400 hungernde Menschen sollen aus Madaja herausgebracht werden

Madaja ist seit rund einem halben Jahr von Regierungstruppen eingeschlossen. Der erste Hilfskonvoi könne nur ein Anfang sein, sagten UN-Diplomaten.
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Ein sehnlich erwarteter Hilfskonvoi erreicht das belagerte Madaja in Syrien. Den Helfern bietet sich ein erschreckendes Bild.Foto: ICRC/Pawel Krzysiek/dpa/Archiv/dpa
Epoch Times12. Januar 2016

New York/Damaskus (dpa) – Nachdem ein Hilfskonvoi erstmals wieder in das seit Monaten belagerte Madaja vordringen konnte, sollen 400 vom Hungertod bedrohte Menschen nun so schnell wie möglich aus der syrischen Stadt herausgebracht werden.

Diese Menschen seien fast tot und bräuchten dringend medizinische Hilfe, sagten UN-Diplomaten nach einer Sicherheitsratssitzung in New York. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen, die an dem Konvoi beteiligt waren, hätten zuvor eine Bestandsaufnahme der Lage in dem Ort und des Zustands der Menschen gemacht. Madaja ist seit rund einem halben Jahr von Regierungstruppen eingeschlossen. Der erste Hilfskonvoi könne nur ein Anfang sein, sagten UN-Diplomaten.

UN-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien informierte den Sicherheitsrat über die aktuelle Situation. Spanien und Neuseeland hatten um das Treffen gebeten. „Es ist ermutigend, dass ein Konvoi mit Hilfslieferungen in Madaja angekommen ist, aber das ist nur der Anfang“, sagte Neuseelands UN-Botschafter Gerard van Bohemen. „Wir brauchen ungehinderten und anhaltenden Zugang zu allen notleidenden Menschen in Syrien.“ Der syrische UN-Botschafter Bashar Jaafari betonte dagegen, es gebe gar keine Hunger leidenden Menschen in Madaja. Diese Berichte seien „erfunden“. Es gebe aber das Problem, dass Terroristen Hilfslieferungen stehlen würden.

Am Montag hatte die lebensrettende Hilfslieferung Tausende vom Hungertod bedrohte Bewohner in Madaja erreicht. Die ersten Lastwagen des Konvois mit insgesamt 330 Tonnen Nahrung und Medikamenten fuhren am Montagnachmittag in den seit einem halben Jahr von Regierungstruppen eingeschlossenen Ort, wie Pawel Krzysiek, Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Die Hilfe besteht neben Nahrung unter anderem aus Medikamenten für chronische Krankheiten, Schwangere und Säuglinge. Dem Syrischen Halbmond zufolge reicht sie aus, um die bis zu 40 000 Menschen in der westsyrischen Stadt 40 Tage lang zu versorgen.

Das UN-Büro für Nothilfekoordinierung (OCHA) berichtete in der Nacht zum Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter, die Entladung der Lastwagen sei auch nach Mitternacht noch weitergegangen.

Insgesamt starben in Madaja seit Dezember nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) mindestens 28 Menschen wegen Mangelernährung – darunter sechs Kinder im Alter unter fünf Jahren. Erst am Sonntag bestätigte MSF fünf Todesfälle. Neben den Zivilisten befinden sich nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte etwa 125 Kämpfer der Rebellen in der Stadt. Spannungen zwischen ihnen und der Bevölkerung gebe es nicht.

Zeitgleich zu der Hilfe für Madaja traf eine Lieferung in den von Rebellen belagerten Orten Fua und Kefraja im Nordwesten Syriens ein. Diese Dörfer werden von Regierungstruppen gehalten, auch dort war nach Angaben von Menschenrechtlern eine Person infolge der Blockade gestorben. Die Hilfslieferungen in Madaja und den beiden Dörfen gehen auf eine von den Vereinten Nationen vermittelte Abmachung zwischen dem Regime von Baschar al-Assad und Rebellen zurück.

Hilfsorganisationen konnten nach eigenen Angaben zuletzt im Oktober Lieferungen nach Madaja bringen. Aktivisten berichteten, die Menschen ernährten sich von Blättern, Hunden und Katzen. Bilder von bis auf die Knochen abgemagerten Menschen hatten international Entsetzen ausgelöst.

„Uns wurde gesagt, dass Essen geliefert wird, das wir fast drei Monate lang nicht hatten (…). Ich hoffe, es wird auch Brot dabei sein, weil ich den Geschmack vergessen habe“, sagte der zehnjährige Rami aus Madaja am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Der acht Jahre alte Hassan erzählte, er und seine Familie hätten in der vergangenen Woche nur von Wasser, Pfeffer und Salz gelebt: „Ich möchte Eier und Kartoffeln zum Abendessen haben.“

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte schätzt, dass sich bis zu 40 000 Menschen in Madaja aufhalten. Ärzte ohne Grenzen spricht von mehr als 20 000 Menschen. Eigentlich hat der Ort nur einige Tausend Einwohner, doch infolge von heftigen Kämpfen um die nahe Stadt Sabadani flohen viele Menschen nach Madaja.

Frankreich forderte eine rasche Öffnung der Stadt. Es sei eine „absolute Notwendigkeit, dass Syrien und Russland ihre militärischen Operationen gegen die Zivilbevölkerung beenden“, sagte Außenminister Laurent Fabius in Paris.

Ärzte ohne Grenzen hatte am Sonntag regelmäßige Hilfseinsätze für Madaja und die anderen eingeschlossenen Orte gefordert. „Eine einzelne Lieferung wird das Problem nicht lösen“, sagte der stellvertretender medizinische Direktor Tammam Aludat.

Das gezielte Aushungern von Zivilisten gilt völkerrechtlich als Kriegsverbrechen. Schon im Juni 2015 hatte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in einem Bericht zur Lage im Bürgerkriegsland Syrien darauf hingewiesen, dass alle Konfliktparteien systematisches Aushungern wie in der Stadt Madaja als Kampfmethode einsetzen.

Die Organisation World Vision International berichtete unter Berufung auf die Vereinten Nationen, insgesamt benötigten rund 400 000 Menschen in Syrien dringend Lebensmittel, Trinkwasser und Medizin.



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