2030 soll Tunnel zwischen Spanien und Marokko fertig sein

Seit 1930 gibt es die Idee, den europäischen mit dem afrikanischen Kontinent durch einen Tunnel zu verbinden. Die geologischen Voraussetzungen sind extrem schwierig. Nun soll der Tunnel bis zur WM 2030 fertig sein. Ob das gelingt, ist unklar.
Felsen von Gibraltar im Mittelmeer
Die Straße von Gibraltar ist eine 14 Kilometer breite Meerenge zwischen Marokko und Spanien. Hier der Felsen von Gibraltar.Foto: iStock/AlexKane
Von 24. November 2024

Um Flüchtlingen aus Afrika „einen sicheren Weg nach Europa“ zu bieten, werde derzeit unter der Straße von Gibraltar ein Tunnel von Marokko nach Spanien gebaut. Das behauptet eine Sprecherin in einem Video, das sich derzeit auf  „X“ verbreitet.

Weiter heißt es im Clip, dass die Flüchtlinge, „weil es in Afrika keine Sozialleistungen gibt“ von Madrid aus mit Lufthansa nach Deutschland geflogen werden. Außerdem sei Deutschland zu 80 Prozent an den Baukosten für den Tunnel beteiligt. Ein Betrag wird nicht genannt, die Worte der Sprecherin begleiten Kameraaufnahmen von einem gigantischen unterirdischen Tunnel.

Angesichts der unpräzisen Ausführungen in dem Video bleiben Fragen offen. Epoch Times hat sich auf die Spuren des vermeintlichen Tunnelbaus gemacht und ist zu ganz anderen Schlussfolgerungen gelangt.

Erste Ideen für einen Tunnel gab es bereits 1930

Richtig ist, dass unter der Straße von Gibraltar ein Tunnel entstehen soll, um Spanien und Afrika schnell miteinander zu verbinden. In fünfeinhalb Stunden wäre es dann möglich, von Madrid ins marokkanische Casablanca zu gelangen. Mit Auto und Fähre sind Reisende aktuell etwa die doppelte Zeit unterwegs. Mit dem Flugzeug ist man zwei Stunden in der Luft. Hinzu kommen die Transfer-Zeiten.

Das Tunnelprojekt trägt den Namen „Euro Africa Gibraltar Straight Fixed Link“. Schon lange vor der Namensgebung gab es erste Überlegungen, die beiden Länder, die an der schmalsten Stelle nur etwa 14 Kilometer auseinanderliegen, in rund 460 Meter Tiefe miteinander zu verbinden. Konkrete Ideen gehen auf das Jahr 1930 zurück.

Doch das Ergebnis von Untersuchungen war ernüchternd. Das Gestein war zu hart. Mit den damaligen technischen Möglichkeiten war es praktisch ausgeschlossen, es zu durchbohren. Der Plan vom Bau eines Tunnels war auf Jahrzehnte gestorben.

Knapp 50 Jahre später wurde die Idee 1979 wieder aufgegriffen. Bis 1981 lagen einige Machbarkeitsstudien auf dem Tisch. Die damals amtierende Regierungschefin Großbritanniens, Margaret Thatcher (1925–2013) wollte unbedingt eine Route über das britische Überseegebiet Gibraltar berücksichtigt haben. Doch das war vollkommen unpraktisch, und so verschwanden die Pläne wieder in einer Schublade.

Der Tunnel sollte der Suezkanal des 21. Jahrhunderts werden

Es gingen weitere rund zwei Jahrzehnte ins Land, bis Spanien und Marokko den Bau der Verbindung 2004 schriftlich miteinander vereinbarten.

Der damalige spanische Entwicklungsminister Francisco Alvarez-Cascos (heute 77), einer der Unterzeichner der Vereinbarung, sagte, dass der Tunnel „im 21. Jahrhundert das sein wird, was der Suezkanal im 19. und der Panamakanal im 20. Jahrhundert waren“.

Auf marokkanischer Seite unterschrieb der damalige Verkehrs- und Transportminister Karim Ghellab (57) das Abkommen für das ehrgeizige Projekt, das eine durchgehende Zugverbindung zwischen dem Norden Schottlands und Afrika bedeutet hätte.

Zunächst war ein Programm mit technischen Tests und Studien vorgesehen, jeweils 27 Millionen Euro hatten die Länder für die Dauer von drei Jahren vorgesehen. Weitere zwei Jahre später sollten die Bauarbeiten beginnen.

Damals hieß es, dass der Tunnel etwa 24 Meilen (ca. 39 km) lang sein sollte. 17 Meilen (ca. 27 km) davon sollten in 100 bis 300 Meter unter den engen und turbulenten Gewässern der Meerenge, die den Atlantischen Ozean mit dem Mittelmeer verbindet, liegen. Bei den Gesamtbaukosten gingen die Kalkulationen mit drei bis zehn Milliarden Euro weit auseinander. Daher wollte man sich bei der Europäischen Union um finanzielle Unterstützung bemühen.

2006 erhielt das Schweizer Tiefbauunternehmen Lombardi Engineering GmbH den Auftrag für die Planungen. Der Chef des Ingenieurbüros, Giovanni Lombardi (1926–2017), schätzte die Baukosten auf etwa 7,5 Milliarden Euro.

