200.000 Kurden auf der Flucht – in der Türkei vor der türkischen Armee

Etwa 200.000 Kurden sind auf der Flucht aus der Türkei. Die türkische Regierung hat einen Armee-Großeinsatz gegen die Südost-Türkei begonnen und geht mit Panzern gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK vor. In der Südosttürkei sind inzwischen mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen.
Titelbild
Straßenkampf innerhalb der Türkei: Mit Panzern und 10.000 Mann kämpft die Regierung gegen die Arbeiterpartei PKK. 200.000 Kurden sind auf der Flucht.Foto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images
Epoch Times22. Dezember 2015

Die nächste Flüchtlingswelle kann direkt aus der Türkei kommen: Nach Angaben der Deutschen Wirtschaftsnachrichten sind 200.000 Kurden auf der Flucht aus der Südost-Türkei. Mittlerweile wurde in 17 Städten eine Ausganssperre verhängt, ca. 10.000 Polizisten und Soldaten sind im Einsatz.

Dwn schreibt weiter: "Die Betroffenen vor Ort beschreiben kriegs- ähnliche Zustände. Zahlreiche Opfer sind zu beklagen. Die Geflüchtete Derya T. sagte der Zeitung Today’s Zaman: ‚Wir hatten kein fließendes Wasser mehr und die Stromtransformatoren sind explodiert. Ich habe sieben Kinder, sie können nicht mehr die Schule besuchen. Sie sind verstört. Wir mussten das Wasser trinken, das wir normalerweise auf der Toilette benutzen. Meine Kinder sind erkrankt, einschließlich des Jüngsten, der noch in den Windeln liegt. Ich konnte sie nicht ins Krankenhaus bringen. Schließlich habe ich Kinder bei verschiedenen Verwandten untergebracht. Unsere Häuser sind voll von Einschusslöchern.’"

Und: "Die Geflüchtete Ekrem Ş. berichtet Today’s Zaman, dass seine 11-jährige Tochter von einer Kugel getroffen wurde, als sie Brot holen ging. Ihr Körper soll 15 Minuten am Boden gelegen sein, bevor jemand zu ihr gehen konnte. Denn die Menschen trauen sich nicht mehr auf die Straße. „Ich habe jetzt nur noch zwei Kinder. Wir befinden uns in einer schlimmen Lage“, so der Mann. Er hätte seine Familie schon längst aus dem Konfliktgebiet weggeschafft. Doch ihm fehlen die finanziellen Mittel."

Panzer in kurdischen Wohngebieten

102 PKK-Kämpfer seien seit Mittwoch in den Provinzen Sirnak, Diyarbakir und Mardin getötet worden, meldeten die Nachrichtenagenturen Anadolu und DHA übereinstimmend unter Berufung auf Sicherheitskreise. Nach Angaben der Armee erhöhte sich die Zahl der getöteten Soldaten am Sonntag auf drei. Die PKK-nahe Agentur Firat berichtete, acht Zivilisten seien ums Leben gekommen.

Die Armee kündigte an, die Einsätze würden fortgesetzt, „bis öffentliche Ordnung hergestellt ist“. Die Militäreinsätze finden in kurdischen Städten statt, in denen seit Tagen Ausgangssperren gelten. Nach Angaben von Augenzeugen setzt die Armee in den Wohngebieten auch Panzer und Scharfschützen ein, obwohl Zivilisten anwesend sind.

Menschenrechtsverletzungen durch Regierungstruppen

Grünen-Chef Cem Özdemir warf der politischen Führung in Ankara Menschenrechtsverletzungen vor. „Es wird eine Art Krieg geführt gegen die eigene Bevölkerung“, sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur. Die gegen die PKK im Südosten der Türkei eingesetzten Spezialkräfte hätten völlig freie Hand. „Sie können verhaften, wen sie wollen, foltern, wen sie wollen, töten, wen sie wollen. Da kann man nicht von Menschenrechten oder Rechtsstaatlichkeit sprechen.“

Özdemir kritisierte die tagelangen Ausgangssperren, die die islamisch-konservative AKP-Regierung seit dem Sommer immer wieder über Teile der Kurdengebiete verhängt. „Kollektivstrafen für die Bevölkerung widersprechen grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien und sind verbrecherisch“, sagte der türkischstämmige Politiker.

Die türkische Regierung weist die Vorwürfe zurück

Die Regierung in Ankara weist solche Vorwürfe zurück. Die Ausgangssperren seien „ein letztes Mittel“, um zwischen Zivilisten und PKK-Kämpfern zu unterscheiden, sagte ein hochrangiger Beamter. „Wir unternehmen alles, was wir können, um die Auswirkungen der Ausgangssperren für Zivilisten so gering wie möglich zu halten.“ Die PKK dagegen missbrauche Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“.

Özdemir wies Ansinnen aus der Bundesregierung zurück, die Türkei als „sicheres Herkunftsland“ einzustufen. Zugleich warnte er die EU davor, Kritik am türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zurückzuhalten, damit dieser in der Flüchtlingskrise kooperiert: „Das Ziel, Flüchtlinge um jeden Preis aus der EU fernzuhalten, trägt zum Machtzuwachs Erdogans bei. Der Abbau von Freiheiten wird achselzuckend zur Kenntnis genommen. Es darf keinen Persilschein für Erdogan geben. Das wäre ein Verrat europäischer Überzeugungen.“

Die türkische Menschenrechtsvereinigung IHD appellierte an die EU, sich in den eskalierenden Konflikt zwischen Regierung und PKK einzuschalten. Der IHD-Vertreter für die Südosttürkei, Abdusselam Inceören, forderte die Entsendung einer EU-Delegation in das Konfliktgebiet, um Menschenrechtsverletzungen zu prüfen. Inceören kritisierte, die EU übe zu wenig Druck auf den Beitrittskandidaten und Nato-Partner Türkei aus, damit der die Gewalt beendet. (dpa/ks)



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