Verkehrsministerium bunkert Steuergelder – Rechnungshof fordert Rückführung

Der Bundesrechnungshof (BRH) übt scharfe Kritik an der LKW-Mautbetreiberfirma Toll Collect. Anstatt in die marode Verkehrsinfrastruktur zu investieren, bunkert das Unternehmen Millionenüberschüsse. Der Bericht des BRH deckt zudem fragwürdige Vergütungsmodelle und mögliche Preisrechtsverstöße auf.
Digitalminister Volker Wissing vermutet große Auwirkungen von KI auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Volkswirtschaften.
Verzweifelt sucht der Verkehrsminister nach Milliarden für Bahn und Straßen. Dabei liegen dreistellige Millionenbeträge bei Toll Collect ungenutzt rum.Foto: Andreas Arnold/dpa
Von 20. Juli 2024

Am vergangenen Mittwoch stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Haushaltsentwurf 2025 vor. Es solle kein Sparhaushalt sein, betonte der Minister. Auf das Verkehrsministerium seines Parteifreundes Volker Wissing trifft es vorerst zu. Die Investitionen in Straße, Schiene, Wasserstraße und den kombinierten Verkehr steigen bis 2026 zunächst auf 28,3 Milliarden Euro an, fallen bis zum Ende der Finanzplanungsperiode 2028 aber wieder auf 25 Milliarden Euro ab. Allerdings ist das nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht: Um die Bahn zu sanieren und die Autobahnen vor dem Zerfall zu retten, benötigt Wissings Ministerium Milliarden. Die kurzfristigen Erhöhungen werden da nicht reichen. 

Umso verwunderlicher erscheint in dieser Situation, dass ein dreistelliger Millionenbetrag im Moment nicht genutzt wird und bei der bundeseigenen LKW-Mautbetreiberfirma „Toll Collect“ schlummert. Das geht aus einem bisher unveröffentlichten Bericht des Bundesrechnungshofes (BRH) hervor, der dem „Spiegel“ (Bezahlschranke) vorliegt. Laut den obersten Rechnungsprüfern der Republik verfüge Toll Collect über „einen Liquiditätsbestand“ von 109 Millionen Euro aus dem Jahr 2023 und erwarte im laufenden Jahr einen Bestand von 148 Millionen Euro. 

Schlummernde Millionen im Staatsunternehmen

Die Vergütung von Toll Collect ist, laut dem Bericht der Rechnungsprüfer, einer der Gründe, warum das Unternehmen solch einen Überschuss erwirtschaftet. Die Rechnungsprüfer bezweifeln, dass die jetzige Vergütung, also der Betrag, den der Bund jährlich an Toll Collect überweist, noch „angemessen“ ist. 2021 betrug die Vergütung des Bundes für die Dienstleistung der Toll Collect 355 Millionen Euro. 2022 stieg die Summe dann schon auf 423 Millionen Euro. Der Bundesrechnungshof fordert in seinem Bericht deshalb, dass das Vergütungsmodell überprüft werde.

Verkehrsminister Wissing habe bisher nichts unternommen, um die Überschüsse wieder an die Staatskasse zurückzuführen, moniert der BRH. Von Wissings Ministerium erwartet der Rechnungshof nun, dass der „überschüssige Bestand an den Bundeshaushalt abgeführt wird.“

Bisher war eine Rücküberweisung an den Bund nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Toll Collect beabsichtigt ihre Überschüsse in Bundesanleihen zu investieren und dafür Zinsen zu erhalten, was der Rechnungshof kritisiert. Das sei „bedenklich, wenn gleichzeitig die Verschuldung des Bundeshaushaltes steigt und der Bund mit Kreditzinsen belastet wird“, so die obersten Rechnungsprüfer.

Erst zahlt also der Bund eine hohe Vergütung an die eigene Firma, diese legt den üppigen Überschuss dann in Bundesanleihen an, um damit Zinsen auf Kosten der Steuerzahler einzunehmen. 