Die Fachleute entwickelten verschiedene Möglichkeiten, um die Meerenge zu überwinden. Dazu gehörten Überlegungen für eine Brücke. Weil es aber unmöglich war, Stützpfeiler in 300 Meter Wassertiefe zu bauen, wurde diese Idee ebenso verworfen wie eine schwimmende Brücke. Diese kam wegen der vielen Schiffe, die die Meerenge passieren, nicht infrage. Auch einen Tunnel aus Fertigteilen verwarfen die Ingenieure wegen des instabilen Meeresbodens und der starken Strömungen wieder.

Neuer Ansporn wegen der Fußball-WM 2030

Schon die Beschaffenheit des Meeresbodens zu ergründen, stellte eine Herausforderung dar. Besatzungen, die die geologischen Gegebenheiten erforschen sollten, gaben wegen der starken Strömungen nach einer Woche auf. Die Schiffe waren angesichts der Strömungen in der Meerenge nicht in der Lage, sich in einer stabilen Position zu halten.

Die Vorplanungen für das Projekt sollten 2008 abgeschlossen sein. In Folge sollte ein 4,8 Meter breiter Erkundungstunnel entstehen. Doch die Zweifel an der Durchführbarkeit angesichts der geologischen Situation in dem Erdbebengebiet waren weiterhin groß. So ruhte das Projekt erneut rund 15 Jahre, bis es 2023 wiederbelebt wurde.

Der Grund dafür ist die für 2030 geplante Fußball-Weltmeisterschaft, bei der es mit Spanien, Portugal und Marokko erstmals drei Gastgeber auf zwei Kontinenten geben wird. Steht der Tunnel bis dahin, könnten die Fans schnell die Austragungsorte erreichen.

Erneute Forschungen zur Durchführbarkeit laufen

Wie das Magazin „Forbes“ im Sommer 2024 schrieb, hat die marokkanische Nationale Gesellschaft für Meeresengen  (SNED) bekannt gegeben, dass sie mit der Erforschung der Durchführbarkeit des Projekts mit dem Namen Euro Africa Gibraltar Straight Fixed Link begonnen hat. Spanien habe entsprechende Studien bereits im vergangenen Jahr unter der Schirmherrschaft der Spanischen Gesellschaft für feste Kommunikationsstudien über die Straße von Gibraltar (SECEGSA) auf den Weg gebracht.

Ein weiterer Grund für die Wiederaufnahme ergab sich, nachdem Marokko 2023 sein erstes Hochgeschwindigkeitsbahnprojekt fertiggestellt hatte. Der Zug verbindet Casablanca mit Tanger und ist die schnellste Verbindung auf Schienen auf dem afrikanischen Kontinent. Dies zeige, dass das Land bereit für eine weitere große Herausforderung im Schienenverkehr sei.
Wie „The Portugal News“ schreibt, könnten die hohen Belastungen für den Flugverkehr während der Fußball-WM dazu führen, dass der Tunnel nun tatsächlich realisiert wird. Spanien habe eine Finanzierung von 2,3 Millionen Euro für eine Designstudie angekündigt. Das Geld stellt die Europäische Union im Rahmen des Plans für Wiederaufbau, Umgestaltung und Widerstandsfähigkeit bereit.

Es bleiben viele Bedenken

Doch bleiben nach wie vor viele Bedenken an der Umsetzbarkeit. So wirke sich der Tunnelbau womöglich massiv auf das einzigartige Ökosystem in der Straße von Gibraltar aus. Maßnahmen zur Minimierung von Umweltschäden müssten ebenso geprüft werden, wie Schutzzonen für die Tiere, Strategien zur Lärmreduzierung oder Überwachungsprogramme nach dem Bau.
Dass der Tunnel zwischen Europa und Afrika beiden Kontinenten Vorteile bringt, daran bestehen laut „The Portugal News“ kaum Zweifel. Ob der Bau letztlich aber wirtschaftlich sei, ist schwer voraus zu sagen. Es hänge ab von Faktoren wie Bau- und Wartungskosten sowie voraussichtlichen Einnahmen aus dem Handels- und Verkehrsaufkommen.
Zweifel gibt es beim Ziel 2030. Die Zeitung vergleicht das Projekt mit dem Bau eines zweiten Flughafens in Lissabon, der ebenfalls bis 2030 fertig sein soll – so alles problemlos läuft. Ein 14 Kilometer langer Tunnel unter der Straße von Gibraltar sei hingegen ein wesentlich anspruchsvolleres Vorhaben als ein Flughafen.
Somit lässt sich zu dem Video auf „X“ zusammenfassend sagen: Es stimmt nicht, dass der Tunnel bereits im Bau ist und als Transferstrecke für Flüchtlinge aus Afrika dienen soll. Der Film zeigt eine andere unterirdische Baustelle, da bislang keine Arbeiten im Gange sind.
Es ist auch nicht richtig, dass Deutschland 80 Prozent der Kosten des Baus trägt. Zwar wird im Artikel von „The Portugal News“ am Ende kurz darüber spekuliert, dass die Europäische Union das Projekt finanzieren könnte, da somit der Flugverkehr reduziert werde. Doch bislang ist dazu noch nichts offiziell.


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