Wieler verlässt RKI

Chef des Robert Koch-Instituts tritt zurück
RKI-Chef Lothar Wieler sieht trotz hoher Infektionszahlen bereits Licht am Ende des Tunnels.
RKI-Chef Lothar Wieler sieht trotz hoher Infektionszahlen bereits Licht am Ende des Tunnels.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 12. Januar 2023

Aus der PR-Abteilung des Bundesgesundheitsministeriums kommt eine Pressemitteilung zum „Ausstieg“ von Lothar Wieler, schon zum 1. April 2023 (kein Aprilscherz). Kurze Inhaltsangabe der Meldung: Der Präsident des Robert Koch-Instituts verlässt seinen Posten und alle danken und loben ihn und sich gegenseitig.

Kurz bevor wir konkret auf die Meldung im Wortlaut kommen, noch eine Anmerkung, mehr eine Assoziation dazu. Jedem, der sich schon einmal mit dem Schreiben einer Beurteilung auseinandersetzen musste, etwa beim Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis, kennt das Dilemma. Es darf nicht gesagt werden, was ist, zumindest nicht im Klartext. So entstehen dann Formulierungen wie „bemühte sich stets im Rahmen seiner Möglichkeiten“ oder Ähnliches, und man handelt noch eine Schlussformulierung der „einvernehmlichen Trennung aus“, um nicht zu sagen, was eigentlich im Hintergrund gelaufen ist. Genauso endet die Meldung des Gesundheitsministeriums über Wielers Ausscheiden, seinem Dienstherren Lauterbach in den Mund gelegt: „Der Schritt erfolgt im Einvernehmen.“

Pressemeldung wie aus dem Propaganda-Lehrbuch

Jetzt aber zur Pressemitteilung, erst einmal im Zitat: 

„Der Präsident des Robert Koch-Instituts Prof. Lothar H. Wieler wird auf eigenen Wunsch zum 1. April sein Amt niederlegen, um sich neuen Aufgaben in Forschung und Lehre zu widmen. Der Schritt erfolgt im Einvernehmen mit Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach. Wieler steht seit März 2015 an der Spitze des RKI und hat in dieser Zeit die Modernisierung der zentralen Einrichtung des Bundes auf dem Gebiet der anwendungs- und maßnahmenorientierten biomedizinischen Forschung wesentlich vorangetrieben. In der Pandemiebekämpfung spielte das RKI auf nationaler und internationaler Ebene eine zentrale Rolle. Für eine Übergangszeit wird Wielers Aufgabe durch seinen Stellvertreter Prof. Lars Schaade übernommen.“

Die Protagonisten verlassen jetzt also ihren Wirkort der letzten drei Jahre. Zuerst verschwand Staatsvirologe Christian Drosten, eines der Hauptgesichter der Pandemieverkündigung von der medialen Bildfläche, um gegen Weihnachten wieder aufzutauchen und das Ende der Pandemie auszurufen. Jetzt, als Lothar Wieler nach anfänglicher Dauerpräsenz in den letzten Monaten immer seltener in der Öffentlichkeit auftrat, kündigt er offiziell seinen Abschied an. Auf eine gewisse Eile oder gar Spontanität deutet hin, dass kein Nachfolger parat ist und sein Stellvertreter, Lars Schaade, erst einmal übernehmen wird. 

„Diese Regeln […] dürfen nicht hinterfragt werden“

Wenn der 61-jährige Wieler sich jetzt wieder der Forschung und Lehre zuwenden will, dann werden wohl viele gespannt darauf schauen, welche wissenschaftlichen Grundprinzipien er zukünftig in seine Arbeit einbringen wird. Ob es wohl die gleichen sind wie als Leiter einer Behörde, die dem Gesundheitsministerium direkt unterstellt ist? Unvergessen diesbezüglich ist sein Auftritt bei der Bundespressekonferenz, hier das Originalzitat dazu: „Diese Regeln werden wir noch monatelang einhalten müssen. Diese müssen der Standard sein. Die dürfen überhaupt nie hinterfragt werden. Abstandhalten, Händehygiene, und dort, wo wir Abstand nicht halten können, zusätzlich Alltagsmasken oder Mund-Nasenschutz tragen und das gilt für drinnen und draußen. Also das ist die Grundregel, die dürfte und sollte niemand mehr infrage stellen, das sollten wir einfach so tun.“ 

Dabei, so dachte man zumindest bis dahin, gehört Zweifeln und Hinterfragen zum Kerngeschäft der Wissenschaft, so der Historiker Christian Kehrt im Deutschlandfunk: „Zweifeln ist quasi der Eintritt in die Wissenschaft, […] das Alltägliche wird hinterfragt und neu entdeckt, neu diskutiert, neu justiert, indem man wissenschaftlich geleitete Fragen stellt.“

