufgehalten haben könnten – womöglich als Sprengstofftaucher. Das hätten die Strafverfolger von einem ausländischen Nachrichtendienst erfahren, schreibt die „Tagesschau“. Ein Haftbefehl gegen das Paar sei der dpa zufolge aber bisher nicht ausgestellt worden.
Nach den Recherchen der Journalisten handelt es sich um das ukrainische, angeblich sehr patriotische Ehepaar Switlana und Jewhen U. Die beiden sollen eine Tauchschule in der Ukraine betreiben, an der auch Z. als Tauchlehrer gearbeitet haben soll.
Privat engagiere sich das Paar unter anderem in Telegram-Gruppen für den Kampf ihres Heimatlands gegen Russland, werbe auch in Deutschland immer wieder um Unterstützung für ukrainische Kriegsflüchtlinge oder Militärausrüstung. Auch Switlana U. habe auf telefonische Nachfrage abgestritten, etwas mit der Pipelinezerstörung zu tun zu haben: Zum Tatzeitpunkt im September 2022 habe sie ihren Urlaub in Bulgarien verbracht. Den Hauptverdächtigen Wolodymyr Z. kenne sie gar nicht. Ihr Ehemann habe eine schriftliche Stellungnahme angekündigt, so die „Tagesschau“.
Cui bono?
Neben der Ukraine gibt es einige andere Länder, die getreu dem Motto „Cui bono?“ („Wem nützt es?“) für die Anschläge verantwortlich oder mitbeteiligt sein könnten. Die USA, Norwegen, Schweden, Dänemark, Polen, Großbritannien, die baltischen Länder und womöglich auch Russland hätten entsprechende Interessen. Für manche gehört sogar Deutschland selbst zum Kreis der Tatverdächtigen.
Der amerikanische Investigativjournalist Seymour Hersh hatte den ersten Eintrag auf der Liste der Verdächtigen im Februar 2023 gemacht, indem er die USA und Norwegen als Täter an den Pranger gestellt hatte: Es liege im Interesse von US-Präsident Joe Biden, Russland zu schaden und gleichzeitig Deutschlands Energieversorgung zu schwächen. Motiv, Gelegenheit und Fähigkeit sprächen für die USA als Haupttäter, so Hersh unter Verweis auf eine anonyme Quelle.
Steckt nun doch die Ukraine dahinter?
Sollte sich inzwischen doch beweisen lassen, dass ein ukrainisches Spezialteam hinter den Anschlägen steckt, könnte das diplomatische Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der Ukraine wohl gänzlich neu überdacht werden – auch, was weitere Hilfen im Kampf gegen Russland betrifft.
Deutschland unterstützt die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 mit Milliardenbeträgen für Waffen und Liquidität. Außerdem versorgt der deutsche Steuerzahler seit über zwei Jahren dauerhaft rund eine Million ukrainischer Kriegsflüchtlinge.
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