Wer wählte CDU, AfD oder BSW in Sachsen? Wählerwanderung im Überblick

Welche Wählergruppen haben dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer die Treue gehalten? Wer bevorzugte die AfD oder das BSW? Und wie soll eine Koalition nach dem Willen der Bürger aussehen? Eine Kurzanalyse der Wahlergebnisse der drei stärksten Parteien im sächsischen Landtag.
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Die Grafik zeigt die Sitzverteilung im sächsischen Landtag nach dem vorläufigen Wahlergebnis vom 1. September 2024.Foto: ts/Epoch Times
Von 4. September 2024

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Die sächsische CDU konnte am Wahlsonntag vorwiegend bei Staatsdienern und Seniorinnen punkten. 49 Prozent der Beamten hatten sich für Michael Kretschmers Landesliste entschieden.

Unter den Frauen über 60 Jahren stimmten 45 Prozent für die CDU, genauso viele wie Rentner unbestimmten Alters und beiderlei Geschlechts. Das geht aus einer Analyse der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung hervor, die auf der Grundlage der Zahlen von Infratest dimap erstellt wurde (PDF).

Bei den Wählern unter 35 Jahren sah es weniger gut für die CDU aus: Nur 18 Prozent dieser Altersgruppe gaben der Partei ihre Stimme.

Jeder fünfte CDU-Fan ist Stammwähler

Insgesamt hatte die CDU 31,9 Prozent der wahlberechtigten Sachsen hinter sich versammelt. Trotz eines Miniverlusts von 0,2 Prozent im Vergleich zur Wahl 2019 war das genug für die meisten Sitze einer Partei im Dresdner Landtag und damit für den erneuten Führungsanspruch von Michael Kretschmer.

Ein rundes Drittel der Befragten (minus 2 Punkte) hatte angegeben, die CDU vor allem seinetwegen gewählt zu haben. Das Wahlprogramm nannten 39 Prozent (minus 1) als Grund, eine „langfristige Parteibindung“ wie schon vor fünf Jahren jeder Fünfte. Aus Überzeugung hatten sich nur noch 62 Prozent für die CDU entschieden – ein Minus von zwölf Zählern.

Wählerwanderung bei der CDU

Nach dem vorläufigen Endergebnis des Landeswahlleiters waren bei 2.347.916 gültigen Zweitstimmen genau 749.216 Kreuzchen bei der CDU gemacht worden, gut 53.000 mehr als vor fünf Jahren. Was auch der um 7,9 Prozentpunkte gestiegenen Wahlbeteiligung von insgesamt 74,4 Prozent geschuldet war.

Nach Daten des Wanderungsmodells von Infratest dimap war es den Christdemokraten gelungen, rund 78.000 letztmalige Nichtwähler zum Urnengang in ihrem Sinne zu bewegen. Zuwachs erhielt die CDU auch aus den Reihen der bisherigen Anhänger von SPD (plus 18.000), der Linken (19.000), der Grünen (31.000), am meisten aber von Menschen, die zuvor ganz andere Parteien gewählt hatten (plus 40.000). Umgekehrt verlor die CDU 43.000 Stimmen an das BSW und sogar 44.000 an die AfD.

AfD überzeugte vor allem Arbeiter und Menschen ohne Abitur – Alter zweitrangig

Über diese 44.000 Stimmen hinaus war die AfD bei der Mobilisierung noch etwas erfolgreicher als die CDU: Von ihren 719.274 Wählern stammten laut Infratest dimap rund 89.000 aus dem Lager der Nichtwähler. Geringe Zuwächse kamen von den vormaligen Wählern der Grünen (4.000), der SPD (5.000) und der Linken (8.000). Dem BSW war es allerdings gelungen, umgekehrt 23.000 frühere AfD-Wähler für sich zu begeistern.

Mit letztlich 30,6 Prozent (plus 3,1 Prozent) war die AfD knapp hinter den Christdemokraten gelandet. Die mit 49 Prozent stärkste Zustimmung kam aus dem Lager jener Bürger, die ihre wirtschaftliche Situation als weniger gut oder schlecht beschrieben. So entschieden sich unter den Arbeitern 45 Prozent für den Landesverband von Björn Höcke. Auch unter den Menschen mit niedrigem oder mittlerem Bildungsniveau stimmte eine relative Mehrheit von 41 beziehungsweise 39 Prozent für die AfD.

Am schwersten hatte es die AfD unter den Bürgern mit hohem Abschluss: Nur 19 Prozent markieren die zweitunterste Grenze sämtlicher Wählerkategorien. Selbst Beamte hatten zu 19 Prozent die Blauen angekreuzt. Lediglich unter Menschen, die weniger als zehn Jahre in Sachsen leben, erntete die AfD noch weniger Zuspruch (17 Prozent).

Die Alterskohorten wiesen im Gegensatz zur CDU über das gesamte Spektrum keine allzu großen Unterschiede auf: Vom Jungwähler bis zum Senior gab es zwischen 28 und 33 Prozent für die blaue Partei. In der Altersgruppe U25 hatte es dafür ein Plus von 11 Prozent gegeben, bei jungen Männern sogar 17 Prozent. Der mit 21 Prozent niedrigste Wert nach Alter und Geschlecht wurde bei Frauen unter 25 Jahren gemessen.

BSW stark bei Senioren, Finanzschwachen und Ex-Linken

Das BSW, mit 11,8 Prozent aus dem Stand der mutmaßliche „Königsmacher“ bei den anstehenden Koalitionsgesprächen, mutet – bezogen auf das Wählerverhalten – beinahe wie eine Mischung aus CDU und AfD an: Jeweils überdurchschnittliche 14 Prozent ihrer Wähler kamen aus dem Lager Ü60, aber auch von Menschen mit weniger guten oder gar schlechten finanziellen Verhältnissen. Einen ebenso großen Anteil machten jene Wähler aus, die sich seit mindestens 10, aber höchstens 19 Jahren im Freistaat Sachsen aufhielten.

Die wenigsten Anhänger hat der sächsische BSW-Landesverband unter Beamten und Selbstständigen (jeweils 8 Prozent) und in der Gruppe der Männer unter 34 (8 Prozent) beziehungsweise unter 25 Jahren (7). Der Zuspruch der Frauen zum BSW erscheint mit 11 bis 13 Prozent in allen Altersgruppen gleichförmiger ausgeprägt als die Beliebtheit bei Männern, die je nach Alter unregelmäßig zwischen 7 und 14 Prozent schwankt.

Die 23.000 von früheren AfD-Anhängern gewonnenen Stimmen und jene 43.000, die von Ex-CDU-Wählern kamen, machten ein gutes Viertel jener 277.173 Stimmen aus, die das BSW insgesamt verbuchen konnte.

Den größten Zuwachs erzielte die Newcomer-Partei um Sabine Zimmermann nach Berechnungen von Infratest dimap vonseiten ehemaliger Linken-Wähler (73.000). Mit 45.000 vormaligen Nichtwählern war das BSW in Hinblick auf Mobilisierung nur halb so erfolgreich wie die AfD. Der Rest kam vorwiegend von früheren SPD-Anhängern (16.000) und enttäuschten Wählern der Grünen (10.000).

Publikum favorisiert CDU/BSW-Bündnis

Die AfD wird entgegen der Forderung ihrer Bundessprecherin Alice Weidel in Sachsen höchstwahrscheinlich nicht in Regierungsverantwortung kommen: Die CDU lehnt es wegen der „Brandmauer“ ab, Michael Kretschmer will es nicht, Sabine Zimmermann und Sahra Wagenknecht persönlich wollen es nicht, und die Wähler favorisieren offenbar auch ein Bündnis aus CDU und BSW – selbst wenn die SPD oder die Linke für die nötige Mehrheit mit ins Boot geholt werden müsste.

Die Tabelle zeigt die Motive der Wahlentscheidung und die Vorlieben bezüglich einer künftigen Regierung in Sachsen zum Wahlstichtag 1. September 2024. Foto: Bildschirmfoto/ARD/Infratest dimap

Die Tabelle zeigt die Motive der Wahlentscheidung und die Vorlieben bezüglich einer künftigen Regierung in Sachsen zum Wahlstichtag 1. September 2024. Foto: Bildschirmfoto/ARD/Infratest dimap (PDF)

Eine CDU als führende Partei wünschen sich jedenfalls 72 Prozent der Linken-Wähler, 78 Prozent der Grünen-Wähler und sogar 83 Prozent der SPD-Anhänger. Auch beim BSW wäre eine 60-prozentige Mehrheit dafür.

Allerdings fänden es auch 60 Prozent der CDU-Wähler und 51 Prozent der AfD-Wähler nicht gut, wenn das BSW in Regierungsfunktion kommen würde. Auch Grünen-Fans wären zu 84 Prozent dagegen, ebenso wie die Anhänger der Linken und der SPD (je 72 Prozent).

Mit einer AfD in Regierungsverantwortung könnten sich lediglich 13 Prozent der CDU-Wähler anfreunden, aber niemand unter den Linken-Wählern und so gut wie niemand aus den Reihen der Grünen- (2 Prozent) oder der SPD-Wählerschaft (5 Prozent). Unter den Freunden des BSW aber fänden immerhin 28 Prozent gut, wenn BSW-Spitzenkandidatin Zimmermann die Geschicke Sachsens unter Führung der AfD mitleiten würde.

Landwirte pro AfD: 49 Prozent in Sachsen, 40 Prozent in Thüringen

Noch ein Kuriosum am Rande: Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen hatten Landwirte in beiden Bundesländern ihre Zweitstimme besonders häufig an die AfD vergeben. Wie das Onlineportal „agrarheute“ berichtet, sagte fast die Hälfte (49 Prozent) der sächsischen Bauern am Wahlsonntag, für die blaue Liste von Jörg Urban stimmen zu wollen.

22 Prozent gaben an, für Michael Kretschmers CDU-Landesliste zu votieren. Das BSW präferierten 13 Prozent. Die Grünen konnten nur jeden 20. Landwirt überzeugen. Das Kreuzchen bei der SPD wollten nur noch drei von 100 Landwirten setzen.

Die Grafik zeigt die Parteipräferenzen verschiedener Berufsgruppen in Sachsen zum Wahlstichtag 1. September 2024. Foto: Bildschirmfoto/Forschungsgruppe Wahlen/agrarheute

Die Grafik zeigt die Parteipräferenzen verschiedener Berufsgruppen in Sachsen zum Wahlstichtag 1. September 2024. Foto: Bildschirmfoto/Forschungsgruppe Wahlen/agrarheute

Die gleiche Befragung vor thüringischen Wahllokalen förderte ein ähnliches Ergebnis zutage: Dort erklärten vier von zehn Landwirten, ihre Stimme an den Landesverband von Björn Höcke (AfD) geben zu wollen. Dieselbe Quote gab es laut Forschungsgruppe Wahlen bei Selbstständigen und Arbeitern.

Für die CDU wollten sich mit 23 Prozent nahezu genauso viele Bauern entscheiden wie ihre Kollegen im benachbarten Bundesland Sachsen. Rang drei in der Gunst der Landwirte in Thüringen eroberte mit 14 Prozent das BSW. Die SPD und die Linke erreichten jeweils 7 Prozent. Vier Prozent sagten, dass sie die Grünen wählen wollten.

Die Grafik zeigt die Parteipräferenzen verschiedener Berufsgruppen in Thüringen zum Wahlstichtag 1. September 2024. Foto: Bildschirmfoto/Forschungsgruppe Wahlen/agrarheute

Die Grafik zeigt die Parteipräferenzen verschiedener Berufsgruppen in Thüringen zum Wahlstichtag 1. September 2024. Foto: Bildschirmfoto/Forschungsgruppe Wahlen/agrarheute

Die Landwirte waren seit dem Jahresende 2023 mehrere Wochen lang auf den Straßen unterwegs gewesen, um gegen weitere Belastungen durch die Bundesregierung zu protestieren, Stichwort: Agrardiesel.

Nachdem sie immer mehr Verständnis und Unterstützung in der breiten Bevölkerung erfahren hatten, wurden sie für ihre Blockaden und Kundgebungen von manchen Politikern, Verfassungsschützern und großen Teilen der deutschen Medienlandschaft in die „rechte Ecke“ gestellt: Von Unterwanderung durch Rechtsextremisten war die Rede.



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