Zu den erklärten Aufgaben des RKI jedenfalls gehört, so ist es auf der Website des Instituts zu lesen, „der generelle gesetzliche Auftrag, wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen zu erarbeiten.“ Schon 2021 werfen Kritiker dem Institut mangelnde wissenschaftliche Unabhängigkeit vor. Die NZZ schrieb dazu: „Das RKI ist also vieles, unabhängig ist es aber nicht.“

Angeknackstes Verhältnis

Dazu gibt der RKI-Chef selbst einen Hinweis in der offiziellen Abgangs-Pressemitteilung, unmittelbar nach einer Beschwörung der Exzellenz seines Instituts, einer Danksagung an sein Team und einem Lob ans Gesundheitsministerium:

Die Unabhängigkeit der Forschung muss auch zukünftig akzeptiert werden, denn sie ist unabdingbar, damit das RKI seine Aufgaben erfüllen kann.“ 

Ist das etwa die vage Andeutung eines Grundes, warum Wieler den Chefsessel jetzt freiwillig räumt?

Unvergessen jedenfalls, und möglicherweise auch in solchem Zusammenhang zu sehen ist auch die „Posse um Genesenenstatus“ vor einem Jahr, so nennt es die Welt, die ein streitbares Licht auf das Verhältnis von Wieler und Lauterbach, seiner Dienstherren gab. 

Im Januar 2022 „überraschte das RKI die Bürger mit einer Verkürzung des Genesenenstatus“ von sechs auf drei Monate. Gesundheitsminister Lauterbach fühlte sich offenbar überrumpelt und behauptete, nicht vorher unterrichtet gewesen zu sein und gab Lothar Wieler die Schuld. Seitdem gab es immer wieder Spekulationen über Unstimmigkeiten zwischen Wieler und dem Gesundheitsministerium, das Verhältnis zwischen beiden galt zwischenzeitlich gar als „angeknackst“.

Salbungsvolle Worte zum Abschied

Aber das alles sei dahingestellt, viel wichtiger im Moment ist die PR-Maschinerie: Im Gegenzug zu den salbungsvollen Abschiedsworten von Wieler gibt es salbungsvolle Worte von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der offiziellen Pressemeldung:

„Prof. Lothar H. Wieler hat sich als Präsident des Robert Koch-Instituts bei der Bewältigung der Pandemie für das Land bleibende und herausragende Verdienste erworben. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm habe ich über all die Jahre sehr geschätzt. Umso mehr bedauere ich, dass er das RKI verlassen wird, um sich jetzt wieder verstärkt Forschung und Lehre widmen zu können. Ohne Prof. Wieler wäre Deutschland deutlich schlechter durch diese Pandemie gekommen. Dafür möchte ich mich auch im Namen der gesamten Bundesregierung ganz herzlich bedanken.“

„… desertiert vor Verantwortung“

In den Alternativen und auch Sozialen Medien erscheinen zahlreiche Kommentare, die den unmittelbaren Abgang des RKI-Präsidenten kritisch beleuchten, genauso wie seine Rolle in der Pandemiezeit, unter anderem auf alexander-wallasch.de.

Oder auch beim Urgestein der Alternativen Medien, Roland Tichy, wird ein unverblümtes Resümee im Grundtenor „Danke, setzen, sechs“ gezogen:

 „Ob diese Fehler (der Regierung in ihren Pandemie-Entscheidungen, Anm. der Redaktion) die Schuld Wielers waren? Oder ob er einfach nur zu schwach und opportunistisch war, sie zu verhindern, ist letztlich egal. An der Spitze des RKI war Wieler eher ein sichtbares Wetterfähnchen auf dem Turm als ein Grenzstein. Damit ist sein Verbleib im Amt höchst verzichtbar.“

„Wichtigster Stratege im Kampf gegen Corona-Pandemie“

Die großen Mainstream-Medien hingegen, seien es der „Spiegel“ („Auf eigenen Wunsch: Er war einer der wichtigsten Strategen im Kampf gegen die Corona-Pandemie in Deutschland“) oder die gebührenfinanzierten Kanäle wie die „Tagesschau“ apportierten gefällig und zumeist wortgetreu und ohne nennenswerte zusätzliche journalistische Eigenleistung die Pressemeldung des Gesundheitsministeriums. 

Die „Welt“ gibt zum Abgang des RKI-Chefs noch abschließend den Hinweis, wie das Robert Koch-Institut selbst in den Sozialen Medien Wielers Abschied zelebrieren will und schreibt dienstbeflissen„": „Auf Twitter verwendet das RKI den Hashtag #DankeWieler.“



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