Asylpolitik: Mehrere Mitgliedstaaten fordern Ruanda-Modell für gesamte EU

Tschechien und Dänemark sind die Wortführer einer Koalition aus mehreren Mitgliedstaaten, die das sogenannte Ruanda-Modell in der Asylpolitik für die gesamte EU etablieren wollen. Vorbild ist Italien, das im November 2023 ein entsprechendes Abkommen mit Albanien geschlossen hatte.
Großbritanniens Innenminister James Cleverly (l) und Vincent Birut, Außenminister von Ruanda, schütteln sich die Hände. Mit dem neuen Vertrag will die britische Regierung Asylsuchende künftig in das ostafrikanische Land abschieben.
Der britische Innenminister James Cleverly (l.) und Vincent Birut, Außenminister von Ruanda, schütteln sich anlässlich der Unterzeichnung ihres Asylabkommens die Hände.Foto: Ben Birchall/Pool PA/AP/dpa
Von 7. Mai 2024

Österreich hat sich einem Vorstoß von Tschechien und Dänemark angeschlossen, das den Migrationspakt der EU vom vergangenen Dezember noch einmal verschärfen soll. Wie die Zeitung „Hospodářské noviny“ berichtet, hat Tschechiens Innenminister Vít Rakušan in Prag erklärt, dieser könne „erst der Anfang“ sein. Der nächste Schritt solle ein Ruanda-Modell für die gesamte Staatengemeinschaft sein.

Unter Berufung auf eine „hochrangige Quelle“, die „mit der Materie befasst“ sei, schreibt das Blatt von einem aus seinem Hause stammenden Plan, die Zahl der Asylsuchenden in der EU noch weiter zu reduzieren. Es gehe um eine „Möglichkeit, das bisher Undenkbare, aber zunehmend Notwendige“ ins Auge zu fassen.

Ruanda-Modell bereits in Großbritannien eine zähe Angelegenheit

Neben Tschechien haben sich auch bereits Dänemark und Österreich einer Koalition von Mitgliedstaaten angeschlossen, die dafür sorgen wollen, dass weniger Asylbewerber EU-Territorium erreichen. Auch solle dem Phänomen entgegengewirkt werden, dass einzelne Staaten abgelehnte Asylsuchende nicht auswiesen.

Die Initiatoren haben sich dem Bericht zufolge bereits in einem Schreiben an die EU-Kommission gewandt. In diesem werden Abkommen mit Nicht-EU-Ländern gefordert, in welche auf See aufgegriffene Migranten geschickt werden könnten. Vorbild dafür soll jene Regelung sein, die Großbritannien jüngst nach einem zähen Gesetzgebungsprozess mit Ruanda beschlossen hatte.

Als erstes EU-Land selbst hatte Italien im November des Vorjahres eine inhaltlich ähnliche Vereinbarung mit Albanien geschlossen. Demnach solle Tirana zwei Aufnahmezentren für Asylsuchende errichten. Dort sollen Anträge schnell geprüft und erforderlichenfalls abgelehnte Bewerber schnell zurückgeführt werden.

Italien hofft auf Erfolg seines Paktes mit Albanien

Die Zentren sollen bis zu 3.000 Flüchtlinge, die zuvor von der italienischen Küstenwache auf See aufgegriffen würden, aufnehmen können. Die italienischen Sicherheitskräfte sollten die Betroffenen umgehend nach Albanien bringen, zum Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens.

Premierministerin Giorgia Meloni hofft, auf diese Weise jährlich bis zu 36.000 Schutzsuchende den albanischen Stellen überantworten zu können. Nur im Fall einer positiven Erledigung des Asylgesuchs sollen Geflüchtete nach Italien gebracht werden. Ausnahmen sind nur für Minderjährige, Schwangere und andere Schutzbedürftige vorgesehen.

Italien soll die beiden Zentren in den Städten Shëngjin und Gjadër selbst verwalten, Albanien bei der Überwachung mitwirken. Eine dauerhafte Lösung könnte das Abkommen allerdings nicht darstellen. Seit 2014 gilt das Land offiziell als Beitrittskandidat der EU.

Am kommenden Montag soll das Konzept auf EU-Ebene diskutiert werden

Dem Plan zufolge würden Flüchtlinge ohne die erforderlichen Dokumente gar nicht erst EU-Territorium betreten. Auch abgelehnte Asylbewerber innerhalb der EU selbst könnten bis zu ihrer Abschiebung in ihr Herkunftsland in ein Drittland gebracht werden. Das Konzept soll Menschenhandel entgegenwirken, illegale Ausreisen verhindern und Druck von traditionellen Erstankunftsstaaten wie Italien oder Griechenland nehmen.

Einer Recherche von „Euractiv“ zufolge seien noch weitere Mitgliedstaaten einer möglichen Lösung dieser Art gegenüber aufgeschlossen. Unter diesen befinden sich demnach auch die Niederlande oder die baltischen Staaten.

Bereits am kommenden Montag, 13. Mai, soll das Dokument auf der Migrationskonferenz der Mitgliedstaaten präsentiert werden. Aus Tschechien hieß es, dass auch EU-Kommissionspräsidentin der Idee entsprechender Partnerschaften mit Nicht-EU-Staaten positiv gegenüberstehe.

Ruanda-Modell steht vor Vielzahl an rechtlichen und faktischen Problemen

Kritiker wie Sacha Houlié von der Macron-Partei Renaissance weisen bereits jetzt darauf hin, dass das Konzept der Externalisierung von Migrationsprozessen nicht vom Migrationspakt der EU gedeckt sei. Menschen in Länder zu schicken, „die nichts mit ihrem Herkunftsland zu tun haben, wie Albanien oder Ruanda, ist ein moralisches und ethisches Problem“, betonte der Politiker.

Dabei ist die Frage nach der Sicherheit eines solchen Drittstaates noch nicht einmal erörtert. Auch aus der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament gibt es Widerstände.

Migrationsexperte Vít Novotný vom Wilfried Martens Centre for European Studies weist darauf hin, dass die EU-Regeln auch nach dem Dezemberpakt europäische Asylverfahren nur auf EU-Territorium vorsehen. Er hält eine Lösung der genannten Art grundsätzlich für machbar, allerdings sei es im Vorfeld erforderlich, Länder zu finden, die bereit wären, ein solches Modell zu unterstützen. Im Jahr 2018 habe sich etwa Ägypten gegen ein solches Ansinnen von Ratspräsident Donald Tusk gesperrt. Die Chancen stünden mittlerweile möglicherweise besser:

„Jetzt wird das Ganze etwas diplomatischer angegangen, was wahrscheinlich der bessere Weg zum Erfolg ist.“

Eines der Kernprobleme, denen sich beispielsweise Deutschland in vielen Fällen ausgesetzt sieht, bliebe trotzdem noch aufrecht: Die endgültige Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer scheitert oft an der rechtlichen Unmöglichkeit, sie dorthin zurück zu bringen – oder am fehlenden Willen zur Rücknahme.



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