Merkels Antwort auf den „Bulldozer-Präsidenten“: Internationale G7-Presseschau
In einer Bierzeltrede in München sagte Kanzlerin Angela Merkel gestern: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“ Und: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“ Die „Bild“ titelte: „Die ganze Welt spricht über Merkels Knallhart-Kurs“.
Die New York Times schreibt: „Frau Merkels starke Äußerungen sind möglicherweise eine richtungsweisende Veränderung in den transatlantischen Beziehungen. Wenn die USA weniger bereit sind, sich im Ausland zu engagieren, wird Deutschland eine zunehmend dominante Macht in einer Partnerschaft mit Frankreich.“ Weiter zitiert die „NYT“:
„Dies scheint das Ende einer Ära zu sein, einer, in der die USA führten und Europa folgte.“
Ivo H. Daalder, Ex-Nato-Gesandter
Auf Twitter nannte der US-Whistleblower Edward Snowden Merkels Rede einen Moment, der eine neue Ära definieren könnte. David Frum, ein Redakteur des Atlantic, twitterte laut „Zeit“: „Seit 1945 war es das oberste Ziel der UdSSR und dann Russlands, die Allianz zwischen Deutschland und den USA zu beschädigen. Trump hat geliefert.“
Die „Washington Post“: „Dies ist ein enormer Umschwung in der politischen Rhetorik.“ Die Nato sei einst gegründet worden, wie der erste Generalsekretär des Bündnisses sagte, um „die Russen draußen zu halten, die Amerikaner drin, und die Deutschen unten.“ „Jetzt deutet Merkel an, dass die Amerikaner nicht wirklich drin sind, und, darüber hinaus, dass Deutschland und Europa wahrscheinlich eine sehr viel grundlegendere und unabhängigere Rolle übernehmen werden als in den vergangenen 70 Jahren“, so der Kommentar
Merkels Aussagen seien als „klare Referenz auf Präsident Trumps desaströse Europa-Tour“ zu sehen. „Ihre Ansicht, dass die USA kein verlässlicher Partner mehr sind, ist ein direktes Ergebnis von Trumps Worten und Taten.“
„Die Antwort auf den Bulldozer-Präsidenten“
De Tijd“ aus Belgien schreibt: „Die Antwort auf den Bulldozer-Präsidenten kam aus einem Bierzelt in München. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte fest, die ‚Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei‘. Und sie schlug gleich ein neues Kapitel auf: ‚Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen‘.“
Die deutsche Kanzlerin habe erkennbar die Nase voll vom amerikanischen Präsidenten, so das Medium: „Europa muss nun allein weitermachen. In aller Freundschaft übrigens. Merkel ist keine Frau, die Menschen von vornherein ausschließt. Aber sie ist auch jemand, der einmal getroffene Entscheidungen nicht so leicht wieder ändert. Das Bierzelt in München könnte daher sehr wohl ein Wendepunkt in den transatlantischen Beziehungen sein.“
Politico rät dagegen: „Obwohl Timing alles in der Politik ist – Merkels Äußerungen erfolgten nur Stunden nach einem polarisierenden G-7-Gipel – wäre es ein Fehler, zu viel in die Sache hineinzuinterpretieren. Es ist möglich, dass der Sonntag den Beginn einer tektonischen Verschiebung weg von den USA markiert, aber es ist auch zu früh, um das mit Gewissheit zu sagen.“ Merkel, die als vorsichtig bekannt sei, würde kaum eine bayerische Bierparty wählen, um den Dreh weg von den USA zu verkünden, so das Medium.
