100 Prozent Voodoo-Anhänger in Haiti: Die Bedeutung der Volksreligion bis heute
Am Abend des 14. August 1791 trafen sich in einem Wald in Haitis Bergen Sklaven von den umliegenden Plantagen zu einer Zeremonie ihrer Religion Voodoo. Nach überlieferten Schilderungen opferte die Priesterin Cécile Fatiman dem Geist Ezili Dantor ein schwarzes Schwein. Der Priester Dutty Boukman rief dazu auf, sich an den weißen Sklaventreibern zu rächen.
Für viele Haitianer ist die nach dem Ort des Geschehens benannte Bois-Caïman-Zeremonie der wahre Start der Revolution, die Tage später ausbrach und 1804 in Haitis Unabhängigkeit mündete.
Vodou-Anhänger von Polizei schikaniert
In Haiti, so ein oft bemühter Spruch, sind 70 Prozent der Menschen Katholiken, 30 Prozent Evangelen und 100 Prozent Voodoo-Anhänger – so zentral ist der Glaube als Volksreligion für ihr Selbstverständnis. Dennoch wurde Voodoo erst vor 20 Jahren in dem Karibikstaat offiziell als Religion anerkannt.
Vor 20 Jahren, am 7. April 2003 – zum 200. Todestag des Freiheitskämpfers Toussaint L’Ouverture – verfügte der damalige haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide die rechtliche Gleichstellung des Voodoo mit den christlichen Konfessionen.
Seitdem trauten sich die Menschen in Haiti etwas mehr, öffentlich über Voodoo zu sprechen, sagt Kyrah Malika Daniels, Assistenzprofessorin für Afro-Amerika-Forschung an der Emory University in den USA. „Aber im Großen und Ganzen wird die Religion nach wie vor unglaublich entwertet, dämonisiert und missverstanden.“ Die Anhänger würden von der Polizei schikaniert.
Vermischung von Religionen
Im 17. und 18. Jahrhundert wurden Hunderttausende Afrikaner als Sklaven nach Haiti verschleppt. In Westafrika, in der Gegend des heutigen Benin, hatte der Voodoo seinen Ursprung. Auf den Zuckerrohrplantagen Haitis tarnten die Sklaven ihren Kult, weil die weißen Herrscher versuchten, das Christentum unter ihnen durchzusetzen. So entstand ein sogenannter Synkretismus: die Vermischung zweier Religionen. Heute entspricht fast jedem der Naturgeister im Voodoo – den „Loa“ – ein katholischer Heiliger.
Als in Haiti durch die Sklavenrevolution die erste von Schwarzen geführte Republik der Welt entstand, wurde dies in der weißen Welt als Bedrohung aufgefasst. Haiti galt als das Land blutdürstiger Teufel, nicht zuletzt in Hollywood – der Begriff „Zombies“ kommt vom haitianischen Voodoo-Glauben.
Aber auch im unabhängigen Haiti hatte die Voodoo-Religion einen schweren Stand. Doch der Glaube, dass Anführer des Aufstands zu Gottheiten werden könnten, war weit verbreitet, wie der emeritierte Afrikanistik-Professor und Mitherausgeber des „Journal of Haitian Studies“ in den USA, Patrick Bellegarde-Smith – selbst ein Voodoo-Priester – im Buch „Fragments of Bone“ schreibt: „Sobald sie jedoch an der Macht waren, verboten die Generäle/Präsidenten aus Angst vor der nachgewiesenen Macht der Religion diese, um ihren eigenen Machterhalt zu sichern oder um die (europäische) Weltöffentlichkeit zu beschwichtigen.“
„Dutzende Voodoo-Priester lehren an US-Hochschulen“
Noch heute werden laut Daniels Voodoo-Anhänger dämonisiert und verfolgt. Insbesondere haitianische Protestanten fühlten sich durch diese bedroht. Sie verweist auf einen Bericht, dem zufolge nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 Voodoo-Anhänger, die mit Gesang die Geister um Hilfe gebeten hätten, niedergeschrien wurden.
Man habe ihnen vorgeworfen, das Beben ausgelöst zu haben, sagt Daniels. „Als wir 2021 im Süden des Landes noch ein schweres Erdbeben hatten, waren die Leute wieder schnell dabei, dem Voodoo die Schuld zuzuschieben.“
Zunehmend neue Anhänger findet die Religion laut Bellegarde-Smith in den USA unter jungen Menschen haitianischer Herkunft. Er führt das auf einen Stolz auf die haitianische Identität in Abgrenzung zu anderen Einwanderergruppen zurück. Dutzende Voodoo-Priester hätten heute Doktortitel und lehrten an US-Hochschulen, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. (dpa/il)
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