Alkoholverbot am Ballermann: Ist Schluss mit feuchtfröhlich?
Das bisher Unvorstellbare steht tatsächlich schwarz auf weiß im Amtsblatt der Balearen: Auf Mallorcas wildesten Partymeilen darf man nun auf offener Straße und am Strand keinen Alkohol mehr trinken. Das Verbot gilt für die bei Deutschen beliebte Playa de Palma mit dem berühmt-berüchtigten Ballermann sowie für weitere Party-Zonen auf Mallorca und auch Ibiza. Alles Gebiete, in denen der sogenannte Sauftourismus trotz verschiedener Maßnahmen zuletzt immer mehr Ärger und Proteste ausgelöst hatte.
Urlaubern und Einheimischen, die etwa mit geöffneter Bierdose an „falscher“ Stelle erwischt werden, droht nun ein Bußgeld zwischen 500 und 1500 Euro. Das „Dekret für verantwortungsvollen Tourismus“ betrifft auf Mallorca Teile der Gemeinden Palma und Llucmajor sowie die britische Party-Hochburg Magaluf westlich der Inselhauptstadt Palma. Es gilt darüber hinaus auch für Sant Antoni de Portmany auf Ibiza.
Es gibt Optimisten
Wird der Ballermann jetzt zum „Saubermann“? Der mallorquinische Hotelierverband FEHM ist zuversichtlich: „Wir begrüßen, dass Verbesserungen vorgenommen wurden, um das angestrebte Ziel zu erreichen: die Ausrottung des unzivilisierten Tourismus in den vier Gebieten, die unter seinen Auswirkungen leiden“, hieß es.
Optimistisch äußerten sich in einer gemeinsamen Mitteilung auch der Playa-Hotelierverband AHPP, der Gastro-Verband CAEB, die Einzelhändlervereinigung Afedeco sowie der Verband der Nachtclubunternehmern Abone. So werde „die Kontrolle des Exzess-Tourismus an der Playa gestärkt“ und die „Sicherheit der Anwohner und auch der Urlauber erheblich erhöht“.
Und auch Pessimisten
Viele Inselkenner sind derweil skeptisch und glauben nicht, dass von heute auf morgen Schluss mit feuchtfröhlich sein wird. Zu den Zweiflern gehört Patrick Schirmer Sastre, Kolumnist der „Mallorca Zeitung“. Die Absichten seien sicher gut. Aber: „Eine Mentalität, ein Lebensgefühl ändert man nicht durch Gesetze und überteuerte Preise“, schreibt er.
„Hecha la ley, hecha la trampa“, sagt man in Spanien. So etwas wie „Kaum gibt es ein Gesetz, schon gibt es auch Schlupflöcher“. Schirmer Sastre glaubt, dass viele nach diesem Motto handeln werden. „Schon jeder Viertklässler, der zur Klassenfahrt auf den Ponyhof fährt, weiß, dass man den „Berentzen Apfelkorn“ am besten in eine Liter-Flasche Saftschorle umfüllt (…).“
Entscheidend wird sein, wie intensiv die Polizei über die Einhaltung des Verbots wachen wird. Beatrice Ciccardini ist nicht gerade optimistisch. Es sei „jedes Jahr dasselbe“. Zu Saisonbeginn erscheine ein wenig mehr Polizei, wirklich eingegriffen werde aber nicht, klagt die Wirtin des Lokals „Zur Krone“ im Gespräch mit der „Mallorca Zeitung“. Die aktuelle Lage laut der Playa-Veteranin: „Die Hütchenspieler sind wieder hier, die Masseurinnen, die Klauhuren. Es ist schon wieder alles schmutzig, alles vollgekotzt, alles vollgekackt – wie immer.“
Kritik kam auch von der Opposition. Die konservative Regierung, seit einem knappen Jahr im Amt, habe die Chance verpasst, die Exzesse durch noch strengere Maßnahmen effektiv zu bekämpfen, sagte Ex-Tourismusminister Iago Negueruela. Unerwähnt ließ er, dass während der Amtszeit der alten Linksregierung alle Maßnahmen nicht den erhofften Erfolg brachten.
Protestdemo gegen Massentourismus
In einem Punkt sind sich unterdessen alle einig. Maßnahmen waren und sind nötig. Der Verdruss gegenüber Massentourismus wächst nicht nur auf Mallorca, sondern auch andernorts in Spanien rapide. Am 25. Mai soll in Palma eine große Protestdemo stattfinden.
Erst am Mittwoch hatte die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens erstmals erklärt, das Tourismusmodell sei „an seine Grenze gestoßen“, ihr Tourismusminister Marcial Rodríguez sagte: „Wir möchten uns besucht und nicht überfallen fühlen“. Jetzt beschloss die Regionalregierung neben der Einschränkung des Alkoholkonsums unter anderem auch, dass das Gästebetten-Limit der Inseln von bisher 430.000 auf 412.000 herabgesetzt wird.
Bisher hatten konservative Politiker meistens den Standpunkt vertreten, man dürfe die Henne, die goldene Eier legt (sprich den Tourismus, der für 45 Prozent des Inlandseinkommens verantwortlich ist) nicht verärgern. „Das Ende eines Tabus“, titelte die Regionalzeitung „Última Hora“ am Wochenende deshalb anerkennend.
Voriges Jahr war die ansonsten hervorragende Saison auf Mallorca vom Sauftourismus überschattet worden. Trotz einer Superauslastung von 97 Prozent war dem Präsidenten der Playa-Hoteliers Pedro Marín deshalb nicht zum Feiern zumute. Der 47-Jährige sprach Klartext: Bezüglich Auswüchse sei es „eine der schlimmsten Saisons aller Zeiten“ gewesen.
Deutsche Touristen oft am Pranger
Medien- und die Polizeiberichte zeigen, dass die Deutschen bei den Exzessen überdurchschnittlich häufig im Mittelpunkt stehen. Im Sommer 2023 gab es wöchentlich Schlägereien. Betrunkene Urlauber torkeln herum und nüchtern auf der Straße aus, werden oft übergriffig. Zudem gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Türstehern und Urlaubern. Die traurigen Höhepunkte waren eine mutmaßliche Gruppenvergewaltigung im vergangenen Juli – noch immer sitzen vier Deutsche deshalb in U-Haft – und der Mord an einem Deutschen im Oktober. Marín fordert schon länger mehr Polizeipräsenz. Die Hoteliers boten den Beamten sogar schon Betten an. Bislang nahm aber niemand das Angebot an.
Im Rahmen der neuen Maßnahmen soll nun jede der vier betroffenen Zonen jährlich je vier Millionen Euro für die Umsetzung des Dekrets bekommen. Das Geld stammt aus den Einnahmen der Touristensteuer. Vom Verbot ausgenommen sind Terrassen von Restaurants, Hotels und Bars. Auf den vielen Party-Booten darf weiterhin Alkohol ausgeschenkt werden. Allerdings müssen sie fortan eine Seemeile Abstand zu den betroffenen Zonen und Stränden einhalten. Zudem dürfen sie in diesen Zonen keine Gäste mehr aufnehmen oder absetzen.
Zur Bekämpfung der Exzesse war zuletzt 2020 ein Gesetzespaket geschnürt worden, das in der Pandemie etwas unterging. Damals waren unter anderem Trinkgelage, sprich der Alkoholkonsum in der Gruppe, auf offener Straße verboten worden. Wobei die Höchstanzahl der Personen nicht definiert war. Besser wurde es nicht – im Gegenteil. Jetzt hofft man auf mehr Erfolg. Das neue Dekret gilt zunächst bis Ende 2027. (dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion