Angriffe auf Politiker häufen sich sowohl in Deutschland als auch europaweit

Immer wieder kommt es zu Angriffen auf Politiker. Das zeigt, wie aufgeheizt die politische Stimmung im Moment ist. Allerdings nicht nur in Deutschland. In vielen anderen europäischen Ländern gehören Gewalt und Anfeindungen zum Alltag von Politikern.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M) wird rund um die Uhr von mehreren Personenschützern bewacht (Archivbild).
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M) wird rund um die Uhr von mehreren Personenschützern bewacht (Archivbild). Angriffe auf Politiker nehmen zu.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 18. Mai 2024

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag kam es in Schwerin zu einem Angriff auf den AfD-Landtagsabgeordneten Martin Schmidt. Der Politiker hatte zusammen mit drei weiteren Personen, darunter auch der Schweriner AfD-Stadtvertreter und Kandidat für die Europawahl, Steffen Beckmann, eine Karaokeveranstaltung in einer Kneipe in der Innenstadt besucht. 

Eine halbe Stunde nach Mitternacht rief plötzlich ein 52-jähriger Mann in Richtung der AfD-Gruppe „ihr Faschisten habt meinen Opa umgebracht“ und schleuderte einen Glasaschenbecher in Richtung der Gruppe. Martin Schmidt wurde dabei am Kopf getroffen und erlitt eine Platzwunde.

Rettungssanitäter, die zufällig als Gäste anwesend waren, kümmerten sich um die Erstversorgung des verletzten Landtagsabgeordneten. Andere Gäste hielten den weiter tobenden Angreifer zurück und riefen einen Krankenwagen. Dieser brachte den AfD-Politiker ins Krankenhaus. Freitagmorgen gegen 5 Uhr konnte er die Klinik wieder verlassen. 

„Aus politischer Überzeugung“ angegriffen

Gegenüber der herbeigerufenen Polizei gab der Angreifer an, er habe den Aschenbecher aus „politischer Überzeugung“ geworfen. Laut Polizeiangaben rechnet sich der Mann selbst dem „linken Spektrum“ zu. 

In der „Ostsee-Zeitung“ (hinter einer Bezahlschranke) distanziert sich Kneipen-Betreiber Heiko Steinmüller, der 2019 über die SPD-Liste in die Schweriner Stadtvertretung gewählt wurde, inzwischen aber parteiloser Stadtvertreter ist, von dem Angriff auf Martin Schmidt. Der Mann, der den Aschenbecher geworfen habe, sei Stammgast bei ihm und noch nie negativ aufgefallen. Nach dem Vorfall habe Steinmüller ihm nun aber Hausverbot erteilt. 

AfD-Landeschef Leif-Erik Holm sprach nach dem Angriff auf seinen Parteikollegen in einem Post auf Facebook von einer „seit Monaten andauernden Hetze und Stimmungsmache“ gegen seine Partei, die zu dieser Tat geführt habe. Allerdings ist nicht nur die AfD in den vergangenen Wochen von Angriffen auf ihre Politiker betroffen. 

Wahlkampf als Gefahrenzone

Anfang Mai wurde der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke beim Plakatieren in Dresden von vier Männern angegriffen und schwer verletzt. Ecke musste in einem Krankenhaus operiert werden. 

Zuvor hatte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring einen Angriff in Essen auf seine Person öffentlich gemacht. Auf Facebook teilte der Politiker damals mit: „Gestern Abend entwickelten sich aus einem für uns typischen, zufälligen und zunächst freundlichen Bürgergespräch unvermittelt üble Beleidigungen gegen uns beide und eine spontane körperliche Attacke gegen Rolf Fliß.“ Der Vorfall habe sich auf dem Nachhauseweg nach einer gemeinsamen Grünen-Veranstaltung ereignet. Fliß ist dritter Bürgermeister der Stadt Essen und stellvertretender Vorsitzender des Rates der Stadt. 

