Asylwende lässt auf sich warten: Gesetze und Anträge nun im Innenausschuss des Bundestags

Der kurzfristig von der Unionsfraktion eingereichte Antrag auf sofortige Zurückweisung von Asylwilligen, die Deutschland über einen sicheren Drittstaat erreichen, ist vom Bundestag in den Innenausschuss überwiesen worden – so wie sämtliche Gesetzentwürfe der Ampel für ein neues „Sicherheitspaket“ auch. Jetzt heißt es also warten.
Die Zahl der Abschiebungen steigt. (Archivbild)
Der Union-Antrag über sofortige Zurückweisung von Asylwilligen landet in den Innenausschuss. (Symbolbild)Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 12. September 2024

Der Bundestag hat am 12. September 2024 die beiden Gesetzentwürfe der Bundesregierung über neue Sicherheitsmaßnahmen in der Migrationspolitik zur weiteren Beratung in den federführenden Innenausschuss überwiesen. Rechtssicher „in der Sache“ beschlossen wurde in dieser ersten Beratungsrunde des Parlaments noch nichts. Auch ein Gegenentwurf der Unionsbundestagsfraktion („Zustrombegrenzungsgesetz“) wurde lediglich in den Ausschuss überwiesen.

Für die zweistündige Plenardebatte hatten sowohl die Unions- als auch die AfD-Fraktion zudem je einen eigenen Antrag für eine sofortige Kehrtwende in der deutschen Migrationspolitik eingereicht. Auch diese wurden gegen den Widerstand der antragstellenden Fraktionen an den Innenausschuss weitergereicht.

Es wird somit wohl noch Wochen dauern, bis eine strengere Marschrichtung im Hinblick auf Asyl und Zurückweisungen Gesetzeskraft erlangen könnte.

Kurzfristiger Antrag der Unionsfraktion

Die CDU/CSU-Fraktion hatte ihren Antrag „Für eine echte Wende in der Asyl- und Migrationspolitik – Zurückweisungen an den deutschen Grenzen vornehmen“ erst am Vortag eingebracht (BT-Drucksache 20/12835, PDF).

Kernstück ist die seit Wochen geäußerte Forderung von Oppositionschef Friedrich Merz (CDU), „umgehend auch solche Personen an den Binnengrenzen zurückzuweisen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Schengen-Raums bereits Aufnahme gefunden haben oder die einen Asylantrag auch in einem Staat, aus dem sie einreisen wollen, stellen können“.

Insbesondere die Grünen im Bundestag hatten eine solche Regelung stets unter Verweis auf hohe rechtliche Hürden abgelehnt. Die Grünen-Basis führt derzeit unter dem Titel „Menschenrechte sind unverhandelbar: Asylrecht verteidigen – Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien stoppen“ eine Online-Unterschriftenaktion für Parteimitglieder durch, um Druck auf die Parteispitze auszuüben, in Fragen des Asylrechts nicht klein beizugeben.

Das Plenum des Deutschen Bundestags am 12. September 2024. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Deutscher Bundestag

Das Plenum des Deutschen Bundestags am 12. September 2024. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Deutscher Bundestag

Union beruft sich auf drei Rechtsgrundlagen

Die Unionsfraktion beruft sich in ihrem Antrag dagegen auf das Recht eines jeden EU-Landes, den Schutz der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit im eigenen Land über das EU-Recht zu stellen, wie es Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zulasse. Immerhin sei Deutschland „in erheblichem Maße durch die illegale Asylmigration“ bedroht.

Außerdem sprächen auch Artikel 16a (2) des Grundgesetzes und Paragraf 18 (2) des Asylgesetzes für das Recht, Asylbegehrende sofort an den Grenzen zurückzuweisen, sofern diese aus einem sicheren Drittstaat einreisen wollten.

Das von der Bundesregierung während des zweiten „Asylgipfels“ präsentierte „Modell für europarechtskonforme Zurückweisungen“ tauge nicht dazu, die bestehenden „Rücküberstellungshindernisse“ zu beseitigen, heißt es sinngemäß in dem Unionsantrag. Nach dem Ansatz von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), so die Interpretation der Union, sollten die Dublin-Verfahren lediglich grenznah durchgeführt werden, ohne dass sich an der „Zustimmungserfordernis des anderen Mitgliedstaats“ oder am Recht eines Asylbewerbers auf Gerichtsverfahren grundsätzlich etwas ändern würde. „Die viel zu zögerlichen Maßnahmen der Bundesregierung“ hätten aber „bislang kaum Wirkung gezeigt“.

Ähnlich hatte der Unionsunterhändler in Migrationsfragen, Thorsten Frei (CDU), am Mittwochabend in der ARD-Talkrunde „Markus Lanz“ argumentiert. Frei widersprach Vorwürfen, nach denen die Unionsdelegation den Asylgipfel ohne Not verlassen habe: Man habe „ein ehrliches Interesse an der Lösung in der Frage gehabt“.

Union will „Begrenzung“ der Zuwanderung als Ziel im Aufenthaltsgesetz

Der alternative Gesetzentwurf der Unionsfraktion „zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland“ – nicht zu verwechseln mit dem erwähnten Spontanantrag – sieht unter anderem vor, den allerersten Satz des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) wieder in den Zustand von vor 2023 zu versetzen. Künftig solle er wieder „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland“ lauten. Die beiden fett markierten Wörter seien 2023 gestrichen worden.

Die Union will mit ihrem Gesetzvorschlag auch den „Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz bis auf Weiteres“ beenden.

Die Bundespolizei soll nach Vorstellung der Union zudem „eine eigene Zuständigkeit für die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen“ erhalten, mit der auch das Recht auf die „Beantragung von Haft und Gewahrsam zur Sicherung der Abschiebung“ verbunden sein soll. Das soll dazu beitragen, dass ausländische Staatsbürger ohne Reisedokumente und ohne Duldung leichter abgeschoben werden können.

Die Bundespolizei soll dabei im „Einvernehmen“ mit der zuständigen Ausländerbehörde handeln – „es sei denn, dieses [Einvernehmen] kann – zum Beispiel außerhalb der üblichen Geschäftszeiten der zuständigen Ausländerbehörde – nicht sofort hergestellt werden“, wie es im Gesetzentwurf heißt.

AfD würde notfalls Grenzzäune akzeptieren

Die AfD hatte bereits zwei Tage zuvor einen eigenen Antrag mit dem Titel „Kehrtwende in der Migrationspolitik jetzt einleiten– Maßnahmen zur sofortigen Beendigung der illegalen Einwanderungsströme treffen“ (BT-Drucksache 20/12802, PDF) eingereicht. Auch die AfD beruft sich auf den Vorrang deutscher Sicherheitsinteressen unter Verweis auf die gleichen Rechtsquellen, auf die seit einigen Wochen auch die Union zurückgreift. Die AfD argumentiert seit rund zehn Jahren damit.

Der AfD-Antrag verlangt unter anderem Kontrollen der Bundesgrenzen, gegebenenfalls „auch durch die Errichtung von Grenzzäunen“, ein Ende der „Praxis des generellen Verbleibs abgelehnter Asylbewerber in Deutschland“ und die Anpassung sämtlicher dazu notwendiger rechtlicher Regelungen.

Die zweitgrößte Oppositionspartei im Bundestag möchte auch kürzere Verfahrensdauern, mehr Druck auf rücknahmeunwillige „Transit- und Herkunftsstaaten“ und die Beseitigung der „wichtigsten Anreize für die illegale Einwanderung nach Deutschland“.

AfD: „Pull-Faktoren“ beenden

Die AfD möchte unter anderem das Prinzip Sach- statt Geldleistungen durchsetzen und ein Ende der Asylverfahren für jene Menschen, die aus sicheren Drittstaaten einreisen wollen oder keine Identitätspapiere vorlegen können.

Ginge es nach der Partei, so würden außerdem das „Spurwechsel“-Programm und das Chancenaufenthaltsgesetz abgeschafft. Es gäbe keine freiwilligen Aufnahmeprogramme und keinen Familiennachzug für lediglich subsidiär Schutzberechtigte mehr – dafür aber die Möglichkeit, Afghanen und Syrer zurück in ihre Heimat abzuschieben.

Das Recht auf Einbürgerung würde nach dem Willen der AfD „wie nach alter Rechtslage ausschließlich als Ermessensentscheidungen im deutschen Interesse“ existieren. Mehrfachstaatsangehörigkeiten gäbe es nicht mehr, und „Schleusungen von illegalen Einwanderern über das Mittelmeer“ würden nicht mehr unter dem Begriff „Seenotrettung“ geduldet werden.

CSU-Abgeordnete erklärt Grenzöffnung 2015 mit „humanitären Gründen“

Während der Plenardebatte hatte Bernd Baumann, der erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, die CSU-Abgeordnete Mechthilde Widmann mit der Tatsache konfrontiert, dass es die Union gewesen sei, die die seiner Meinung nach illegale Grenzöffnung unter Kanzlerin Merkel anno 2015 zugelassen hatte.

Wittmann verwies auf „humanitäre Gründe“, die die Union damals bewogen hätten. Bereits 2016 aber habe die schwarz-rote GroKo ein Abkommen mit der Türkei geschlossen, das die Grenze dahin zurückverlegt habe, wo sie hingehöre: „nämlich an die EU-Außengrenze“. In der Folge seien „die Zahlen“ von „über 470.000 im Jahr 2016“ auf 120.000 Fälle gesunken. „Dann kam die Ampel und der Rest ist Geschichte“, sagte Wittmann (Video in der Mediathek des Bundestags).

Das Statistische Bundesamt weist für das Jahr 2016 über 740.000 Asylanträge aus, für das Jahr 2021 rund 190.000.

Zwei Ampelgesetzentwürfe auf Grundlage des „Sicherheitspakets“

Beim ersten der beiden von den Fraktionen der Ampelparteien eingereichten Gesetzentwürfe geht es um die Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems (BT-Drucksache 20/12805, PDF), beim zweiten Entwurf um ein neues Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung (BT-Drucksache 20/12806, PDF).

Beide Gesetzentwürfe basieren auf dem „Sicherheitspaket“, das die Ministerien für Inneres, für Justiz und für Wirtschaft kurz nach dem dreifach tödlichen Messerattentat von Solingen gemeinsam entwickelt hatten (PDF). Es sieht hauptsächlich Änderungen im Waffenrecht, erweiterte Befugnisse für die Extremismus- und Terrorismusbekämpfung sowie neue Regelungen im Aufenthaltsrecht vor.

Weil nur für einen Teil der Sicherheitspaketsmaßnahmen die Zustimmung des Bundesrats zwingend ist, hatten SPD, Grüne und FDP ihre Ideen in zwei Gesetzentwürfe aufgesplittet.



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