„Angriff durch Migranten“ – Gewalteskalation an polnisch-belarussischer Grenze

Die Lage an der Grenze zwischen Belarus und Polen ist eskaliert. Migranten warfen Steine auf die Grenzschützer - ein Polizist erlitt einen Schädelbruch. Die polnischen Beamten setzten Tränengas ein.
Epoch Times17. November 2021

Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen polnischen Sicherheitskräften und Migranten an der belarussischen Grenze hat es mehrere Verletzte gegeben. Polnische Sicherheitskräfte setzten am Dienstag nach eigenen Angaben Tränengas und Wasserwerfer gegen Migranten ein, nachdem sie aus deren Reihen mit Steinen beworfen worden waren. Sieben Polizisten, ein Grenzschützer und ein Soldat wurden demnach verletzt – ein Polizist erlitt einen Schädelbruch. Nach belarussischen Angaben mussten auch mehrere Migranten medizinisch behandelt werden.

Das polnische Verteidigungsministerium erklärte, es habe „einen Angriff durch Migranten“ gegeben, auf den die Sicherheitskräfte reagiert hätten. Die Lage eskalierte demnach, als Migranten versuchten, in der Nähe des Übergangs Bruzgi-Kuznica den Grenzzaun zu zerstören.

Nach Angaben des belarussischen Gesundheitsministeriums wurden in den vergangenen Tagen etwa 20 der derzeit an der polnischen Grenze campierenden Migranten medizinisch behandelt. Fünf von ihnen wurden demnach am Dienstag wegen Problemen an den Augen oder Atembeschwerden versorgt.

Kritik von allen Seiten

Russlands Außenminister Sergej Lawrow verurteilte das Vorgehen der polnischen Sicherheitskräfte als „absolut inakzeptabel“. Nach seinen Angaben feuerten diese auch „Schüsse über die Köpfe von Migranten hinweg in Richtung Belarus“ ab.

Die Regierung in Minsk warf Warschau vor, für die Gewalteskalation verantwortlich zu sein. Von der polnischen Seite seien „direkte Provokationen und unmenschliche Behandlung“ der „benachteiligten“ Menschen an der Grenze ausgegangen, erklärte Außenamtssprecher Anatoli Glas.

Die EU wirft hingegen dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, absichtlich Migranten ins Grenzgebiet zur EU zu schleusen, um sich für frühere Sanktionsbeschlüsse der Europäischen Union zu rächen. Minsk weist diese Anschuldigung zurück.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Montag in einem Telefonat mit Lukaschenko für eine Deeskalation eingesetzt. Das Gespräch drehte sich nach Angaben der Bundesregierung um „die schwierige Situation an der Grenze“ zur EU. Es sei vor allem um „die Notwendigkeit humanitärer Hilfe“ gegangen.

Merkel war die erste westliche Regierungschefin, die seit der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos 2020 mit diesem telefonierte. Die Grünen kritisierten das Telefonat als „verheerendes Signal“. Ihr Außenpolitiker Omid Nouripour wies im Deutschlandfunk darauf hin, dass die EU Lukaschenkos Wiederwahl nicht anerkenne. Mit ihrem Telefonat habe Merkel de facto jedoch genau diese Anerkennung vollzogen.

Lukaschenko versicherte am Dienstag, er wolle eine „hitzige Konfrontation“ an der Grenze vermeiden. Mit Merkel sei er darin einig gewesen, dass eine Eskalation niemandem nütze – „weder der EU noch Belarus“, sagte Lukaschenko laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Nach Angaben des Kreml telefonierte er am Dienstag auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin zur Lage an der EU-Grenze.

Rund 4000 Menschen an polnischer Grenze

Dem polnischen Grenzschutz zufolge campieren derzeit rund 4000 Flüchtlinge und Migranten bei eisigen Temperaturen auf der belarussischen Seite der Grenze. Am Dienstag kündigte Minsk die Errichtung eines „logistischen Zentrums“ in der Region Grodno an, in dem Migranten übernachten könnten.

Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, sprach nach einem Besuch von Gebieten auf der polnischen Seite der Grenze von einer „extrem gefährlichen Situation“. Sie forderte einen uneingeschränkten Zugang für Hilfsorganisationen und Medienschaffende zum Grenzgebiet. Auf der Grundlage eines Ausnahmezustands verbietet Warschau derzeit Helfern und Journalisten den Zugang zum Grenzgebiet.

Die EU bereitet derzeit neue Sanktionen gegen Belarus vor. Die Weichen dafür hatten am Montag die EU-Außenminister gestellt. Auch das US-Außenministerium kündigte neue Strafmaßnahmen gegen Minsk an. Zugleich übte die EU zuletzt Druck auf Herkunfts- und Transitländer der Flüchtlinge aus, um Flüge nach Minsk zu unterbinden. Teilweise zeigte dies bereits Erfolg.

Turkish Airlines sperrte alle Flüge nach Minsk für Menschen aus Syrien, dem Irak und Jemen, die syrische Fluggesellschaft Cham Wings stellte ihre Verbindung in die belarussische Hauptstadt ein. Die irakische Botschaft in Moskau kündigte am Dienstag an, mit der freiwilligen Rückführung von Irakern aus Belarus zu beginnen. Am Donnerstag sollen demnach 200 Menschen in den Irak zurückgeflogen werden. (afp/oz)



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