Vor laufender Kamera bedroht

In Dresden wurde im Mai die Grünen-Kandidatin für den Dresdner Stadtrat, Yvonne Mosler, während des laufenden Kommunalwahlkampfes vor laufender Kamera bespuckt und bedroht. 

Im Gespräch mit dem Portal „Euronews“ sagte Yvonne Mosler, was sich aus ihrer Sicht in den letzten Jahren verändert hat: 

„Es ist nicht mehr so wie früher, dass die Leute einfach sagen: ‚Nein, das interessiert mich nicht‘, sondern es kommt zu wiederholten verbalen Angriffen. Es gibt Beleidigungen, dumme Sprüche und nicht nur Desinteresse, sondern auch offene Aggression.”

Sie wolle den Wahlkampf zwar fortsetzen, aber wohl nur noch in Gruppen von drei bis vier Personen. Auch würde sie sich genau überlegen, wo sie in Zukunft Wahlkampf mache. Gegenüber „Euronews“ sagte sie: 

„Wir werden uns sehr genau überlegen, wie und wo wir Wahlkampf machen. Und das ist schon traurig. Es ist in der Tat so, dass wir sagen, okay, es gibt einfach bestimmte Straßen oder Gegenden, die uns zu gefährlich erscheinen, wo wir entweder gar keinen Tür-zu-Tür-Wahlkampf mehr machen, oder wo wir nur in sehr großen Gruppen hingehen können. Und das ist eigentlich bedauerlich.”

Wahlhelfer mit Reizgas ausgestattet

In Schwerin kündigte der Linken-Kreisvorsitzende Dr. Daniel Trepsdorf an, dass die Wahlkampfhelfer seiner Partei ab sofort mit sogenannten Tierabwehrsprays, auch Reizgas genannt, unterwegs sein werden.

Gegenüber dem „Nordkurier“ begründete er diese Maßnahme mit den bundesweit in den vergangenen Wochen stattgefundenen Angriffen auf Politiker.  „Engagierte im Wahlkampf sind keine Opfer, sondern als Menschen und Respektspersonen wichtige Grundpfeiler unserer freiheitlich rechtsstaatlichen Ordnung“, so Trepsdorf. Und weiter: „Auch Demokratieverstärker und Ehrenamtliche, Kommunalpolitiker und Aktive müssen wehrhaft sein.“

Angriffe auf Politiker gab es in den vergangenen Wochen auch in Berlin: So wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin und einstige Bürgermeisterin der Hauptstadt leicht verletzt, als ihr ein Mann mit einem Beutel, in dem sich ein harter Gegenstand befand, auf den Kopf schlug.

„Freiwild-Kultur“ gegenüber Politikern

Nach dem Angriff auf sie und andere Politiker beklagte Giffey den schwindenden Respekt für Politiker. Dem „Checkpoint-Podcast“ des „Tagesspiegels“ sagte die SPD-Politikerin:

„Es gibt zunehmend Menschen, die überhaupt keinen Anstand und Respekt mehr haben und die Anonymität der sozialen Medien nutzen, um alles ungefiltert rauszukübeln, was ihnen einfällt.”

„Ich kenne keinen Politiker, der das noch nicht erlebt hat“, fügte sie hinzu. Für das demokratische Zusammenleben sei das eine Gefahr. Nach dem Angriff sei ihr der „Gedanke von einer Art Freiwild-Kultur ins Gedächtnis gekommen“.

Anfeindungen und Gewalt gegen Politiker sind allerdings nicht nur ein deutsches Phänomen. Das haben zuletzt nicht nur die Schüsse auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico gezeigt. Fico war letzten Mittwoch in der zentralslowakischen Stadt Handlová  nach einer Kabinettssitzung angeschossen worden. Der 59-Jährige erlitt schwere Verletzungen, schwebte zeitweise in Lebensgefahr und musste notoperiert werden.