Dass dieses Vorgehen nicht nur Freunde finden wird, scheint auch dem Verkehrsministerium aufgegangen zu sein. Den Prüfern des Bundesrechnungshofes erwiderte das Ministerium in einer Stellungnahme, Toll Collect lege nur in „Tages- und Festgelder“ an, nicht in Bundesanleihen. Während sich der Staat über das staatliche Unternehmen Toll Collect durch den Kauf von Bundesanleihen selbst Kredite vergibt, würde bei der Anlage in Tages- und Festgelder diese Kritik wegfallen.

Außerdem schaue das Ministerium inzwischen nach „Möglichkeiten, die überschüssige Liquidität kurz- und mittelfristig“ abzubauen. Auf Anfrage des „Spiegels“ wurde das Ministerium konkreter: Das Ministerium prüfe „eine Gewinnausschüttung an den Gesellschafter Bund in Höhe von 75 Millionen Euro im Jahr 2025“. 

Dass das Ministerium auf die Kritik des Bundesrechnungshof reagiert, ist ein gängiges Verfahren. Der Bundesrechnungshof teilt seine Feststellungen grundsätzlich der geprüften Stelle, in diesem Fall dem Verkehrsministerium, mit und bittet sie um eine Stellungnahme. Die geprüfte Stelle hat dann die Möglichkeit, den Sachverhalt zu erläutern oder ihr Vorgehen zu begründen. Auf dieser Grundlage stellt der Bundesrechnungshof ein Prüfungsergebnis abschließend fest. Dabei entscheidet er auch, ob er es in seine Bemerkungen aufnimmt.

Preisrechtswidriges Vergütungsmodell

Der ganze Vorgang lässt Zweifel daran aufkommen, wie sorgfältig das Verkehrsministerium mit Steuergeldern umgeht. Im Bericht des Rechnungshofes heißt es, dass das vom Ministerium gewählte Vergütungsmodell das Preisrecht „nicht hinreichend beachtet“ habe.

Toll Collect wird nach dem sogenannten Selbstkostenerstattungspreis vergütet. So hat das Unternehmen „Anspruch auf Erstattung seiner Kosten, auch wenn diese auf unwirtschaftliches Handeln zurückzuführen sind“, heißt es im Prüfbericht. Damit, so lässt sich der Satz interpretieren, ist Verschwendung Tür und Tor geöffnet.

Der Rechnungshof sieht in diesem Modell ein womöglich „preisrechtswidriges“ Vergütungssystem. Diesem Vorwurf widerspricht das Verkehrsministerium im Bericht. 

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der dem Rechnungshof aufstößt. Das Ministerium hat nämlich den sogenannten Gewinn- und Wagniszuschlag von einem auf drei Prozent erhöht. Das war zwar schon 2019, also vor Wissings Zeit. Damals war noch Andreas Scheuer (CSU) Verkehrsminister. Staatssekretär war Gerhard Schulz, der fast gleichzeitig zum Vorsitzenden der Geschäftsführung bei Toll Collect berufen wurde. 

Die Erhöhung des Risikoaufschlags sei notwendig gewesen, argumentiert das Verkehrsministerium, weil der Bund entschieden habe, das Unternehmen dauerhaft zu behalten. Für die Rechnungsprüfer ist dies kein nachzuvollziehendes Argument. Sie könnten nicht erkennen, warum sich das Unternehmensrisiko „signifikant erhöht“ habe. Der Bund als Eigentümer mindere dieses sogar. Es gebe in dieser Frage eine eindeutige Rechtssprechung, die besagt, dass ein Prozent Risikoaufschlag bei dem gewählten Vergütungsmodell völlig ausreiche. 

Das Verkehrsministerium „bedankt“ sich für die Empfehlungen des Rechnungshofes, heißt es im Bericht weiter. Derzeit würde das Vergütungsmodell überprüft werden, unterstützt von Preisrechtsexperten. Nach Abschluss würde man auch „die Höhe des Gewinn- und Wagnisaufschlags erneut bewerten“. 



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