Wird Landratswahl in Sonneberg rückgängig gemacht?
Wird die Landratswahl vom vergangenen Sonntag in Sonneberg rückgängig gemacht? Das ist nicht ganz ausgeschlossen. Am Dienstag sagte Thüringens Innenstaatssekretärin, Katharina Schenk (SPD), gegenüber der „Deutschen Presseagentur“, dass sie den Wahlsieger Robert Sesselmann (AfD) nun auf politische Zuverlässigkeit prüfen wolle.
Diese Überprüfung gebe es von Amts wegen und hinge mit dem Thüringer Kommunalwahlgesetz zusammen. Darin heißt es, als Landrat dürfe nicht gewählt werden, „wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt“. Das sei der Prüfmaßstab, sagte Schenk.
Voraussetzung für Wählbarkeit könnte nicht erfüllt sein
„Sobald das amtliche Wahlergebnis vorliegt und der Gewählte die Wahl angenommen hat, werden wir die Prüfung der persönlichen Eignung und der Verfassungstreue von Amts wegen in die Wege leiten“, sagte eine Sprecherin des Landesverwaltungsamtes Thüringen auf Nachfrage von „Zeit Online“.
Die Behörde sieht Anhaltspunkte dafür, dass Sesselmann nicht für das Amt geeignet ist und damit formal nicht wählbar war. „Eine solche Prüfung erfolgt nur, wenn es Hinweise darauf gibt, dass die Voraussetzungen für die Wählbarkeit nicht erfüllt sind“, sagte die Sprecherin.
Das Landesverwaltungsamt ist dem Innenministerium in Thüringen unterstellt und übt die Rechtsaufsicht über die Kommunen im Bundesland aus.
Für die AfD in Thüringen ist das Vorgehen des Innenministeriums ein „Gesinnungstest“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag von Thüringen, Torben Braga, kritisierte das Vorgehen am vergangenen Mittwoch bei der Landespressekonferenz im Landtag mit deutlichen Worten: „Humbug, rechtswidrig, ein Angriff auf die Demokratie und ein Skandal“, sagte Braga. Robert Sesselmann ist seit 2019 AfD-Landtagsabgeordneter in Thüringen.
Warum wurde nicht früher geprüft?
Dass nach der Wahl nun plötzlich die Verfassungstreue des Wahlsiegers infrage gestellt wird, wirft tatsächlich einige Fragen auf. So mussten schon vor der Wahl alle Kandidaten ihren Wahlvorschlag beim Landkreis Sonneberg einreichen.
Für das Aufstellen der Wahllisten war das Landratsamt Sonneberg zuständig. Der Wahlausschuss des Landkreises war für die Zulassung der Listen zuständig und ihm oblag damit auch die Prüfung, ob die Kandidatin oder der Kandidat die Wahlvoraussetzungen für das Amt des Landrats erfülle.
Hier muss sich der Wahlausschuss an das Thüringer Wahlgesetz sowie an die Kommunalwahlordnung halten. Wenn das Kommunalwahlgesetz also die Verfassungstreue als Voraussetzung für das Amt des Landrats formuliert, hätte auch diese Voraussetzung bei der Zulassung des AfD-Wahlvorschlags geprüft werden müssen.
Der AfD-Landesverband Thüringen wird vom Verfassungsschutz des Landes als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ eingestuft. Dementsprechend taucht der Landesverband auch im jüngsten Verfassungsschutzbericht des Landesamtes auf.
Bereits vor der Stichwahl am vergangenen Sonntag hatte der „MDR Thüringen“ nach eigenen Angaben einen Fragenkatalog an das Landratsamt Sonneberg geschickt. Unter anderem wollte der Fernsehsender wissen, ob die Behörde den AfD-Kandidaten vor dem Aufstellen der Kandidatenliste hinsichtlich dessen Engagements für die Thüringer AfD geprüft habe. Gefragt wurde auch, ob eine etwaige Prüfung Auswirkungen auf die Entscheidung gehabt habe, Sesselmann zur Kandidatenliste zuzulassen.
Die Antwort aus dem Landratsamt fiel recht knapp aus: „Der Wahlvorschlag der AfD erfüllte formal die Anforderungen gemäß dem Thüringer Kommunalwahlgesetz und der Thüringer Kommunalwahlordnung.“ Er sei „somit als gültig zuzulassen“ gewesen.
