Aufrüstung als Wirtschaftsmotor: Habeck fordert Vorbereitung auf „Landkrieg“

Nach den Vorstellungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll Deutschland deutlich mehr Geld in die militärische Aufrüstung stecken, am besten finanziert über Kredite. Er glaubt an positive Effekte für den schwächelnden Ex-Exportweltmeister.
Ein Mitarbeiter von Rheinmetall arbeitet an einem Panzer vom Typ Fuchs.
Robert Habeck erwartet positive Effekte für die schwächelnde deutsche Wirtschaft durch militärische Aufrüstung. Im Bild ein Mitarbeiter von Rheinmetall an einem Panzer vom Typ Fuchs.Foto: Swen Pförtner/dpa
Von 22. März 2024

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will Deutschland offenbar mit viel Geld fit für einen „Landkrieg“ machen. Zugleich sieht er die Notwendigkeit, die Menschen in Deutschland dazu zu bringen, wieder „Vertrauen in die Zukunft“ zu gewinnen.

Habeck machte sich in einem Interview auf der Medienkonferenz „Europe 2024“ in Berlin am Abend des 20. März 2024 dafür stark, deutlich mehr Finanzmittel in die militärische Aufrüstung zu pumpen. Diesen Preis werde man ohnehin „irgendwann bezahlen müssen“. Auch „Europa“ müsse „seine eigenen Hausaufgaben in der Wehrhaftigkeit machen“, forderte Habeck.

Auf „Landkrieg“ vorbereiten

Als Deutschland im Wendejahr 1990 als „eines der hochgerüstetsten Länder Europas“ abgerüstet habe, sei man davon ausgegangen, dass eine Armee nur noch für „militärische Polizeieinsätze irgendwo anders auf der Welt“ gebraucht werden würde. Doch jetzt sei die Lage eine andere:

Dass jetzt auf einmal wieder der Landkrieg zurückgekommen ist, darauf sind wir nicht vorbereitet. Und das müssen wir tun. Und wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Amerikaner immer für alles die Zeche zahlen beziehungsweise das Material zur Verfügung stellen.“

Es gehe nun darum, die „Hochskalierung der militärischen Produktion, der Wehr- und Rüstungsindustrie“ und die „Einsatzszenarien zur Landesverteidigung“ umzusetzen. Unabhängig davon, ob Donald Trump die US-Wahl am 5. November gewinnen werde, müssten diese Szenarien „jetzt alle wieder reaktiviert werden“, so der Wirtschaftsminister.

Im Zweifelsfall riskieren wir nichts, wenn wir es tun. Wir riskieren enorm viel, wenn wir uns darauf ausruhen, dass wir es nicht tun.“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verlangte auf der „Europe 24“-Medienkonferenz am 20. März 2024 mehr Geld für Militärinvestitionen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verlangte auf der „Europe 24“-Medienkonferenz am 20. März 2024 mehr Geld für Militärinvestitionen. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Tagesspiegel

Kein Freund der Schuldenbremse: „Mehr Pragmatismus gönnen“

Habeck verwies bei der Frage nach der Finanzierung auf die aus seiner Sicht noch immer relativ niedrige Verschuldungsquote der Bundesrepublik. Diese liege derzeit bei 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Statt „Glaubenssätzen“ nachzuhängen, könne man auch Zahlen betrachten: Ein Prozent BIP entspreche in etwa 40 oder 41 Milliarden Euro. Dies bedeutet für ihn allerdings auch „ein Prozent mehr Flexibilität“. Und:

Für die Kapitalaufnahme der öffentlichen Hand macht es jetzt keinen Unterschied, ob wir 64 oder 63 Prozent haben.“

Er hoffe darauf, dass es „in einem gemeinsamen Vorgehen mit […] der Opposition“ vielleicht gelingen könnte, sich „mehr Pragmatismus zu gönnen bei der Lösung von Problemen“, meinte der studierte Philosoph.

Er habe jedenfalls eine „ganz andere Idee von der Finanzarchitektur“, sagte Habeck, ohne den Namen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) auszusprechen. „Aber vor allem will ich, dass die Probleme gelöst werden.“

Wenn diese Probleme durch die „Regeln, die wir uns gegeben haben, größer werden oder nicht gelöst werden“, brauche Deutschland „in der ersten Welle ja gar nicht so ganz viel, um erst mal wieder in Gang zu kommen“, beschwichtigte der Grüne. Dazu gehörten für ihn beispielsweise die Unterstützung der Ukraine und das Anschieben der innerdeutschen Produktion. „Das muss doch möglich sein, da irgendwie vielleicht in eine gewisse Dynamik reinzukommen.“

„Die Hälfte des BIP-Wachstums hängt am Export“

Derzeit befinde sich das Land tatsächlich „in einer Phase der wirtschaftlichen Schwäche“, stellte Habeck fest:

Exportweltmeister waren wir mal.“

Als Gründe für den Abschwung nannte der Minister das fehlende Gas aus Russland und die große Abhängigkeit Deutschlands vom derzeit ebenfalls schwächelnden Weltmarkt: „Die Hälfte des BIP-Wachstums hängt am Export.“

Zur Kompensation empfahl er immer wieder steuerliche Investitionen für die Bundeswehr: „Natürlich ist die Produktion von militärischen Gütern auch Produktion“, so Habeck, „und Wertschöpfung schafft das natürlich auch“. Mehr Geld für die Rüstung auszugeben, bedeute „erst mal nicht unbedingt“, dass woanders gespart werden müsse.

Vertrauen erzeugen statt Steuern erhöhen

Bei dem aktuellen Investitionsbedarf sei es aus seiner Sicht „ökonomisch nicht richtig, die Steuern groß zu erhöhen“ oder „jetzt“ die Staatsquote anzuheben:

Wir müssen ja die Menschen eher dazu bringen, wieder zu investieren, zu konsumieren, Vertrauen in die Zukunft zu haben und dann entsprechend weniger zu sparen und mehr auszugeben.“

Rekurrierend auf die hohen Aufrüstungs- und Investitionskosten bei gleichzeitigem Schwächeln des „deutschen Geschäftsmodells“ (O-Ton des Interviewers) räumte Habeck ein, dass Panzer, Raketen „oder die Cyber-Security-Sachen“ durchaus „einen Preis haben“ werden. „Darüber müssen wir uns klar sein.“

Er wünsche sich auch, dass die Militärgerätschaften abgesehen von „ein bisschen Trainieren“ nie zum Einsatz kämen. „Und trotzdem brauchen wir sie“. Auch Feuerwehrleute würden schließlich nicht darauf hoffen, dass es brenne, und trotzdem werde Geld für Feuerwehrautos ausgegeben, argumentierte Habeck. Nach seinen Vorstellungen werde man in der Zukunft auf die Geldbeutel wohlhabender Bürger zurückgreifen, kündigte der Minister an:

Wenn wir es jetzt kreditfinanziert machen würden, müssten wir die Kredite ja auch zurückzahlen. Sicherlich ein bisschen durch Wachstum, aber vielleicht auch später dann durch eine Belastung derjenigen, die es sich leisten können.“

US-Wirtschaft und DARPA als Vorbild

Zuvor hatte Habeck den Blick in Richtung USA gelenkt. „Viele Impulse der amerikanischen Wehrindustrie kommen der Wirtschaft zugute“, betonte der Minister. Produktions- und Innovationskraft würden „durch militärische Forschung“ gesteigert. Daher stammten auch sehr viele Alltagsinnovationen.

Als Vorbild für seine Aufrüstungspläne nannte Habeck die Arbeitsweise der „Defense Advanced Research Projects Agency“ (DARPA), der US-amerikanischen Einrichtung für militärische Forschungsprojekte. Diese gebe ihren Mitarbeitern vier Jahre Zeit, um eine Aufgabe zu lösen. Auch wenn sie danach kein Ergebnis vorweisen könnten, werde dies nicht als Versagen aufgefasst. „Sondern man setzt noch mal neu an und sagt: ‚Der Weg, der führt nicht, jedenfalls nicht in vier Jahren, zur Lösung des Problems‘.“

In Zeiten knapper Finanzen und knapper Arbeitskräfte könne die militärische Produktion auch durchaus zu „Konkurrenzsituationen auf dem Arbeitsmarkt“ führen, malte Habeck ein Bild, das Assoziationen zu einem Vollbeschäftigungsszenario weckte.

Vorstellungen, nach denen der vermehrte Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) auch zu höheren Arbeitslosenzahlen führen könne, erteilte Habeck sogleich eine Absage: „Bisher ist technische Innovation nie damit einhergegangen, dass Leute weniger arbeiten mussten“. Die Arbeit werde zwar „anders, aber sie wird nicht weniger“, prophezeite er. Als Beispiel verwies der Grüne auf die Entwicklung des deutschen Landwirtschaftssektors in den vergangenen 150 Jahren.

Das derzeitige deutsche „Produktionskapazitätsproblem“ rühre vor allem vom zu geringen Kapitalstock und vom „Potenzial an verfügbarer Arbeitskraft“ her. Beidem gelte es, entgegenzusteuern.

US-Wahl „noch lange nicht entschieden“

Das „Herbeischreiben des Wahlsiegs von Donald Trump“ in den USA sei „sehr, sehr gefährlich“, meinte Habeck. Außerdem sei die Lust daran „nicht begründet“, die US-Wahl sei ja „noch lange nicht entschieden“. Die Demokraten würden es dem republikanischen Spitzenkandidaten seiner Einschätzung nach „noch ordentlich schwer machen“.

Das nächste Dreivierteljahr wolle die Bundesregierung nutzen, um im Bereich der Industriegüter wieder „gemeinsame handelspolitische Grundlagen“ mit der Regierung Joe Biden zu schaffen. Mit Donald Trump würde das „schwierig werden“.

Wegen „globaler Unordnung“: Zeitenwende nötig

„Hinter den Kulissen“ würden aber bereits „eine Reihe von Szenarien“ vorbereitet. Diese hätten weniger mit einem Trump-Sieg, sondern mit der „Notwendigkeit einer Zeitenwende“ zu tun. Dieses Wort beziehe sich im Übrigen nicht auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine, sondern auf „eine neue Phase der globalen Ordnung“ oder auch der „globalen Unordnung“, so Habeck unter ausdrücklichem Verweis auf eine Wortschöpfung des Politikwissenschaftlers Prof. Herfried Münkler. Später sagte er, dass es für ihn heute „völlig irrelevant“ sei, „was im Wahlprogramm von 1984“ stehe.

Die vergangenen Wochen mit ihren Taurus-Debatten seien „nicht gut“ gewesen, weil die Regierung und die „demokratische Opposition“ kein einiges Bild nach außen vermittelt hätten. Von dieser Uneinigkeit profitiere Wladimir Putin. Dessen Kriegsziele seien noch immer „unklar“.

Klar sei allerdings, dass Putin die fortwährenden westlichen Diskussionen als Schwäche betrachte. „Die politische Klasse der demokratischen Mitte“, müsse deshalb „besser werden“ und ihre „Einzelentscheidungen […] leise und dann entschlossen […] vertreten“, mahnte der Vizekanzler. Als er angesichts des „historischen Moments“ an die „Geschlossenheit der Demokraten“ appellierte, rührten sich nur wenige Hände zum Applaus im Publikum.

„Danke, dass ich hier das Licht ausmachen darf“

Zu Beginn seines Interviews mit Roman Pletter, dem Ressortleiter Wirtschaft bei der „Zeit“, hatte Habeck versichert, dass der Strom im Saal „absolut sicher“ sei. Danach folgte ein doppeldeutiger Scherz des Ministers, der sich auf der „Europe 24“-Konferenz als letzter Interviewgast zur Verfügung gestellt hatte: „Danke, dass ich hier das Licht ausmachen darf.“

Den Videomitschnitt des Interviews finden Sie in voller Länge auf „YouTube“.

Bei der Konferenz „Europe 2024“ handelte es sich um eine gemeinsame Veranstaltung der deutschen Blätter „DIE ZEIT“, „Handelsblatt“, „Tagesspiegel“ und „WirtschaftsWoche“. Ziel des zweitägigen Treffens in Berlin war es nach Angaben des „Tagesspiegel“, „Europäer:innen zu aktuellen und brisanten Themen miteinander ins Gespräch“ zu bringen.



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