Armutsflüchtlinge vom Balkan: Skadalös – Die Regierung reagiert uninteressiert, lustlos und genervt
Im November war Mazedonien zum „sicheren Drittstaat“ erklärt worden. Dennoch kamen im ersten Halbjahr mit 6700 Asylbewerbern deutlich mehr als jemals zuvor nach Deutschland. Das ist Platz sieben unter den Top-10-Ländern.
Von den knapp 180 000 Anträgen auf Asyl stammten über 42 Prozent aus den Balkanländern. Nach dem Bürgerkriegsland Syrien liegt das Kosovo (31 400 Anträge) auf Platz zwei, Albanien (22 200) auf Platz drei und Serbien (15 800) auf Platz vier.
Viele von den Balkan-Flüchtlingen sind Roma. Deren Lage habe sich in den letzten Jahren „dramatisch verschlechtert“, erzählt Ljatife Shikovska von der mazedonischen Roma-Hilfe „Ambrela“. In dem kleinen Balkanland seien etwa 5000 von ihnen überhaupt nicht existent. Ohne Personalpapiere und damit ohne Sozial- und Krankversicherung. Sie haben keinen Zutritt zum Bildungssystem und zum Arbeitsmarkt. „Es kommt zu grotesken Situationen, dass Roma wegen Straftaten ins Gefängnis müssen ohne dass ihre Identität festgestellt wurde.“
Amdi Bajram ist der führende Roma-Politiker des EU-Beitrittskandidaten Mazedonien und sitzt sogar im Parlament. Er kann die Massenflucht seiner Landsleute ins gelobte Deutschland nachvollziehen. Praktisch alle seien arbeitslos. Mit der staatlichen Sozialhilfe von 20 Euro pro Person kann man nicht überleben. Von fünf Euro pro Tag durch Papier- und Metallsammeln erst recht nicht. Die Leute verkauften ihre bescheidenen Behausungen zu Spottpreisen, um die Reise nach Deutschland zu finanzieren. „Hier gibt es für sie keine Perspektive.“
Die Folge: In der größten Roma-Siedlung in Europa, im Skopje-Stadtviertel Sutka, hat jede Familie Kontakte nach Deutschland. Die Dörfer rund um Strumica im Süden des Landes – ebenfalls eine Roma-Hochburg – sind leer, berichten Menschen aus der Region.
Aber nicht nur Roma strömen aus Südosteuropa nach Deutschland. Im Frühjahr machten sich Zehntausende Albaner aus dem Kosovo auf den Weg. Sie waren nach Parlamentswahlen maßlos enttäuscht, dass sich die beiden eigentlich tief verfeindeten größten Parteien zu einer Regierungskoalition zusammengeschlossen hatten. Das wurde als Zeichen gewertet, dass keine Besserung des miserablen tagtäglichen Lebens zu erwarten ist. „Die bis ins Mark korrupten Politiker wollen das Land nur noch mehr ausrauben“, begründeten viele Flüchtlinge ihre Motive.
Aus dem kleinen Montenegro, ebenfalls EU-Beitrittskandidat, kommen Migranten nach Deutschland, die bei den Statistikern dort noch gar nicht richtig erfasst wurden. Nach verlässlichen Zählungen sind aus bitterarmen Städten wie Rozaje und Bijelo Polje im Norden des Landes in den ersten sechs Monaten 6200 Menschen Richtung Deutschland aufgebrochen. In den heimischen Zeitungen wurden die Bürgermeister von Braunschweig und Goslar zitiert, Zuwanderung sei sehr willkommen. Dass der größte Teil der über 6000 Menschen in Niedersachsen untergekommen sei, wird von den Behörden dort allerdings bestritten.
Aber der Weg ins angebliche Paradies Deutschland ist auch anders möglich. Viele Kroaten in Bosnien-Herzegowina besitzen Pässe des jüngsten EU-Mitglieds Kroatien. Mit denen können sie unbehelligt nach Deutschland kommen, berichtet Behördensprecher Sefik Smlatic in Bihac der größten bosnischen Zeitung „Dnevni avaz“. Ganze Dörfer rund um die Städte Livno, Tomislavgrad. Kupres, Drvar und Grahovo seien „fast leer“.
Bei einer Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen von bis zu 67 Prozent will praktisch jeder weg. Den Vorteil von EU-Pässen wollen auch viele Mazedonier nutzen, die sich als Angehörige der bulgarischen Minderheit ausgeben und Dokumente im Nachbarland Bulgarien erwerben. 100 000 sollen es sein, berichten Medien.
Die Regierung all dieser Länder, denen die Bürger den Rücken kehren, reagieren uninteressiert, lustlos oder genervt auf dieses für sie unangenehme Thema, berichten deutsche Diplomaten in der Region. Die erste Aufgabe, die Lage der Armen und Perspektivlosen zu verbessern, liege doch bei den jeweiligen nationalen Behörden. Es sei skandalös, dass sich Ende August in Wien wieder die Spitzen der Balkanländern mit EU-Vertretern zu einem Gipfel treffen und gleichzeitig zuhause nicht ihre Aufgaben erledigten. (dpa)
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