„Merkel hat Tacheles geredet“
Die italienische „La Repubblica“ meint: „Merkel hat Tacheles geredet mit Blick auf das Benehmen des amerikanischen Präsidenten“. Es seien „ungewöhnlich schonungslose Sätze für die christdemokratische Anführerin, die normalerweise dazu neigt, versöhnliche und mildere Töne anzuschlagen.“
„El País“ aus Spanien schreibt: „Der G-7-Gipfel von Taormina ist – wie vorhersehbar war – gescheitert. Mit seiner Haltung während der Sitzung hat Donald Trump erneut gezeigt, dass seine Ideen (sie in die Kategorie Politik zu erheben wäre übertrieben) potenziell ein schweres Hindernis für den internationalen Handel und für jede Initiative darstellen, die den Klimawandel aufhalten will (…). Als Angela Merkel die Verhandlungen als ’schwierig und unzufriedenstellend‘ bezeichnet hat, hat sie sich wahrscheinlich noch diplomatisch gezeigt.“
Der britische Guardian: „Merkel – vor dem Balanceakt, die transatlantischen Beziehungen zu bewahren, während sie Wahlkampf für ihre Wiederwahl führen muss – war ungewöhnlich direkt in ihrer Kritik an Trumps Weigerung, sich zum Klimaschutz zu bekennen – ein wichtiger Aspekt für deutsche Wähler.“
„Ausländer verstehen Frau Merkel oft falsch“
Der „Economist: „Ausländer verstehen Frau Merkel oft falsch. Sie ist weder die Königin von Europa, noch hat sie den Wunsch, es zu werden.“ (…) „Frau Merkels Äußerungen zeigen, wie sehr Trumpundbrexit die USA und Großbritannien in den vergangenen Monaten beschädigt haben. Sie haben es einem befreundeten Staatschef nicht nur möglich, sondern auch wahlkampftaktisch sinnvoll gemacht, sie in der Öffentlichkeit zu kritisieren“, schreibt der Economist.
Der Züricher „Tages-Anzeiger“: „Angesichts der gewaltigen Differenzen und Trumps quälender Selbstgefälligkeit wird sich mancher Präsident oder Regierungschef mittlerweile die Frage stellen, ob sich ein Meinungsaustausch mit ihm überhaupt noch lohnt. (…) Dem Egozentriker den Dialog zu verweigern, hieße, ihn noch aufzuwerten und seinen Furor zu befeuern.
Es bleibt deshalb nichts anderes übrig, als im Gespräch zu bleiben. Das ist kein Plädoyer dafür, sich an Trump zu gewöhnen, Rüpeleien, Banalität und Sexismus hinzunehmen oder, etwa in der Klimapolitik, einfach stehen zu bleiben. Im Einzelfall sind sogar sehr viel deutlichere Widerworte nötig. Zugleich heißt es aber, anzuerkennen, dass die Existenz dieses US-Präsidenten real ist.“
„Die Welt ist mit Trump noch unberechenbarer und gefährlicher geworden“
Die „Süddeutsche Zeitung“ meint: „Inhaltlich gesehen war die erste G-7-Konferenz mit Trumps Beteiligung ein kapitaler Fehlschlag. Weder in der Flüchtlings- noch in der Klima-, Handels- oder Entwicklungspolitik gab es Fortschritte. Die Kluft zwischen den USA und den übrigen Partnern war in Taormina so groß, dass sich die Frage nach dem Sinn solcher Gipfel stellt. […] Die Welt ist mit Trump zweifellos noch unberechenbarer und gefährlicher geworden. Und doch gilt: Ohne die USA werden die allermeisten Probleme nicht zu lösen sein. Und gegen sie schon gar nicht.“
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt: „Für die weltpolitische Verantwortung der Vereinigten Staaten hat [Trump] kein Verständnis. Autokraten schmeichelt er auf peinlichste Weise, gegenüber Demokraten wird er grob und beleidigend. […] Für die Europäer ist das eine bittere Erfahrung. […] Die Europäer müssen sich weiterhin pragmatisch um einen Interessenausgleich bemühen. Sie können aber die Augen nicht davor verschließen, dass sie in der aufgewühlten Welt des 21. Jahrhunderts für ihre Sicherheit und ihren Wohlstand mehr denn je selbst einzustehen haben. Dabei dürfen sie sich nicht unterschätzen, aber auch nicht überschätzen. Trumps Amerika vollzieht jedenfalls eine Zeitenwende.“
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