Antirassismusgesetz greift: Ein Jahr Haft für Identitären-Chef van Langenhove
Mit der Höchststrafe nach dem Antirassismusgesetz hat ein Gericht im belgischen Gent den dortigen Anführer der Gruppe „Schild & Vrienden“ (S&V), Dries van Langenhove (30), bedacht. Der Chef der Gruppe, die zum europäischen Netzwerk der als rechtsextremistisch eingestuften „Identitären“ gehört, soll für ein Jahr in Haft. Er soll zu Gewalt aufgestachelt und rassistische Propaganda verbreitet haben.
Außerdem wurde über ihn eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten wegen unerlaubten Waffenbesitzes und eine Geldstrafe verhängt. Das Gericht sprach zudem noch eine Geldstrafe von 16.000 Euro und ein zehnjähriges Verbot der Ausübung der bürgerlichen Rechte aus. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Van Langenhove war nicht im Gerichtssaal anwesend. Sein Anwalt hat bereits Berufung angekündigt.
VRT-Reportage: Van Langenhove und S&V „haben zwei Gesichter“
Wie „Euronews“ berichtet, wurden auch fünf weitere Mitglieder der Gruppierungen schuldig gesprochen. Ihnen wurde auch Leugnung des Holocaust zur Last gelegt. Sie erhielten Bewährungsstrafen zwischen sechs und acht Monaten und Geldstrafen von jeweils 8.000 Euro.
Van Langenhove, der frühere parteilose Abgeordnete für den rechtsnationalistischen Vlaams Belang (VB), war nach einer im Jahr 2018 ausgestrahlten TV-Dokumentation ins Visier der Justiz geraten. Das Magazin „Pano“ des öffentlich-rechtlichen flämischen Senders VRT hatte die Gruppe S&V über einige Wochen für die Reportage begleitet.
Van Langenhove ermöglichte es dem Sender, an Veranstaltungen und Aktionen von S&V teilzunehmen. Er bezeichnet die Vereinigung als eine „metapolitische Bewegung, die sich auf identitäre und familiäre Werte konzentriert“. Man wolle, so der gelernte Klempner und studierte Politikwissenschaftler, „einen positiven Mentalitätswandel unter der flämischen Jugend herbeiführen“.
Diese solle „zu körperlich und geistig widerstandsfähigen, sozialen Bürgern“ herangebildet werden. Mehrere Mitglieder von S&V gehören dem „Katholisch-Flämischen Studentenverband“ an. S&V betont Familienwerte und organisierte soziale Aktionen und Einsätze zum Blutspenden oder zur Müllbeseitigung. Van Langenhove selbst fungierte unter anderem als gewählter Studentenvertreter der Universität Gent.
Erhebliche Anzahl offen rassistischer und Nazi-verherrlichender Memes in Geheimchats
In der Öffentlichkeit und bei Publikumsveranstaltungen war der eloquente S&V-Gründer um ein konservatives Image und ein moderates Auftreten bemüht. Van Langenhove machte auch kein Geheimnis daraus, einen „Marsch durch die Institutionen“ anzustreben, um Entscheidungsträger in einflussreiche Positionen zu bringen.
Der Redaktion von „Pano“ gelang es jedoch auch, geheime Chatgruppen von S&V auf Facebook und Discord zu infiltrieren. In beiden war van Langenhove der Hauptadmin und seine engsten Mitstreiter verfügten über weitreichende Administrativrechte.
Die Inhalte in den Gruppen unterschieden sich wesentlich von jenen der öffentlichen Redebeiträge. In zahlreichen der 65.000 Nachrichten, die „Pano“ sichtete, fanden sich neben herabwürdigenden Beiträgen über Frauen auch zahlreiche unverhohlen rassistische Memes und solche, die den Nationalsozialismus und Adolf Hitler verherrlichten. Über den Holocaust fanden sich Memes, die diesen leugneten, ebenso wie solche, die ihn guthießen.
Identitären-Chef soll „Rassenkrieg“ beschworen haben
Van Langenhove soll auch selbst Inhalte verbreitet haben, die nach späterer Auffassung der Justiz die Grenze der bloßen Geschmacklosigkeit hin zur Strafbarkeit überschritten haben sollen. In S&V-Gruppen war auch vielfach von einem „Rassenkrieg“ die Rede, auf den man sich vorbereiten müsse.
Einige Mitglieder sollen Waffen zum Kauf angeboten und mit solchen posiert haben. Van Langenhove soll Pfefferspray verkauft und angedeutet haben, selbst eine Waffe zu besitzen.
Von dem begleitenden Reporter mit den Inhalten konfrontiert, erklärte der Jungpolitiker, diese nicht gekannt zu haben. Ein Kronzeuge soll ihn jedoch später vor Gericht mit gegenteiligen Aussagen belastet haben.
Welches Gesetz van Langenhove verletzt haben soll
Das 1981 in Reaktion auf rassistisch motivierte Mordanschläge auf Juden und Einwanderer geschaffene Antirassismusgesetz in Belgien stellt mehrere Formen des Aufrufes zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt unter Strafandrohung. Betroffen sind solche, die sich gegen eine Person, eine Gruppe, eine Gemeinschaft oder Mitglieder derselben aufgrund einer der geschützten Kriterien richten. Zu diesen gehören etwa Hautfarbe, ethnische Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung.
Die Strafbarkeit setzt eine gewisse Publizität voraus. Professor Jogchum Vrielink von der Université Saint-Louis in Brüssel äußerte gegenüber VRT, es reichten zehn Personen aus, die von dem Aufruf Kenntnis erlangten. In Facebook-Gruppen mit zahlreichen Mitgliedern sei die Publizität erfüllt – unabhängig davon, ob diese offen oder geschlossen seien.
Rassistische Aufstachelung stelle ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar. Um zu einer Verurteilung zu kommen, müsse eine grundsätzliche Gefahr der Aufwiegelung vorhanden sein. Die Botschaft müsse tatsächlich und aktiv zu Hass und Gewalt aufstacheln. Im Fall zahlreicher Inhalte der S&V-Gruppen dürfte das Gericht dies als erfüllt betrachtet haben.
Vlaams Belang übt scharfe Kritik an dem Urteil
Zumindest was das Strafmaß angeht, könnte die nächste Instanz jedoch eine deutliche Begradigung vornehmen. Es ist in europäischen Rechtssystemen höchst unüblich, Ersttäter zu Höchststrafen ohne Bewährung zu verurteilen. Gerade im Bereich des Antirassismusgesetzes waren bis dato Geldstrafen üblich. In vielen Fällen wurde auch eine Bewährungsauflage verhängt – häufig ein Besuch in der „Kazerne Dossin“ in Mechelen, einer bekannten Holocaustgedenkstätte.
Der Vorsitzende des Vlaams Belang, Tom van Grieken, hat die belgische Justiz mit Blick auf das Urteil als „durch und durch verrottet“ bezeichnet. Er erklärte, es sei „von Tag 1 an ein politischer Prozess“ gewesen. Am 9. Juni finden neben den EU-Wahlen in Belgien auch Parlamentswahlen statt. Der VB liegt in Umfragen mit 25 Prozent in Führung – vor der rechtskonservativen flämischen N-VA.
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