Ahmet Davutoglu resigniert: Bedeutet sein Rücktritt auch das politische Ende von Angela Merkel?
Der Rücktritt des türkischen Premierministers Ahmet Davutoglu wird nicht nur für die Türkei, sondern auch für die EU schmerzlich werden. Vor allem im weiteren Verlauf der Flüchtlingskrise – wenn es um die gegenseitige Einhaltung von Vereinbarungen des EU-Türkei-Deals geht.
Welche Konsequenzen die politische Entscheidung in der Türkei für Angela Merkel haben wird, die mit dem Rücktritt des Premiers ihren direkten Ansprechpartner über Flüchtlingsfragen verliert, ist derzeit noch ungewiss.
Es stelle sich die Frage, ob die Bundeskanzlerin ihr Schicksal mit dem Davutoglus zu eng verknüpft habe, so die "Huffingtonpost". Entsprechend entsetzt müsste die Reaktion im Kanzleramt ausgefallen sein, als plötzlich die Rede vom Rücktrittsgesuch des Ministerpräsidenten war.
Ohne diese starke diplomatische Verbindung zur Türkei scheint das aktuell wichtigste politische Projekt der deutschen Kanzlerin praktisch unmöglich, meint die "Huffpost". Die Hoffnung auf eine schrittweise Annäherung der Türkei an die EU, die mit dem Erfolg des Flüchtlingsabkommens von beiden Verhandlungspartnern gewünscht wurde, scheint verloren. Davutoglu und Merkel hätten damit rechnen müssen, dass Erdogan sowohl dieses Projekt als auch die EU-Annäherung weniger wichtig sei, als der Erhalt der eigenen Macht, so das Blatt.
Demnach sei eines der Hauptargumente bei den Verhandlungen zwischen der Kanzlerin und den EU-Partnern gewesen, dass das Abkommen die EU-freundliche Fraktion innerhalb der türkischen Regierung stärken werde. Die Türkei sollte dadurch auf den Weg zur Stärkung der Demokratie gebracht werden.
Künftige Ereignisse würden zeigen, ob das Flüchtlingsabkommen ohne Davutoglu als Premier noch zu diesem Zweck geeignet sei, so die "Huffingtonpost" weiter. Welchen Einfluss die kommenden Ereignisse auf den weiteren Erfolg der Kanzlerin haben werden, bleibe abzuwarten.
Dem Bericht zufolge befürchten hochrangige EU-Vertreter, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan könnte die EU "provozieren" und den "Deal sabotieren". Bei den Gesprächen mit Davutoglu erschienen die "türkischen Positionen vernünftig", doch dann sei "Erdogan und seine Leute aus dem nichts mit einer neuen Provokation aufgetaucht", so ein EU-Vertreter gegenüber dem Magazin "Politico".
Offenbar wusste der ehemalige türkische Premier bereits im Vorfeld, dass er auf einem wackligen Stuhl saß. Bei einem Treffen mit Angela Merkel soll er gesagt haben, dass ohne die Einführung der Visa-Freiheit sein politisches Überleben in Gefahr sei, wie die "Financial Times" von seinem Gespräch mit der Kanzlerin im Flüchtlingscamp in Gaziantep berichtete.
Denn um eine Verabschiedung der Visa-Freiheit zu ermöglichen, müsste das türkische Parlament durch eine Überarbeitung des Anti-Terrorgesetzes. Die geforderte Änderung solle eine zukünftige Knebelung von Oppositionellen und Journalisten verhindern. Doch genau das Anti-Terrorgesetz sei Erdogans Standard-Verfahren im Umgang mit politischen Gegnern, schreibt die "Huffingtonpost".
Die Vertreter der wichtigsten politischen Parteien im EU-Parlament hätten bereits signalisiert, sie würden der Visa-Freiheit nur dann zustimmen, wenn alle Bedingungen erfüllt würden. Den Analysen zufolge dürften die Entscheidung zur Visa-Freiheit letztendlich am Anti-Terror-Gesetz ins Stocken geraten. Und bereits bei diesem Punkt fehlt der Kanzlerin die Unterstützung Davutoglus.
Die Befürchtungen gehen noch weiter: Erdogan könnte den Flüchtlings-Deal lediglich dafür nutzen, um Gelder und Zugeständnisse von der EU zu erpressen, so die "Huffingtonpost". Weiters heißt es, das türkische Staatsoberhaupt könnte den Deal auch platzen lassen, wenn ihm die Einmischung der EU zu viel werde. Angela Merkel müsse deswegen einen Misserfolg für den Flüchtlings-Deal befürchten, der auch einen entscheidenden Einfluss auf ihre Karriere haben könnte. (dk)
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