Anti-Lobby-Vereinigung: Weniger Transparenz und Interessenkonflikte

An den vorgestellten Kandidaten für die Europäische Kommission von Ursula von der Leyen gibt es Kritik von mehreren Seiten. Das Mitte-Links-Lager bemängelt, dass zu wenig Frauen vertreten sind. Der Verein LobbyControl sieht einige „besorgniserregende“ Personalien.
Titelbild
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wurde im Juli 2024 für fünf weitere Jahre wiedergewählt.Foto: FREDERICK FLORIN/AFP via Getty Images
Von 28. September 2024

Frauenquote verfehlt, Rechtspopulisten auf wichtigen Positionen, Lobbyarbeit im Hintergrund. Die Liste der Kritikpunkte an Ursula von der Leyens Kommissionskandidaten ist lang. Kürzlich präsentierte die im Juli wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin die designierten Mitglieder.

Gegen die CDU-Politikerin wird auch wegen Korruption im Zusammenhang mit der Beschaffung von COVID-Impfstoffen ermittelt. Doch diese Ermittlungen wurden im Vorfeld der Europawahlen vorläufig ausgesetzt, berichtete Epoch Times.

Europa-SPD: Von der Leyen belohnt Rechtsnationale

Wie das ZDF berichtet, bemängelte das Mitte-Links-Lager des Europarlaments die nicht erreichte Frauenquote. So seien nur elf der 26 Kommissarposten (40 Prozent) mit Frauen besetzt, kritisiert René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD. Das sind zwei weniger als in der vorherigen Amtszeit der deutschen Politikerin. Dafür sind allerdings vier ihrer sechs Stellvertreter weiblich.

Einer der männlichen Kandidaten sorgt ebenfalls für Zornesröte in den Gesichtern des Mitte-Links-Lagers. So steht bei von der Leyen der bisherige italienische Europaminister Raffaele Fitto auf der Wunschliste. Der 55-Jährige gehört der Partei Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an. Er soll einen Schlüsselposten als geschäftsführender Vizekommissionspräsident bekommen. Von der Leyen belohne Rechtsnationale, wetterte Repasi.

Der Verein LobbyControl hat sowohl die Kandidaten als auch die Aufgaben der Kommission kritisch unter die Lupe genommen. Dabei ist er zu einigen „besorgniserregenden“ Ergebnissen gekommen, wie es in einer Mitteilung heißt.

„Fragwürdige Vorschläge“ der Kommissionschefin

Von der Leyen habe demnach „viele fragwürdige Vorschläge“ für Kandidaten aus den Mitgliedsstaaten annehmen müssen. Zum Teil seien diese möglicherweise in „untragbare Interessenkonflikte“ verstrickt.

So sei die bulgarische Kandidatin Ekaterina Sachariewa Medienberichten zufolge in einen Skandal verwickelt, in dem mit verkauften EU-Pässen Tausenden Nicht-EU-Bürgern visafreies Reisen in der EU ermöglicht wurde. Dies soll sich 2018 während ihrer Amtszeit als Justizministerin ihres Heimatlandes ereignet haben, berichtete „Euractiv“. Demnach war ein bulgarischer Pass gegen ein Bestechungsgeld in Höhe von 5.000 Euro zu bekommen.

Problematisch für sie dürfte auch sein, dass sie 2019 anregte, den Geschäftsmann Jordan Kamchev zum bulgarischen Honorarkonsul in Nordmazedonien zu machen. Kamchev stammt aus dem Land, besitzt aber auch einen bulgarischen Pass. Er gilt als einer der vermögendsten Männer Nordmazedoniens. Die USA sanktionierten ihn im vergangenen Jahr wegen Korruption. Den Posten, der ihm diplomatische Immunität verliehen hätte, bekam er letztlich nicht, da er mit einer Reihe anderer Skandale in Verbindung gebracht wurde.

LobbyControl erwähnt auch, dass der Niederländer Wopke Hoekstra, der bereits amtierende Klimakommissar, im Jahr 2021 in den Pandora-Papers im Zusammenhang mit Offshore-Handel genannt wurde.

Lobbyarbeit für Amazon, Google und BP?

