EU-Außenminister schließt EU-Beitritt der Türkei in kommenden Jahrzehnten aus
Angesichts der innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei schließt Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn einen Beitritt des Landes zur Europäischen Union in den kommenden Jahrzehnten aus: „Die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei verhindern, dass wir überhaupt noch darüber nachdenken, den EU-Beitritt der Türkei auch nur im Hinterkopf zu haben. Ich gehe davon aus, dass die Türkei in den kommenden 15 bis 20 Jahren keinesfalls der EU beitreten wird“, sagte Asselborn der „Welt“ (Freitagausgaben). Die Verletzung von demokratischen Rechten sei „abstrus“ und höre nicht auf, so Luxemburgs Chefdiplomat.
„Das Verhalten der türkischen Regierung widerspricht fundamental europäischen Werten“, so Asselborn. Erst am Mittwoch dieser Woche hatte das türkische Parlament ein Gesetz zur stärkeren Überwachung sozialer Netzwerke durch die Behörden verabschiedet. Demnach müssen Dienste wie Facebook oder Twitter einen Vertreter in der Türkei haben und die Daten ihrer türkischen Nutzer auf Servern im Land speichern.
Gleichzeitig sprach sich Asselborn gegen einen vollständigen Abbruch der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei aus: „Die Kommunalwahlen im letzten Jahr haben gezeigt, dass es eine große demokratische Bewegung in dem Land gibt. Wir müssen diesen Menschen Hoffnung geben.“ Unterdessen warnte Asselborn, der sein Land auch in Migrationsfragen in Brüssel vertritt, vor einer neuen Flüchtlingskrise in der EU: „Ja, ich sehe die große Gefahr einer neuen Flüchtlingswelle aus Libyen, wenn der Krieg dort nicht sehr bald beendet wird.“
Luxemburgs Außenminister forderte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft auf, sich in der Debatte um ein neue europäische Asylpolitik für eine Verteilung von Flüchtlingen und Migranten auf alle EU-Mitgliedsländer einzusetzen: Es sei „unbedingt erforderlich“, dass die Flüchtlinge und Migranten künftig nach einem verpflichtenden Quotensystem in der Europäischen Union verteilt werden. „Es kann nicht sein, dass nur vier bis sechs Länder Flüchtlinge und Migranten aufnehmen und die anderen Länder sich aus ihrer Verantwortung herauskaufen, indem sie Grenzschutzmaßnahmen stärker finanziell unterstützen.
Diese sogenannte flexible Solidarität, die jedem erlaubt, das zu tun, was er will, ist Unsinn.“ Am Ende wolle dann niemand mehr Flüchtlinge und Migranten aufnehmen. „Ohne Quoten wird die EU-Migrationspolitik nicht funktionieren“, sagte der luxemburgische Politiker. Es müsse eine „obligatorische Solidarität“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten geben. „Ich bin in diesem Punkt pessimistisch. Aber ich wünsche mir, dass die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in den kommenden Monaten dafür kämpft.“
Die EU-Kommission will im September ihre Vorschläge für eine neue EU-Asylpolitik präsentieren. Asselborn forderte nach Ankunft von Flüchtlingen und Migranten bereits eine Asylprüfung in den Ankunftshäfen: „Wenn Flüchtlinge und Migranten in EU-Mittelmeerländern wie Spanien, Malta und Italien ankommen, sollte nach einheitlichem europäischen Recht vor Ort in den Häfen entschieden werden, ob sie asylberechtigt sind oder nicht. Wer keinen Schutzanspruch hat, soll in Würde schnell in sein Heimatland zurückgeschickt werden.“ Wer dagegen schutzbedürftig sei, müsse in der EU Asyl erhalten. (dts/er)
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