Antimuslimische Krawalle und Randale in britischen Städten – viele Festnahmen

Fake News zur Identität des Täters einer Messerattacke schüren antimuslimische Krawalle. Läden und Autos brennen aus, Vermummte attackieren ein Hotel und Polizisten. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Titelbild
Am 3. August 2024 in Liverpool – während einer „Enough is Enough“-Demonstration. Die britische Polizei bereitet sich auf weitere rechtsextreme Proteste und andere Demonstrationen vorFoto: Peter Powell/AFP via Getty Images
Epoch Times5. August 2024

Mit antimuslimischen Krawallen haben Nationalisten in mehreren britischen Städten schwere Schäden angerichtet und Polizisten verletzt. Die Behörden rüsten sich für weitere Ausschreitungen, die als Reaktion auf eine Bluttat mit drei erstochenen Mädchen vor einer Woche gelten.

Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, wurden seit Samstag landesweit mehr als 150 Menschen festgenommen.

Unter anderem in Liverpool, Manchester, Middlesbrough, Rotherham, Bristol und Belfast kam es zu Gewalt. Die Auseinandersetzungen fanden am Sonntag am bereits fünften Tag in Folge statt.

Am Sonntag richtete Premierminister Starmer sich in einer Ansprache an die Nation. „Ich versichere Ihnen, dass Sie es bereuen werden, wenn Sie sich an diesen Unruhen beteiligen. Egal, ob sie sich direkt daran beteiligen oder ob sie diese Aktion im Internet anheizen und dann selbst weglaufen“, sagte Starmer. Es gebe „keinerlei Rechtfertigung“ für dieses „rechtsradikale Rowdytum“, die Täter würden „vor Gericht gestellt“.

Das teilte sein Sprecher nach einem Treffen mit mehreren Kabinettsmitgliedern mit. Die Ausschreitungen gelten als erste Prüfung für den sozialdemokratischen Regierungschef, der seit einem Monat im Amt ist.

Angriff auf Hotel

In der nordostenglischen Großstadt Middlesbrough versammelten sich hunderte Menschen gegenüber der Bereitschaftspolizei. Einige von ihnen bewarfen die Polizisten mit Ziegelsteinen, Dosen und Töpfen. Die Kamera eines AFP-Teams wurde zerstört.

In Aldershot südwestlich von London versammelten sich nach Angaben eines AFP-Fotografen dutzende Menschen friedlich zu einer Demonstration gegen Asylbewerber.

In der nordenglischen Stadt Rotherham griffen Vermummte ein Hotel an, in dem Asylbewerber untergebracht werden. „Holt sie raus“, riefen sie. Mehrere Fenster wurden eingeworfen und Polizisten mit Stühlen und Zaunlatten sowie Schaum aus einem Feuerlöscher attackiert. Mindestens ein Beamter wurde verletzt.

Demonstranten halten Plakate während einer „Genug ist genug“-Demonstration, zu der Rechtsextremisten in der Nähe eines Hotels für Asylbewerber in Aldershot am 4. August 2024 aufgerufen hatten. Foto: Juni Tallis/AFP via Getty Images

Dem Sender „Sky News “zufolge drangen einige Menschen in das Gebäude ein. Unklar ist, ob dort derzeit Menschen wohnen.

Gezielte Angriffe auf Geschäfte von Muslimen

In der nordirischen Hauptstadt Belfast brannten etwa ein Café und ein Supermarkt aus, die von Muslimen betrieben werden. Mehrere Autos wurden angezündet.

In Liverpool gab es nach Angaben der Polizei Brandschäden an einer Gemeindebibliothek, die als Hilfsstelle für ärmere Menschen dient. Randalierer versuchten, die Löscharbeiten zu verhindern, wie die Merseyside Police mitteilte. In mehreren Städten wurden Geschäfte geplündert.

Der Lord Mayor von Liverpool, Richard Kemp, machte im Sender „Sky News“ drei Motive aus: „Manche Leute sind verärgert – nicht aus den richtigen Gründen, aber sie sind es –, manche wollen sich einfach nur prügeln und einige wollen lediglich Zigaretten und Geld aus der Kasse klauen.“

Im nordwestenglischen Blackpool schlugen sich nach Angaben der Polizei Ultranationalisten und Gegendemonstranten. Festnahmen gab es auch in den nahe gelegenen Städten Preston und Blackburn sowie im westenglischen Bristol, im mittelenglischen Stoke-on-Trent und in Kingston upon Hull in Nordostengland, wie die Polizei mitteilte.

Beamte werden zusammengezogen

Die antimuslimischen Krawalle dauern bereits einige Tage an. Ursache sind vor allem Falschmeldungen in sozialen Medien über die Identität eines Messerangreifers, der am Montag in der nordwestenglischen Stadt Southport drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren erstochen und mehrere Kinder sowie zwei Erwachsene teilweise lebensgefährlich verletzt hatte. Das Motiv ist unklar.

Die Polizei betont, der 17 Jahre alte Tatverdächtige sei in Großbritannien geboren worden. Seine Eltern stammen aus Ruanda. Auch der rechtspopulistische Abgeordnete Nigel Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorangetrieben hatte, spekulierte, ob die Behörden die Wahrheit verschwiegen. Kritiker werfen ihm vor, die Randale damit anzuheizen.