Die Slowenin Marta Kos soll Kommissarin für Erweiterung werden, auch zuständig für die östliche Nachbarschaft und den Wiederaufbau der Ukraine. Laut LobbyControl arbeitete sie als Senior Adviser bei Kreab, einer der größten Lobbyberatungsunternehmen für Großunternehmen. Zu den Firmenkunden von Kreab gehören Amazon, Google und BP, aber auch Banken und Chemiehersteller. Der Verein mit Sitz in Köln fordert, dass sie „ganz klar“ die Kunden ihres Arbeitgebers in der Öffentlichkeit nennt, bevor sie Kommissarin werden kann.

Der Ungar Olivér Várhelyi soll auch in von der Leyens zweiten Amtszeit dabei sein. Bislang war er der Erweiterungskommissar. Im neu formierten Gremium ist für ihn das Ressort Gesundheit und Tierschutz vorgesehen.

Aus Sicht von LobbyControl ist es jedoch fraglich, ob er die noch ausstehenden Anhörungen im Europäischen Parlament überstehen wird. Várhelyi war während seiner Zeit als Kommissar an einigen Kontroversen beteiligt. Várhelyi gilt auch als Vertrauter Viktor Orbáns. Das EU-Parlament hat ihm mehrfach vorgeworfen, bei den Erweiterungsgesprächen die Notwendigkeit demokratischer Reformen zu negieren oder den Schutz der territorialen Integrität infrage zu stellen.

Die designierte Vizekommissionspräsidentin für Digitales, Henna Virkkunen aus Finnland, ist Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Platform Economy von SME Connect. Der Verband gibt laut LobbyControl vor, die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen zu vertreten. Zu seinen Mitgliedern gehören aber auch Google, Meta und Amazon.

Das Transparenzressort wird aufgelöst

Kritisch sieht LobbyControl zudem die Auflösung der bisher eigenständigen Generaldirektion für die Themen Werte und Transparenz. Es werde in das für den Slowaken Maroš Šefčovič vorgesehene Ressort Handel und ökonomische Sicherheit eingegliedert. Wahrscheinlich sei, dass damit nun der zweite Bereich in seinem Ressort – interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz – auf der Strecke bleibe.

Dies verwundere LobbyControl, weil von der Leyen als Aufgabe aus der abgelaufenen Wahlperiode den Aufbau einer Ethikbehörde in Brüssel mitnehme und das offizielle Transparenzregister überprüfen solle. Es habe sich gerade in den vergangenen fünf Jahren gezeigt, wie wichtig es sei, dass die Lobbyregeln und das Transparenzregister in Brüssel durchgesetzt würden.

Dass das Transparenzregister sich als machtlos erwiesen habe, sei beim Korruptionsskandal „Katargate“ deutlich geworden. So hätten die Akteure „im Zentrum des Skandals“ am Register vorbei mit EU-Abgeordneten agiert.

Von der Leyen „zementiert“ ihre Macht

Erfreulich sei hingegen, dass von der Leyen Kommissar Šefčovič aufgetragen habe, „die Anforderungen des Transparenzregisters auf alle Führungskräfte auszuweiten“. Dies habe LobbyControl jahrelang gefordert. Künftig dürfen sich Führungskräfte nur noch mit registrierten Lobbyisten treffen. Bisher galt diese Anforderung nur für die Kommissare, ihre Kabinette und die Generaldirektoren. Wichtige Beamte konnten Lobbyisten damit auch ohne Eintrag ins Register treffen.

Mit ihrer zweiten Amtszeit habe von der Leyen ihre Macht als Kommissionspräsidentin ausgebaut. Das kommentiert Stefan Beutelsbacher in der „Welt“. Demnach habe die Deutsche eine „System voller Abhängigkeiten und Rechenschaftspflichten geschaffen“, in dem niemand zu einflussreich werden könne. So müssten einige Kommissare ihr direkt Bericht erstatten, andere einem der sechs Vizekommissionspräsidenten oder -präsidentinnen. Zuständigkeiten überschnitten sich, im Zweifel entscheide letztlich von der Leyen. Mit der neuen Kommission habe „Queen Ursula“ in erster Linie die „Zementierung“ ihrer Macht erreicht.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion