Immer wieder wird argumentiert, dass der ökologische Landbau umwelt- und ressourcenschonender als seine konventionelle Alternative sei. Das BMEL und das BMU behaupten sogar, dass nur diese Bewirtschaftungsform geeignet sei, zum Erhalt der Artenvielfalt – sprich Artenschutz – beizutragen. NGOs, wie „Wir haben es satt“ fordern gar den vollständigen Umbau der Landwirtschaft hin zur ökologischen Landwirtschaft, weil dies u.a. dem Artenschutz diene. Doch ist das wirklich so?
Der ökologische Landbau stellt, wie auch die moderne Landwirtschaft, einen erheblichen menschlichen Eingriff in den Naturhaushalt dar. Der Anbau von Ackerkulturen übt einen höheren Druck auf Flora, Fauna und Mikroorganismen aus als von der Natur vorgesehen [1].
Das ist per se nicht negativ. Es waren die landwirtschaftlichen Nutzungseinflüsse, die unsere Kulturlandschaft erschaffen haben und damit auch den Lebensraum für unzählige Arten. Ohne den Menschen hätten wir die heutigen Offenlandschaften nicht und damit wahrscheinlich eine viel ärmere Biodiversität.
Insbesondere der konventionellen Landwirtschaft wird vorgeworfen, dass der intensive Einsatz hochwirksamer Breitband-Herbizide (z.B. Glyphosat) und -Insektizide zwangsläufig zur Verarmung der Pflanzenwelt führen und vielen Vogel-, Säuger- und anderen Tierarten der Agrarlandschaft die Nahrungsgrundlage weitestgehend entziehen würde. Außerdem würden sie wichtige Bodenorganismen und Blütenbestäuber beeinträchtigen.
Doch auch im ökologischen Landbau müssen Unkräuter und Pflanzenschädlinge bekämpft werden. Mit verschiedenen biotechnologischen Maßnahmen, Fettsäuren und Salzen sowie natürlichen Insektiziden wird gegen die natürliche Fauna vorgegangen. Für die Unkrautbekämpfung stehen mechanische Maßnahmen, wie beispielsweise das Hacken, oder Hitzemaßnahmen zur Verfügung [2].
Pilzen wird u.a. mit Schwefel und Kupfer(verbindungen) begegnet [3]. Da der Einsatz von Breitband-Herbiziden hier verboten ist, muss gepflügt werden. Ohne jede Frage verringern also auch die Bewirtschaftungsmethoden der ökologischen Landwirtschaft die Artenvielfalt.
Artenvielfalt: Konventionelle Landwirtschaft bei Berücksichtigung der Effizienz besser
Es ist nicht ganz einfach, die Auswirkungen der beiden Bewirtschaftungsformen auf die Biodiversität zu messen, da es dafür bislang keinen wissenschaftlichen Standard gibt. Nach aktuellem Stand des Wissens ist lediglich die Bemessung von jeweils spezifischer Artenvielfalt möglich.
Hierbei zeigt sich, dass der ökologische Landbau im Vergleich mit der modernen Landwirtschaft Vorteile in Bezug auf die verbleibende Artenvielfalt von Ackerflächen hat.
Der Rückgang von Artenvielfalt in Deutschland beträgt demnach im Durchschnitt der betrachteten Indikatoren auf den Agrarflächen für den ökologischen Landbau 67 Prozent und 86 Prozent auf denen des konventionellen Landbaus. Das liegt vor allem daran, dass im ökologischen Landbau nicht jedes Unkraut und jeder Schädling mit geeigneten Mitteln bekämpft werden kann.
Wird jedoch berücksichtigt, dass im ökologischen Landbau in Deutschland im gewogenen Mittel aller Hauptackerkulturen 51 Prozent geringere Erträge erzielt werden, dann ändert sich die Perspektive.
Je Ertragseinheit und damit je produzierter Menge landwirtschaftlichen Primärprodukts geht mit konventionellen Bewirtschaftungsmethoden deutlich weniger Artenvielfalt verloren als im ökologischen Landbau, wo der Verlust durchschnittlich 55 Prozent höher ist.
Wird also die Effizienz beider Anbaumethoden betrachtet, dann ist die konventionelle Landwirtschaft hinsichtlich des Erhalts der Artenvielfalt deutlich im Vorteil.
Ökologischer Landbau im globalen Maßstab?
Noch deutlicher wird das Problem, wenn wir nicht nur die nationale, sondern die globale Biodiversität in den Blick nehmen. Würde die deutsche Landwirtschaft teilweise (20 %) oder vollständig (100 %) auf den ökologischen Landbau umgestellt werden, dann wären aufgrund der dann geringeren Erträge, Ackerflächen von ca. 815.000 bzw. 6,5 Mio. Hektar für die zusätzlichen Importe nötig.
Das bedeutet, dass anderswo auf der Erde Grünland umgebrochen oder natürliche Habitate in die Kultivierung aufgenommen werden müsste. Ich denke, dass es kaum möglich sein wird, die dort bereits bestehenden Ackerflächen noch intensiver zu bewirtschaften.
Eine Ausweitung des ökologischen Landbaus in Deutschland ist also automatisch mit höheren Verlusten an Artenvielfalt nach Kultivierung zusätzlicher Agrarflächen andernorts erkauft.
Berücksichtigen wir dabei noch die stark steigende Weltbevölkerung, dann wird deutlich, dass der ökologische Landbau wegen seines hohen Flächenbedarfs kaum geeignet ist zur globalen Ernährungssicherung beizutragen. Zumindest dann nicht, wenn es nicht auf Kosten von Wäldern und anderen natürlichen Lebensräumen geschehen soll.
Ein rein nationaler Fokus beim Artenschutz ist daher wenig zielführend. Es ist dringend notwendig, dass der Einfluss der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland auf die globale Artenvielfalt bei politischen Entscheidungen, wie beispielsweise agrarpolitischen Zielbildern, berücksichtigt wird.
[1] Krall, S. (2014): Organic agriculture can (not) feed the world in 2050. Hohenheim: Food Security Center – University Hohenheim.
[2] Rahmann, G. (2011): Biodiversity and organic farming: What do we know? In: Landbauforschung61, p. 189-208.
[3] BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) (2015): Zugelassene Pflanzenschutzmittel –Auswahl für den ökologischen Landbau nach der Verordnung (EG) Nr. 834/2007. Braunschweig: BVL.
Zum Autor: Niklas Frohn studierte Agrarwissenschaften, Agrarökonomie und Agribusiness in Wien und an der TU München. Er betreibt die Website Agropolit-x, wo dieser Artikel zuerst erschien. Seine Familie musste ihren Winzerbetrieb aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben.
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