Ankara streitet um Erdgas – Griechenland, Zypern und Israel unterzeichnen Abkommen für Bau von Gaspipeline
Das Abkommen über die Pipeline EastMed wurde am Donnerstag in Athen unterzeichnet. Mit der 1872 Kilometer langen Pipeline soll Erdgas, das vor den Küsten Zyperns und Israels gefördert wird, nach Griechenland und von dort aus in weitere europäische Staaten wie Italien geleitet werden.
Das Abkommen über die Pipeline wurde im Anschluss an Gespräche zwischen dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dem zyprischen Präsidenten Nicos Anastasiades von den Energieministern der drei Staaten unterzeichnet.
Über die überwiegend unter dem Meer verlaufende Pipeline EastMed sollen jährlich zwischen neun und elf Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa geleitet werden. Die Pläne für die Pipeline, deren Kosten für den Bau bis Italien auf rund sechs Milliarden Euro geschätzt werden, reichen bis ins Jahr 2013 zurück.
Mitsotakis sagte nach der Unterzeichnung, die EastMed sei von „geostrategischer Bedeutung“ und trage zum Frieden in der Region bei. Anastasiades bezeichnete die Einigung als „historisch“. Sein Ziel sei mehr Zusammenarbeit und nicht die „Rivalitäten“ im Nahen Osten.
Netanjahu hatte bereits vor seiner Abreise nach Griechenland erklärt, die „Allianz der drei Staaten“ habe eine „riesige Bedeutung für die Energiezukunft Israels“. Zudem sei das Vorhaben wichtig für die „Stabilität der Region“. Der griechische Umwelt- und Energieminister Kostis Hatzidakis sagte dem griechischen Fernsehsender Antena, die Pipeline sei ein „Projekt des Friedens und der Zusammenarbeit im östlichen Mittelmeer… trotz der türkischen Drohungen“.
Die Türkei paktiert mit Libyen
Zunächst vereinbarte die Türkei ein umstrittenes Abkommen mit Libyen, um die Grenzen ihres Seegebiets im östlichen Mittelmeer auszuweiten. Andere Anrainer wie Griechenland und Ägypten sind darüber empört. Die Entsendung türkischer Truppen nach Libyen, um die instabile Regierung in Tripolis zu unterstützen, muss auch vor diesem Hintergrund gesehen werden.
Die Situation ist vertrackt, weil die Republik Zypern völkerrechtlich gesehen zwar die ganze Insel umfasst, de facto aber nur den griechischen Südteil kontrolliert. Der türkische Nordteil ist eigenständig, seitdem die Türkei 1974 intervenierte, um nach einem Militärputsch griechischer Nationalisten einen Anschluss der Insel an Griechenland zu verhindern. Die Türkische Republik Nordzypern wird bis heute nur von der Türkei anerkannt.
Seit den Kämpfen 1974 hat die Türkei zehntausende Soldaten im Nordteil stationiert. Ebenso wie Griechenland und Großbritannien ist sie seit der Unabhängigkeit 1960 eine Garantiemacht der Insel. Ein UN-Plan zur Wiedervereinigung der geteilten Insel wurde 2004 von den griechischen Zyprern abgelehnt. Trotzdem trat die Insel in Gänze im selben Jahr der EU bei. Verhandlungen über eine Wiedervereinigung liegen seit 2017 auf Eis.
Wie sieht Zypern das?
Aus Sicht der Republik Zypern gehört das Seegebiet im Umkreis von 200 Seemeilen um die gesamte Insel zu ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone. Mit den Anrainerstaaten Ägypten, Libanon und Israel hat die Regierung in Nikosia in den Jahren 2003, 2007 und 2010 gemäß dem UN-Seerechtsabkommen Vereinbarungen über die Absteckung ihrer jeweiligen Wirtschaftszonen in dem Meeresgebiet geschlossen.
Im Januar 2019 gründete Zypern mit Staaten wie Griechenland, Israel und Ägypten außerdem das „Gas-Forum östliches Mittelmeer“, um die Kooperation im Energiebereich zu vertiefen. Nur die Türkei ist nicht beteiligt.
Mit der Ausbeutung der Gasvorkommen hat Nikosia in den vergangenen Jahren die internationalen Energiekonzerne Eni, ExxonMobile und Total beauftragt, die daraufhin mit Probebohrungen in der Region begonnen haben.
Die türkische Sicht
Die Türkei beharrt als einziger Staat darauf, dass zur Aufteilung des Seegebiets im östlichen Mittelmeer die Küstenlinie der Festlandsmasse herangezogen wird. Auf dieser Grundlage beansprucht die Türkei einen Teil der Gasvorkommen vor Zypern, da sie ihrer Ansicht nach auf ihrem Kontinentalschelf liegen. Ankara schickte das Bohrschiff „Fatih“ in die Region, um im Auftrag von Turkish Petroleum Probebohrungen vorzunehmen.
Ankara fordert außerdem eine faire Beteiligung der türkischen Zyprer an den Einnahmen aus den Gasvorkommen und unterstützt einen entsprechenden Vorschlag, den die Türkische Republik Nordzypern im Sommer vorgelegt hat. Da die türkischen Zyprer Turkish Petroleum mit der Erforschung der Gasvorkommen in dem Lizenzgebiet vor ihrer Küste beauftragt haben, ist dort das türkische Bohrschiff „Yavuz“ aktiv.
Das Abkommen mit Libyen zum Seegebiet
Im November unterzeichnete die Türkei mit Libyens Regierungschef Fajes al-Sarradsch ein umstrittenes Abkommen, das das Seegebiet zwischen der Türkei und Libyen aufteilt. Durch die Vereinbarung wird der Festlandsockel, in dem die Türkei das Recht auf die Erforschung und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen beansprucht, erheblich ausgeweitet. Die Türkei warnt, sie werde alle „nicht autorisierten“ Aktivitäten in dem Gebiet verhindern.
Ägypten und Griechenland sind empört, da sie ihre eigenen Ansprüche verletzt sehen. Athen wies aus Protest den libyschen Botschafter aus und forderte den UN-Sicherheitsrat auf, das Abkommen zu verurteilen. Die EU, die in dem Streit ihre Mitgliedstaaten Zypern und Griechenland unterstützt, verurteilte bereits die Vereinbarung. Wegen des türkischen Vorgehens verhängte sie im Juli zudem Sanktionen gegen Ankara. (afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion