„9-Millionen-Schweiz“: Die Eidgenossen und die Frage, wie viel Einwanderung richtig ist

Die Diskussion über Einwanderung in die Schweiz spitzt sich zu, da die Einwohnerzahl des Alpenlandes im vergangenen Jahr die 9-Millionen-Marke überschritten hat. In der Wirtschaft wächst die Skepsis gegenüber den hohen Zuwanderungszahlen.
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Zu viele Zuwanderer in der Schweiz?Foto: Istock KavalenkavaVolha
Von 3. Mai 2024

Die Schweiz ist attraktiv als Wohnort und Arbeitsstandort – das zeigen auch steigende Zuwanderungszahlen. Derzeit leben 100.000 Menschen mehr als noch vor einem Jahr in der Alpenrepublik. Auch steht die Schweiz ganz oben auf der Liste der Wahlheimatländer für deutsche Auswanderer. Darunter sind immer mehr prominente regierungskritische Gesichter. So der Finanzexperte und libertäre Influencer Dr. Markus Krall, der Arzt und Publizist Paul Brandenburg oder der Klinische Psychologe Professor Dr. Dr. Harald Walach.

Bei der Wahl der neuen Heimat spielt sicherlich auch eine Rolle, dass in der Schweiz Deutsch Amtssprache ist, die medizinische Versorgung hervorragend und zu erwartende Steuern so angelegt, dass mehr Netto vom Brutto bleibt als beispielsweise in Deutschland.

Die 9-Millionen-Schweiz

Vor zehn Jahren sprach sich die Schweizer Stimmbevölkerung für eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung aus und sagte „Ja“ zur Initiative der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) gegen Masseneinwanderung. Seinerzeit nahm die Bevölkerungszahl der Schweiz jedes Jahr um rund 80.000 Personen zu. Im Jahr 2023 waren es bereits rund 100.000.

Zählte die Schweiz 1995 noch 7 Millionen Einwohner, waren es 2022 bereits etwas über 8 Millionen. Mitte des Jahres 2023 wurde die 9-Millionen-Marke geknackt. Exakt waren es 9.006.664. Darin eingerechnet ist neben der ständigen auch die nichtständige ausländische Wohnbevölkerung, etwa Asylbewerber.

Zuzug übersteigt Akzeptanz der Bevölkerung

Diese sogenannte „9-Millionen-Schweiz“ ist zum Gegenstand von Diskussionen in der schweizerischen Politik und Gesellschaft insbesondere im Zusammenhang mit Fragen der Einwanderung, der Bevölkerungspolitik, der Infrastruktur und der Umwelt geworden.

Während diese hohe Zahl laut Verlautbarung der Schweizer Bundesverwaltung die wirtschaftliche Situation der Schweiz widerspiegele mit ihrer vergleichsweisen hohen Konjunktur, dem Fachkräftemangel und einer offiziellen Arbeitslosenquote 2023 von nur 2,2 Prozent, wächst mittlerweile auch in der Wirtschaft die Skepsis.

Der mächtigste Wirtschaftsverband der Schweiz, Economiesuisse, stellte über die vergangenen Jahre ausschließlich die Vorteile der Zuwanderung heraus. Diese sei unabdingbare Voraussetzung für den Wohlstand des Landes. Jetzt scheint beim Wortführer der Wirtschaft ein Umdenken stattzufinden. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder lässt erstmals öffentlich kritische Aussagen zur Zuwanderung hören und warnt:

„Wenn 100.000 Personen pro Jahr in die Schweiz ziehen, übersteigt das die Akzeptanz in der Bevölkerung.“ Die Zuwanderung habe in der jüngsten Vergangenheit in der Wahrnehmung von vielen Bürgerinnen und Bürgern ein Ausmaß angenommen, das so nicht weiter Bestand haben könne.

„Wir haben nie gesagt, es spiele keine Rolle, wie viele Personen zuwandern“, so der Rechtsanwalt. „Unsere Grundposition ist, dass wir hinter der Personenfreizügigkeit stehen.“

Die Personenfreizügigkeit in der Schweiz ist ein Grundsatz, der besagt, dass Bürger der Schweiz sowie Staatsangehörige der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) – also Island, Liechtenstein und Norwegen – das Recht haben, sich frei in den Mitgliedstaaten zu bewegen, dort zu arbeiten und zu leben. Dieses Prinzip wurde im Rahmen von bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU sowie den EFTA-Ländern vereinbart.

Zuwanderung werde es auch weiterhin brauchen, sagt Mäder im Gespräch mit dem schweizerischen „Tages-Anzeiger“ (Bezahlschranke). Die Schweiz müsse aber „das inländische Arbeitskräftepotenzial besser ausnutzen“. Christoph Mäder fordert zudem eine Ausbildungsoffensive, um möglichst viele Tätigkeiten mit höherer Wertschöpfung in der Schweiz zu halten.

Forderung nach Schutzklauseln für Zuwanderung in die Schweiz

Diese Kehrtwende des schweizerischen Wirtschaftsverbandes hatte sich schon Anfang April gezeigt. „Wir müssen heute feststellen, dass die Zuwanderung in den vergangenen Jahren im Schnitt zu hoch gewesen ist“, kritisierte der Economiesuisse-Chef im öffentlich-rechtlichen Fernsehen SRF. „Wir können nicht mehr der grenzenlosen Zuwanderung das Wort reden, sondern müssen respektieren, dass es Maßnahmen braucht.“

Das habe auch Auswirkungen auf die Verhandlungen, die der Schweizer Bundesrat mit der EU über den künftigen bilateralen Weg führt. „Wenn die EU tatsächlich ein neues Abkommen mit der Schweiz will, muss sie anerkennen, dass wir mit dem heutigen Ausländeranteil an der ständigen Wohnbevölkerung eine besondere Herausforderung haben“, so Mäder mit Verweis auf den hohen Ausländeranteil in der Schweiz von rund 27 Prozent. Er denkt dabei etwa an Schutzklauseln im Bereich der Zuwanderung.

Mäder betont aber den Wert der Personenfreizügigkeit und der bilateralen Verträge. Die Verhandlungen dazu mit der EU sollen noch vor Jahresende 2024 abgeschlossen werden. Dank ihnen, so Mäder, sei der Wohlstand in der Schweiz gestiegen. Wolle die Schweiz den Wohlstand sichern, sei sie aufgrund der demografischen Entwicklung auch weiterhin auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen.

Infrastruktur wächst nicht nach – internationale Konzerne profitieren

Die Kritik an der hohen Zuwanderung in die Schweiz weitet sich aus. Sogar die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) kritisierte die Zuwanderung als „zu hoch und zu schnell“. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran warnt beim SRF vor den Kosten einer unbegrenzten Zuwanderung. Denn das Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre habe zu einem gestiegenen Bedarf an öffentlicher Infrastruktur geführt.

„Die hohe Zuwanderung hat ihren Preis, sie hat reale Kosten zur Folge. Darüber wurde bisher viel zu wenig gesprochen und darüber redet man auch heute noch immer viel zu wenig.“ Die Städte kämen nicht mehr nach mit dem Bauen von Schulen und dem Ausbau der Infrastruktur.

Für die Sozialdemokratische Partei (SP) der Schweiz sind die Antreiber die Geschäftssitze internationaler Großkonzerne, die von den niedrigen Steuern in der Schweiz profitieren und immer mehr Arbeitnehmer ins Land holen.



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