Angst vor Russland: Schießunterricht an allen polnischen Grundschulen

Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine gibt es nun verbindliches Schießtraining an allen Schulen in Polen, auch Grundschulen. Die „Sicherheitsausbildung“ scheint den Kindern zu gefallen.
Titelbild
Ein Junge mit einer Pistole beim Schießtraining.Foto: CatEyePerspective/iStock
Von 16. Dezember 2024

Seit dem Jahr 2022 ist Schießtraining in Polen Pflicht für alle Schüler der 8. und 9. Klassen und damit Teil des Lehrplans. Vor drei Monaten wurde es durch das polnische Bildungsministerium unter der Regierung Donald Tusk auf alle Schulen Polens ausgeweitet. Dies schließt auch Grundschulen ein, die in Polen bis zur achten Klasse gehen, berichtete die „Deutsche Welle“ (DW).

Als Teil des Unterrichtsfachs „Sicherheitsausbildung“ lernen die Kinder und Jugendlichen, wie sie in Bedrohungssituationen reagieren sollen. Dazu gehören ein Erste-Hilfe-Kurs, eine einfache Verteidigungsausbildung und ein Schießtraining auf einem Schießstand – zumindest für die Oberschulen.

Das Schießtraining an den 18.000 Grundschulen wird in Turnhallen stattfinden, mit einem durch ein polnisches Unternehmen entwickeltem Lasersystem – also ohne scharfe Munition. Hier steht der Zusammenbau einer Waffe und das Schießen mit dieser Waffe im Mittelpunkt.

Die Einführung des Schießtrainings geht auf die Vorgängerregierung unter der PiS-Partei zurück. Der damalige Bildungsminister setzte sich nach Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 dafür ein, dass Polens Schüler den Umgang mit Waffen erlernen. Bis 2012 gab es an Polens Schulen den sogenannten Wehrunterricht.

Nachfrage nach Schießkursen steigt

Seit Februar 2022 sind die Polen verstärkt besorgt, dass es zu einem russischen Überfall auf ihr Land kommen könnten.

Immer mehr Erwachsene buchen Kurse auf den Schießständen des Landes. Hier können landesweit auch Kinder unter 14 Jahren am Schießunterricht teilnehmen.

Die Verteidigungsausgaben wurden seitdem erhöht und die polnischen Armee ist dabei, ihre Personalstärke von ursprünglich 110.000 Berufssoldaten auf 250.000 zu verdoppeln. Ende Juni 2024 sollen nach offiziellen Angaben des Verteidigungsministeriums die polnischen Streitkräfte bereits rund 199.000 Mann umfassen.

Laut Schätzungen der NATO liegen die prozentualen Verteidigungsausgaben Polens in diesem Jahr höher als die der USA. So soll der polnische Wehretat 2024 4,12 Prozent des BIP betragen, der der USA 3,38 Prozent, heißt es von der Bundeszentrale für politische Bildung.

Polen hat im Jahr 2008 seine allgemeine Wehrdienstpflicht abgeschafft. Polen und die Ukraine haben einen gemeinsamen Grenzverlauf von mehr als 500 Kilometern.

Im Sommer dieses Jahres begann die Regierung ein Programm namens „Ferien mit der Armee“. Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren mit polnischer Staatsbürgerschaft können im Rahmen dieses Programms eine 27-tägige militärische Grundausbildung erhalten und bekommen dafür 1.400 Euro. Zu dem Programm gehört auch ein Schießtraining.

Frühzeitige Gewöhnung der Kinder an Waffen

Die ersten polnischen Grundschulen haben das Laser-Schießtrainingsystem bereits. Die Deutsche Welle besuchte eine dieser Schulen – die Nikolaus-Kopernikus-Schule in der pommerschen Stadt 7.000-Einwohnerstadt Skarszewy. Im DW-Bericht sind 13- und 14-jährige Kinder mit Sturmgewehre und Pistolen zu sehen. Unter Aufsicht der Schulleiterin schießen sie sichtlich motiviert auf Zielscheiben, die durch grünes Licht dem Schützen die Treffer anzeigen.

Auch einige Eltern sind anwesend. Sie scheinen sich erfreut darüber, dass ihre Kinder Schießtraining bekommen.

Die Schulleiterin erklärte, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine in unmittelbarer Nachbarschaft zu Polen stattfinde, Polen sich bedroht fühle und seine Kinder so früh wie möglich an den Umgang mit Waffen gewöhnen solle.

Der Bürgermeister sagte, dass die Schüler in seinen Augen nicht zu jung wären, um mit Waffen zu schießen, „denn die Schießleidenschaft wird wie jede Sportleidenschaft von klein auf entwickelt. Darum hat das Ministerium die Schießausbildung für alle Schüler angeordnet“.

Eine anwesende Mutter erklärt dem Fernsehteam, dass sie eine Art Stolz verspüre, „dass unsere Kinder auf der guten Seite stehen, dass sie unser Land verteidigen wollen und eine patriotische Einstellung haben“.

Während sich der polnische Lehrerverband bei der Einführung des Schießtrainings für Schüler kritisch zeigte – er bemängelte fehlende Schießstände und Lehrkräften für den Schießunterricht als auch die hohen Ausgaben –, die Gesellschaft scheint größtenteils einverstanden mit dem Kurs der polnischen Regierung.

Wehrunterricht in Deutschland

Militärische Unterrichtsinhalte gab es auch in Deutschland. Während des Nationalsozialismus wurde das Schießen mit Kleinkaliber-Gewehren, Geländeübungen sowie militärische Spiele Teil des Sportunterrichts. Ab dem Schuljahr 1978/79 war der Wehrunterricht in Uniform in der DDR für die 9. und 10. Klasse an den polytechnischen Oberschulen verpflichtend.

Neben einem praktischen Teil enthielt diese vormilitärischen Ausbildung unter dem SED-Regime auch einen wehrpolitisch-ideologischen Abschnitt.

In anschließenden Gruppen- und Einzelgesprächen mit dafür verantwortlichen Lehrern versucht, die Schüler für einen längeren Militärdienst und eine Offizierslaufbahn zu gewinnen, die über die Wehrdienstpflichtzeit von 18 Monaten hinaus ging.

Bundesbildungsministerin forderte Zivilschutz-Unterricht

Im März forderte die damalige Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), dass Schulen sicherheitspolitische Gefahren vermitteln müssen, wozu auch ein möglicher Krieg in Deutschland gehöre. Dies stieß beim Deutschen Lehrerverband auf Zustimmung. „Der Ukraine-Krieg schafft ein neues Bewusstsein für militärische Bedrohung, das auch an Schulen vermittelt werden muss“, kommentierte Verbandspräsident Stefan Düll gegenüber der „Bild am Sonntag“ die Forderung.

Er erwartete damals von der Bundesministerin, dass sie das Gespräch mit den Bildungsministern der Bundesländer suche. „Eine Absichtserklärung reicht nicht, jetzt muss im Politik-Unterricht zum Ukraine-Krieg und zur gesamteuropäischen, ja globalen Bedrohungslage, gelehrt werden.“

Im November erklärte das Bundesinnenministerium, dass Deutschland wieder mehr intakte Schutzräume für seine Bevölkerung bekommen soll. Begründet wurde dies mit der sich verschärfenden internationalen Bedrohungslage und dem Verweis auf den Ukraine-Krieg.



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