Die Polizeivereinigung warnte vor Personalengpässen bei Alltagskriminalität. Beamte müssten abgezogen werden, um die Randalierer im Griff zu haben, sagte die Chefin der Police Federation of England and Wales, Tiffany Lynch, der BBC. Und: „Wir hatten schon früher Unruhen und Zusammenstöße dieser Art, aber sie waren auf bestimmte Gegenden des Landes beschränkt.“ Die aktuellen Ausschreitungen breiteten sich jedoch über die großen Städte aus.

Staatssekretärin Johnson betonte hingegen, die Polizei verfüge über ausreichend Ressourcen und kündigte weitere Festnahmen an. Die für die Polizei zuständige Ministerin sagte am Sonntag auch, die Ausschreitungen würden „nicht toleriert“, stattdessen werde es „Strafen und Konsequenzen“ geben.

Einwanderungsgegner protestieren am 4. August 2024 in Rotherham, während Ausschreitungen vor dem Holiday Inn Express in Manvers, welches als Asylhotel genutzt wird. Foto: Christopher Furlong/Getty Images

Verärgerung der Anwohner

Die Polizei machte Anhänger der sogenannten English Defence League (EDL), einer vor 15 Jahren gegründeten Anti-Islam-Organisation mit Verbindungen in die Hooligan-Szene, für die Gewalt verantwortlich. Allerdings gibt es die EDL nicht mehr.

Die EDL wurde 2009 gegründet und erlebte 2011 ihre Blüte. Seither gingen ihre Aktionen gravierend zurück. 2017 wurde ein Marsch der EDL abgesagt – nachdem nur sechs Personen anwesend waren. Heutzutage gibt es die Organisation offiziell nicht mehr. Tommy Robinson, mit richtigem Namen Stephen Yaxley-Lennon, wurde kurz nach ihrer Gründung zum De-facto-Führer der Gruppe, verließ diese jedoch wenig später. 

Robinson sagte auf X: „Die Unruhen sind von Anwohnern, die es satt haben. Es hat nichts mit der EDL zu tun, die vor über einem Jahrzehnt geschlossen wurde.“ Die Unruhen seien von der Wut über die Einwanderung angetrieben, über Angriffe muslimischer Männer auf Briten, über Messerattacken und andere Straftaten von Migranten.

Bei den Veranstaltungen selbst schwenkten Menschen die britische und englische Flagge und skandierten Slogans wie „Stoppt die Boote“ – eine Anspielung auf Migranten, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien kommen.

Die Polizei warnte vor Falschnachrichten, mit denen in Chatgruppen für die Teilnahme an den Protesten geworben werde. Die Behörde wies auch Berichte in sozialen Medien zurück, dass zwei Teilnehmer eines antimuslimischen Marsches in Stoke-on-Trent niedergestochen worden seien. Zwei Männer seien leicht verletzt worden, als sie von stumpfen Gegenständen getroffen worden seien.

Gegenkundgebungen wie in Leeds

Bereits an den vergangenen Tagen war es zu Protesten gekommen, auch im Londoner Regierungsviertel. Gefordert wird auch, die Regierung müsse die Einreise von Migranten nach Großbritannien beenden.

Innenministerin Yvette Cooper sagte, Gesetzesbrecher würden einen hohen Preis zahlen. „Gewalttätigkeit hat keinen Platz auf unseren Straßen“, sagte Cooper. Ihr Vorgänger James Cleverly, der Nachfolger von Rishi Sunak als Chef der Konservativen Partei werden will, forderte ein härteres Durchgreifen.

In zahlreichen Städten organisierten Menschen antifaschistische Gegenkundgebungen. In Leeds zogen die Demonstranten etwa mit Rufen wie „Nazi-Abschaum raus aus unseren Straßen“ durch die Stadt.

Am Sonntag veröffentlichten die Vertreter mehrerer Religionsgemeinschaften aus Liverpool eine gemeinsame Erklärung, in der sie zu Ruhe und zur Einheit aufriefen.

In Middlesbrough wurde ein Auto angezündet.

In Middlesbrough wurde ein Auto angezündet. Foto: Owen Humphreys/PA Wire/dpa

Es handelt sich um die schlimmsten Ausschreitungen in Großbritannien seit Protesten im Jahr 2011, nachdem der schwarze Familienvater Mark Duggan im Norden Londons von der Polizei erschossen worden war.

Die britische Regierung erklärte, der Polizei „alle erforderlichen Mittel“ zur Verfügung zu stellen. Das ganze Justizsystem sei bereit, „so schnell wie möglich Verurteilungen auszusprechen“, sagte Justizministerin Shabana Mahmood.

Die Opposition kritisierte die Labour-Regierung angesichts der Proteste. Im Onlinedienst X schrieb die konservative Ex-Innenministerin Priti Patel, die Regierung laufe Gefahr, „von den Ereignissen mitgerissen zu werden, anstatt sie unter Kontrolle zu halten“. Die einwanderungsfeindliche Partei Reform UK warf Labour vor, „lasch gegenüber Kriminellen“ zu sein. (dpa/afp/red)



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