In anderen europäischen Ländern werden politische Debatten ebenfalls mit zunehmender Härte geführt. Anfeindungen und Drohungen gegen Politiker sind auch dort inzwischen Teil des politischen Geschäfts. 

Polen: Wahlkampf ist keine „Kampfzone“

In Polen herrscht große Besorgnis über eine mögliche Gewalttat wie in der Slowakei. Schließlich hat es in der Vergangenheit bereits politische Morde gegeben. Der tödliche Angriff auf Paweł Adamowicz, den liberalen Bürgermeister von Danzig, liegt nur fünf Jahre zurück.

Der 26-jährige Stefan W., der Adamowicz erstochen hat, wurde Anfang dieses Jahres zu lebenslanger Haft verurteilt. W. sagte aus, er sei von der staatlichen Fernsehpropaganda beeinflusst worden, die Adamowicz, der der Opposition angehörte, während der Regierung der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit wiederholt angegriffen hatte.

Nach dem Anschlag auf Robert Fico fordern Politiker in Polen zu Mäßigung in der öffentlichen Debatte auf. „Ein Wahlkampf, ob für das europäische oder das polnische Parlament, ist keine Kampfzone“, betonte Jacek Siewiera, der Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros des polnischen Präsidenten. „Unsere Sicherheitsdienste sollten aus der politischen Debatte, die leider oft über den gesunden Menschenverstand hinausgeht, lernen und die Wachsamkeit in Bezug auf den physischen Schutz der Personen verstärken.“

Frankreich: Vier von zehn Bürgermeistern physisch bedroht

In Frankreich ist es schon länger Praxis, dass Regierungsmitglieder und Oberbürgermeisterinnen von kräftigen Leibwächtern und festen Absperrungen geschützt werden. Kein anderes europäisches Land fürchtet den nächsten Aufstand so sehr wie Frankreich – die gewaltsam unterdrückten Proteste der Gelbwesten und die Jugendaufstände im letzten Sommer haben deutliche Spuren hinterlassen. 

Um mit den täglichen Aggressionen ihrer Wähler umzugehen, nehmen französische Bürgermeister inzwischen sogar an Fortbildungen teil. Dort berichten sie von Beschimpfungen, zerstochenen Reifen und dem Mittelfinger, der ihnen vor dem Rathaus gezeigt wird.

Einer Umfrage der Zeitung „Le Monde“ zufolge wurden im vergangenen Jahr vier von zehn Bürgermeistern physisch bedroht oder erhielten Drohbriefe, ebenso viele wurden beleidigt. Einige von ihnen sind deshalb bereits zurückgetreten oder zeigen sich seltener in der Öffentlichkeit.

Großbritannien: Abgeordneter verzichtet auf Kandidatur

Im Vereinigten Königreich wurden in den vergangenen Jahren zwei Politiker ermordet: Im Juni 2016 erschoss ein Rechtsextremist die Labour-Abgeordnete Jo Cox während der Brexit-Debatte. Im Oktober 2021 wurde der konservative Abgeordnete David Amess in seinem Wahlkreis erstochen. 

Der Abgeordnete Mike Freer hatte gerade erst im Februar erklärt, dass er nicht noch einmal für das Unterhaus kandidieren werde. Freer entschied nach zahlreichen Morddrohungen und einem Molotowcocktail-Anschlag vor seinem Büro, dass die Gefahr zu groß sei. 

Im März 2023 wurde Yanis Varoufakis, Griechenlands Ex-Finanzminister, in einem Athener Restaurant von einer Gruppe Männer von der Straße aus angepöbelt. Als Varoufakis nach draußen ging, wurde er geschlagen. Die Angreifer warfen ihm vor, Griechenland 2015 in der Schuldenkrise ans „Ausland verscherbelt“ zu haben, sagte Varoufakis. Er erlitt eine gebrochene Nase und mehrere Verletzungen und wurde ins Krankenhaus gebracht. Kurz danach akzeptierte der linke Politiker und Vorsitzende der Partei DiEM25 Polizeischutz.



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