Assange-Anhörung geht in zweite Runde

Der Wikileaks-Gründer will sich in einem Berufungsverfahren gegen die drohende Auslieferung an die USA wehren. Der Fall schlägt internationale Wellen. Gerhard Schindler, ehemaliger Präsident des BND, widerspricht der Einschätzung, dass Assange kein rechtsstaatliches Verfahren bekommt.
Für eine Freilassung Assanges setzen sich weltweit Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände ein.
Für eine Freilassung Assanges setzen sich weltweit Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände ein.Foto: Manu Fernandez/AP
Epoch Times21. Februar 2024

Die entscheidende Anhörung im juristischen Tauziehen um die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange geht heute in die zweite Runde. Nachdem am Dienstag die Anwälte des 52-Jährigen ihre Argumente vor dem Londoner High Court dargelegt hatten, wird nun mit dem Plädoyer der Gegenseite gerechnet.

Wann eine Entscheidung fallen wird, war zunächst unklar. Erwartet wurde aber, dass sie nicht direkt im Anschluss an den zweiten Anhörungstag verkündet werden soll.

Für Assange ist die zweitägige Anhörung die letzte Hoffnung, seine Auslieferung an die USA vor britischen Gerichten noch zu verhindern. Er hofft auf eine volle Berufungsverhandlung. Sollte er mit seinem Antrag jedoch scheitern, wäre der Rechtsweg in Großbritannien ausgeschöpft.

Dann bliebe ihm nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Seine Frau Stella Assange fürchtet, dass er innerhalb von Tagen in ein Flugzeug Richtung USA gesetzt werden könnte. Er könne sich dann womöglich das Leben nehmen, warnt sie.

Assange drohen 175 Jahre Haft

Assange wird beschuldigt, ab 2010 rund 700.000 vertrauliche Dokumente über militärische und diplomatische Aktivitäten der USA veröffentlicht zu haben.Die Papiere enthielten brisante Informationen über die US-Einsätze im Irak und in Afghanistan, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen.

Die US-Regierung will dem Australier in den USA wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, wollte sich nicht direkt zu dem Fall äußern.

Auf die Frage eines Reporters, ob die US-Regierung Assange als Journalisten betrachte, antwortete er jedoch allgemein, dass es „keine legitime journalistische Tätigkeit“ sei, „sich in irgendetwas einzuhacken, um Regierungsinformationen zu stehlen“ oder dabei zu helfen. Man unterstützte eine freie Presse in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt. Hacking sei jedoch ein Verbrechen.

Assanges Anwälte hingegen sehen in der Strafverfolgung eine Vergeltungsaktion Washingtons, weil Wikileaks durch die Veröffentlichungen auch Kriegsverbrechen aufgedeckt hatte.

Ex-BND-Chef Schindler: Assange bekommt rechtsstaatliches Verfahren

Gerhard Schindler, ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), widerspricht der Einschätzung, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange kein rechtsstaatliches Verfahren bekommt.

„Mir ist unklar, woher wir die Arroganz nehmen, an der Rechtsstaatlichkeit der USA und Großbritanniens zu zweifeln“, sagte er dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. „Seine Auslieferung wäre daher keine Katastrophe, sondern das Ergebnis eines transparenten und rechtsstaatlichen Verfahrens.“

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne), mahnte angesichts der laufenden Anhörung die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards an: „Der Fall Assange erfährt zu Recht seit Jahren hohe öffentliche Aufmerksamkeit“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

„Sowohl die Außenministerin als auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung haben wiederholt gegenüber unseren Partnern in Großbritannien und den USA deutlich gemacht, dass wir ein anderes Rechtsverständnis als die USA haben, was die Bedeutung der Pressefreiheit in diesem konkreten Fall angeht.“ Assange habe wie jeder Mensch das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren, faire Anhörungen und eine Ausschöpfung des Rechtsweges. „In diesem Sinne werden wir die Anhörung mit großem Interesse verfolgen.“

Wikileaks-Mitbegründer Daniel Domscheit-Berg sagte dem RND: „Ich hoffe, dass Julian Assange nicht ausgeliefert wird. Denn es stehen 175 Jahre Haft im Raum.“ Und ein „fairer Prozess“ sei im Falle einer Auslieferung nicht zu erwarten. Das sei eine „Bankrotterklärung“ für das US-Rechtssystem.

„Außerdem geht es um die Folgen für die journalistische Arbeit. Denn wir hatten bei unserer Arbeit immer sehr klare rote Linien, dazu gehörte die Anstiftung zum Verrat oder zum Hacking. Und ich halte Julian für zu schlau, um diese roten Linien überschritten zu haben.“ Insofern werde eine Auslieferung den Journalismus insgesamt treffen. Zugleich bleibe Assanges Zukunft auch bei einer Nicht-Auslieferung ungewiss. Domscheit-Berg verließ Wikileaks 2010 nach einem Konflikt mit Assange.

(dpa/dts/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion