AfD und FPÖ als Ballast: Le Pen könnte nach der EU-Wahl ein Ende der ID-Fraktion anstreben

Obwohl AfD-Chefin Alice Weidel in einem Brief die Idee einer millionenfachen „Remigration“ zurückgewiesen hatte, bleibt Marine Le Pen auf Distanz. Auch zur FPÖ scheint das Verhältnis gespannt zu sein. Das könnte die Fraktionslandschaft in der EU verändern.
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Marine Le Pen – vor zwei Wochen gab es ein Treffen zwischen Le Pen und Weidel.Foto: Thomas Samson/AFP via Getty Images
Von 3. März 2024

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Völlig unproblematisch war das Verhältnis zwischen der AfD und der Partei von Marine Le Pen selten. Noch 2015 ging die damalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry auf Distanz zum damaligen Front National.

Sie warf diesem ein „sozialistisches“ Wirtschaftsverständnis und eine linke Ausrichtung vor. Nun scheint Marine Le Pen ihrerseits die AfD, mit der ihr jetziger Rassemblement National (RN) eine Fraktion im EU-Parlament bildet, als Handicap zu empfinden.

Treffen von Potsdam als Vorgeschichte

Anlass für die Spannungen ist das ominöse Treffen vom November des Vorjahres nahe Potsdam, über das die Plattform „Correctiv“ berichtet hatte. Obwohl es keine Tonaufnahmen vom Inhalt der Gespräche gibt und es uneinheitliche Darstellungen gibt, hat dieses massiven innenpolitischen Staub aufgewirbelt.

Unstrittig ist, dass neben mehreren AfD-Politikern, unter anderem dem persönlichen Referenten von Parteichefin Alice Weidel, auch der als Rechtsextremist eingestufte Identitären-Aktivist Martin Sellner anwesend war. Dieser hatte offenbar sein Buch vorgestellt.

AfD-Chefin Alice Weidel trennte sich nach Bekanntwerden der Teilnahme von ihrem Referenten, der bereits zuvor durch malthusianische Auffassungen und Sympathien zur Minderheitenpolitik der KP Chinas aufgefallen war.

Le Pen erteilt Konzept der Remigration eine Absage

Marine Le Pen nahm die Berichterstattung zum Anlass, um öffentlich zur AfD und auch zur FPÖ auf Distanz zu gehen. Sie nahm vor allem am Konzept der Remigration Anstoß. Le Pen betonte, sie kritisiere die Einwanderungspolitik der letzten Regierungen in Frankreich. Sie mache diese auch dafür verantwortlich, dass sich Missstände im Land wie etwa im Bereich der Kriminalitätsentwicklung verschärft hätten.

Allerdings richte sich ihre Politik gegen die Missstände und nicht gegen die Einwanderer selbst. Außerdem sei sie für eine massenhafte Ausbürgerung und Abschiebung französischer Staatsangehöriger nicht zu haben.

In Frankreich sind es vor allem Le Pens Konkurrenten auf der äußersten Rechten, Éric Zemmour und seine Partei Reconquête sowie die Génération Identitaire selbst, die den Begriff „Remigration“ verwenden.

Auch auf die FPÖ dürfte in diesem Kontext Erklärungsbedarf zukommen. Immerhin hatte deren Generalsekretär Christian Hafenecker das Treffen nahe Potsdam explizit verteidigt. Er sprach sogar von einer „Pflicht“, den durch eine aus seiner Sicht missglückte Migrationspolitik entstandenen „Schaden wiedergutzumachen“. Parteichef Herbert Kickl, der die Identitären einst als „NGO von rechts“ bezeichnet hatte, hielt einen Entzug von Staatsbürgerschaften ebenfalls für denkbar, und das, obwohl Österreich ohnehin ein restriktives Staatsangehörigkeitsrecht praktiziert.

Treffen mit Weidel endet ohne zählbares Ergebnis

Vor zwei Wochen hatte es ein Treffen zwischen Le Pen und Weidel gegeben. Die AfD-Chefin kündigte dabei an, in einem Brief ihre Sicht der Dinge darzulegen und sich auch über das Thema „Remigration“ zu äußern. Immerhin verwendeten auch Politiker der AfD diesen Begriff.

Weidel erklärte in dem Schreiben „Politico“ zufolge, dass man darunter „lediglich die Anwendung geltenden Rechts in Deutschland“ verstehe. Außerdem sei die Rückführung ausreisepflichtiger Drittstaatenangehöriger „auch mit der Hilfe zur Rückkehr ins Ursprungsland verbunden“. Zudem habe „Correctiv“ in seiner Berichterstattung zu „Dramatisierungen und Lügen“ gegriffen.

Le Pen äußerte am Mittwoch, 28. Februar, in Paris, dass in dem Schreiben „viele Fragen ungeklärt“ blieben. Außerdem bemängelte sie, den „Inhalt des Schreibens aus der Presse“ erfahren zu haben, bevor dieses sie selbst erreicht habe.

Vor zwölf Jahren noch selbst Sellner-like Positionen vertreten

Die Differenzen zwischen AfD und RN scheinen damit nicht ausgeräumt zu sein. Im Vorfeld des Treffens brachten einige Beobachter diese mit einer möglichen Retourkutsche gegen den AfD-EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah in Verbindung. Dieser hatte sich im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen für Zemmour ausgesprochen.

Allerdings könnte hinter dem Gebaren Le Pens möglicherweise eine weitergehende Strategie stecken. Inhaltlich hatte die Politikerin in der Vergangenheit durchaus Positionen vertreten, die selbst an Sellners Auffassungen zum „Assimilationsdruck“ erinnern. Noch 2012 forderte sie ein gesetzliches Verbot des Tragens von Kippa und Hidschab in der Öffentlichkeit. Zehn Jahre später milderte sie dies nach Protesten in eine Empfehlung an Juden ab. Diese sollten freiwillig auf das Tragen der Kippa verzichten, um mögliche restriktive Maßnahmen gegen das islamische Kopftuch nicht zu unterlaufen.

Jüngste Umfragen haben der mittlerweile dreimal gescheiterten Präsidentschaftskandidatin jedoch verbesserte Chancen für eine Zeit nach der Ära Macron bescheinigt. Dies setzt jedoch voraus, dass sich Le Pen noch deutlicher von extremen Positionen absetzt – und möglicherweise auch von internationalen Verbindungen.

Strebt Le Pen eine Fraktionsbildung mit Orbán oder der EKR an?

Im RN könnte man die AfD nun zunehmend als „schlechte Gesellschaft“ betrachten. Dies gilt umso mehr, als diese in Deutschland politischen Gegenwind erfährt. Der Verfassungsschutz könnte vor einer Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ stehen. In deutschen Städten gehen Hunderttausende Menschen gegen die Partei auf die Straße.

In Umfragen verliert die AfD an Boden, auch weil die linke Konkurrenz in Form von Sahra Wagenknechts BSW an Zuspruch gewinnt. Von einer Aussicht auf Regierungsbeteiligung ist sie weiter denn je entfernt. Marine Le Pen verspricht sich in dieser Situation möglicherweise mehr von einer Neugruppierung der ID-Fraktion im EU-Parlament.

Möglicherweise strebt sie sogar eine Neuformation nach den EU-Wahlen an. Ungarns FIDESZ ist derzeit fraktionslos und Viktor Orbán hat es bislang ausgeschlossen, mit Parteien zusammenzugehen, die in ihren Herkunftsländern als außerhalb des Verfassungsbogens stehend wahrgenommen werden.

Die von Polens PiS dominierte EKR-Fraktion könnte gleichzeitig die Fratelli d’Italia an die EVP verlieren. Bislang gilt allerdings die zum Teil militante Russophobie in der EKR als Streitpunkt zwischen ihr und den Formationen von Le Pen und Orbán.



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