Weiter schreibt das Amt an den MDR: „Die Unterlagen waren vollständig und rechtzeitig eingegangen. Die Erklärung des Bewerbers zur Frage der wissentlichen Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit wurde verneint und die Eignung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis erklärt. Gegenteilige Gründe lagen dem Ausschuss nicht vor. Ebenso bestanden keine Amtsantrittshindernisse nach § 30 Abs. 4 und 5 ThürKWG.“
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Sesselmann gab Einverständnis, Erkundigungen einzuholen
Die vom Landratsamt genannten Regelungen beziehen sich aber nur darauf, dass ein Kandidat sein Amt nicht antreten kann oder verlieren würde, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Partei für verfassungswidrig erklärt oder feststellt, dass es sich bei der Partei oder dem Verein um eine Ersatzorganisation einer verbotenen Partei handelt. Das ist bei der AfD tatsächlich nicht der Fall.
Allerdings gibt es im Kommunalwahlgesetz auch den Paragrafen 24 Abs. 3. Diese Regelung fordert die politische Zuverlässigkeit des Kandidaten im Hinblick auf die verfassungsmäßige Ordnung. Diese hatte Robert Sesselmann auch dem Wahlausschuss in Sonneberg versichert.
Gleichzeitig erklärt jeder Kandidat im Zusammenhang mit der Erklärung auch seine Bereitschaft, entsprechende Erkundigungen über seine Person beim Verfassungsschutz einzuholen. Das hat der Wahlausschuss nicht gemacht.
Ein Sprecher des Innenministeriums erklärt das Versäumnis gegenüber unserer Redaktion damit, dass „der Wahlausschuss des Landkreises im Vorfeld nur formal und mit wenig Zeit“ prüft. Mehr als was er getan hat, könne er auch nicht tun.
„Die Bewerber haben beispielsweise die Frage nach der wissentlichen Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit verneint und ihre Eignung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis erklärt. Ebenso war niemand Mitglied in einer verbotenen Partei.“, so der Sprecher weiter. Somit sei auch der AfD-Wahlvorschlag vom Wahlausschuss zugelassen worden. Ein Versäumnis des Landkreises sehe das Innenministerium nicht.
Konkrete Anhaltspunkte für die mangelnde Verfassungstreue von Robert Sesselmann liegen dem Innenministerium im Moment offenbar nicht vor. Auf Anfrage erklärt der Ministeriumssprecher, dass die Prüfung erfolge, wenn der Anfangsverdacht besteht, dass ein Bewerber für die Ausübung seines Amts nicht die Gewähr dafür bietet, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzustehen.
„Als Mitglied einer aus unserer Sicht extremistischen Partei und als Mitglied der AfD im Thüringer Landtag liegt es auf der Hand, diese für das Beamtenrecht erforderliche Eignung zumindest infrage zu stellen“, so der Sprecher weiter.
AfD-Mitgliedschaft für sich kein Grund
Dass die Rechtsaufsicht im Landesverwaltungsamt eine Entscheidung der Kommunen überprüfen kann, steht außer Zweifel. Darauf verwies auch das Sonneberger Landratsamt gegenüber dem MDR. Nach einer Wahl des Bewerbers erfolge „die Prüfung auf die Eignung für das Beamtenverhältnis durch die Rechtsaufsichtsbehörde“.
Sollte die Rechtsaufsicht zum Ergebnis kommen, dass die „Wählbarkeitsvoraussetzungen“ des AfD-Kandidaten zur Wahl nicht vorgelegen hätten, dann wäre die gesamte Wahl ungültig und müsste wiederholt werden. Robert Sesselmann hätte die Chance, vor den Verwaltungsgerichten zu klagen. Alles in allem könnte die Wahl dann ein sehr langes Nachspiel werden.
Die Mitgliedschaft in der AfD dürfte für sich genommen keinen Grund darstellen, die Partei ist nicht verboten. Es wird also auf eine Einzelfallprüfung ankommen, ob sich etwa aus öffentlichen Aussagen Sesselmanns auf verfassungsfeindliche Einstellungen rückschließen lässt.
Der gewählte Landrat hatte selbst wohl auch die Ahnung, dass trotz des Wahlsiegs der Weg ins Landratsamt steinig werden könnte. Gegenüber der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ sagte Sesselmann in einem Exklusiv-Interview: „Zunächst einmal bin ich gespannt, ob ich überhaupt vereidigt werde oder ob, ähnlich der Kemmerich-Wahl zum Ministerpräsidenten, Stimmen geäußert werden, dass die Wahl zu wiederholen sei – bis das Ergebnis stimmt.“
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