Afghanistan: Einigung bei Regierungsbildung soll Friedensgespräche mit Taliban voranbringen

Der afghanische Präsident Aschraf Ghani und sein langjähriger Rivale Abdullah Abdullah haben sich nach monatelanger politischer Krise auf eine Machtteilung geeinigt. Abdullah soll die geplanten Friedensgespräche mit den Taliban leiten. Das Ende des Bürgerkriegs würde auch das Ende des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan bedeuten.
Titelbild
Die politischen Rivalen Abdullah Abdullah und  Präsident Ashraf Ghani haben sich auf eine Teilung der Macht in Afghanistan geeinigt (Archivfoto)Foto:   Dan Kitwood - Pool/Getty Images
Epoch Times17. Mai 2020

Der Machtkampf um die politische Führung in Afghanistan ist beendet: Acht Monate nach der Präsidentenwahl einigten sich Staatschef Aschraf Ghani und sein Erzrivale Abdullah Abdullah am Sonntag auf eine Machtteilung. Abdullah soll als Vorsitzender des Nationalen Aussöhnungsrates die geplanten Friedensgespräche mit den radikalislamischen Taliban leiten. Beide Politiker hatten nach der Wahl den Sieg für sich reklamiert und sich im März als Staatschefs vereidigen lassen.

„Dr. Abdullah wird den Nationalen Aussöhnungsrat leiten und Mitglieder seines Teams werden ins Kabinett aufgenommen“, verkündete Ghanis Sprecher Sedik Sedikki im Onlinedienst Twitter. Ein Sprecher Abdullahs erklärte, die Vereinbarung sehe vor, dass Abdullahs Lager die Hälfte der Kabinettsposten und anderer Posten in den Provinzen erhalte. Die Einigung werde den Weg zum „höchsten Ziel des afghanischen Volkes“ ebnen, „welches Frieden ist“.

Beide Lager etwa gleich stark

Bilder, die vom afghanischen Präsidentenpalast verbreitet wurden, zeigten Ghani und Abdullah, die bei der Unterzeichnung des Dokuments nebeneinandersaßen. An der Zeremonie nahmen auch andere Politiker wie Ex-Präsident Hamid Karsai teil.

Ghani war im Februar, fünf Monate nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Wahl im September, zum Sieger erklärt worden. Der bisherige Regierungschef Abdullah erkannte das Wahlergebnis aber nicht an und rief eine Gegenregierung aus. Am 9. März wurde Ghani für eine zweite Amtszeit vereidigt – Abdullah hielt am selben Tag seine eigene Vereidigungzeremonie ab.

Nach der Beilegung des Streits um das Präsidentenamt könnten Ghani und Abdullah nun die eigentlichen Probleme des Landes wie die Coronavirus-Pandemie und die Friedensgespräche mit den Taliban angehen, sagte der Kabuler Politik-Experte Sajed Nasir Musawi der Nachrichtenagentur AFP. Seiner Einschätzung nach führte „massiver Druck“ aus den USA zu der Einigung.

Friedensgespräche wegen Gezerre um die macht auf der Kippe

Die USA und die Taliban hatten Ende Februar ein Abkommen unterzeichnet, das unter anderem einen Teilabzug der US-Truppen vorsieht und den Weg für einen dauerhaften Frieden in Afghanistan ebnen soll. Nach mehreren Anschlägen mit dutzenden Toten steht der fragile Friedensprozess aber auf der Kippe. Auch der Machtkampf zwischen Ghani und Abdullah hatte die Gespräche blockiert.

US-Außenminister Mike Pompeo begrüßte die Einigung am Sonntag, bedauerte aber zugleich die „verlorene Zeit“ durch den monatelangen Streit. Nach Angaben einer Sprecherin betonte Pompeo, für die USA habe eine politische Lösung des Konflikts Priorität. Er begrüßte die Zusage Ghanis und Abdullahs zu schnellen innerafghanischen Verhandlungen.

Patt-Situation schon bei letzter Wahl

Schon bei der vorangegangenen Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren hatten sich sowohl Ghani als auch Abdullah zum Sieger erklärt. Erst nach Vermittlungen des damaligen US-Außenministers John Kerry einigten sich die beiden Kontrahenten auf einen Kompromiss: Ghani wurde Staatschef und Abdullah Regierungschef.

Nach der erneuten Pattsituation im März hatte Pompeo die beiden Rivalen scharf kritisiert und die Finanzhilfen der USA für das kriegsgeschundene Land um eine Milliarde Dollar (930 Millionen Euro) gekürzt.

Einigung wohl nur wegen Druck vom außen

Afghanistan hat ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von nur rund 20 Milliarden Dollar. Die Kürzung der US-Hilfen versetzte der von internationalen Geldern abhängigen afghanischen Wirtschaft daher einen schweren Schlag.

Die Zusammenarbeit der beiden langjährigen Rivalen werde aber wohl auch in Zukunft „schwierig“ bleiben, sagte der Experte Musawi. Es werde noch so lange „Streitigkeiten“ geben, bis ein Friedensabkommen mit den Taliban unterzeichnet sei.

Nato-Chef Jens Stoltenberg begrüßte die Einigung vom Sonntag und erklärte, angesichts der Corona-Pandemie und der anhaltenden Gewalt durch die Taliban sei die Einigung und das gemeinsame Streben nach Frieden umso wichtiger. (afp/al)



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