Verfassungsschutz attestiert AfD ein extremistisches Potenzial von 10.000 Mitgliedern
Wie die „Tagesschau“ am Mittwoch, 7. Februar, mitteilte, hat das Berliner Verwaltungsgericht einen Eilantrag der AfD gegen eine Passage im Verfassungsschutzbericht des Bundes über das Jahr 2022 abgelehnt.
In dem Bericht, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser am 20. Juni 2023 vorgestellt hatte, wurde der Partei ein extremistisches Potenzial von 10.000 Personen zugesprochen. Dies entspreche einem Anteil von 30 bis 40 Prozent. In dem Bericht war die Rede davon, dass die Partei im Juli 2022 etwa 28.500 Mitglieder gehabt habe.
AfD sieht sich durch teilweisen Extremismus-Vorwurf in ihren Rechten verletzt
Die AfD wollte die Passage streichen lassen. In dem Bericht wird die Partei als sogenannter Verdachtsfall aufgeführt. Auch weil – anders als im Fall dreier Landesverbände – nicht von einer „gesichert rechtsextremistischen“ Ausrichtung der Bundespartei die Rede ist, verletze die Aussage deren Rechte.
Das Gericht sah jedoch auch in der Verdachtsphase ein Recht des Bundesinnenministeriums, über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu berichten, „wenn dafür hinreichend gewichtige Anhaltspunkte vorliegen“. Die Schätzung sei nicht willkürlich, so das Gericht.
Auch die 2020 erklärte Auflösung des informellen Zusammenschlusses „Der Flügel“ ändere an den Voraussetzungen nichts. Wie das Verwaltungsgericht selbst bestätigte, hat die Partei gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht.
Vorwürfe ähneln jenen der Landesbehörden in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt
Der Inlandsgeheimdienst stützte die Einschätzung zum einen auf Abstimmungsmuster und Mehrheitsverhältnisse beim Bundesparteitag der AfD im Juni 2022 in Riesa. Ferner berief er sich auf Aussagen von Parteifunktionären selbst. So ging ein Funktionär des ehemaligen „Flügels“ in einem eigenen YouTube-Video davon aus, dass dieser 30 bis 40 Prozent aller AfD-Mitglieder repräsentiere.
Über die Einschätzungen hinaus nennt der Bericht auch inhaltliche Anhaltspunkte, die nach Überzeugung des Verfassungsschutzes die Annahme des Verdachtsfalles rechtfertigen. Diese gehen in eine ähnliche Richtung wie jene, die in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt auch herangezogen wurden, um die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ zu begründen.
So deuten Zitate von Funktionären auf Vorstandsebene, aber auch im Grundsatzprogramm selbst auf eine ethnisch-kulturelle Verengung des Volksbegriffes hin, die das Grundgesetz nicht hergibt. Allerdings hatten der Bundesvorstand und alle Landesvorsitzende der Partei 2021 eine „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“ unterschrieben. Darin erteilten diese einer Unterscheidung zwischen sogenannten Passdeutschen und ethnisch-biologisch definierten Deutschen eine Absage.
„Islamfeindlichkeit, Verschwörungserzählungen, Delegitimierung“
Weitere Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung der AfD finden sich dem Bericht zufolge in ausländer- und islamfeindlichen Positionen. Asylsuchenden und Migranten aus islamisch geprägten Ländern unterstelle man „oftmals pauschal eine kulturelle Inkompatibilität und ein ausgeprägter Hang zur Kriminalität“.
Dazu kämen Verschwörungserzählungen, die von einer angeblichen Islamisierung über „vom Weltfinanzkapital gesteuerte Machthaber“ bis zum „US-Vasallenstaat BRD“ reichten. Darüber hinaus hätten Funktionäre die Judenverfolgung im Nationalsozialismus durch Vergleiche mit der Pandemiepolitik verharmlost.
Der Verfassungsschutzbericht spricht auch von „Diffamierungen und Verunglimpfungen politischer Gegner sowie des Staates und seiner Repräsentanten“ durch AfD-Funktionäre. Diese hätten „nicht eine Auseinandersetzung in der Sache, sondern eine generelle Herabwürdigung und Verächtlichmachung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel“.
„Strategisch agierendes Netzwerk“ aus AfD und „extremistischem Teil der Neuen Rechten“
Ein weiterer Aspekt, der im Verfassungsschutzbericht des Bundes Erwähnung findet, seien „auf allen Ebenen gefestigte Verbindungen“ von Parteifunktionären „zu Akteuren und Organisationen des extremistischen Teils der Neuen Rechten“. Diese seien nicht zufällig, sondern es handele sich um „strukturelle Verbindungen innerhalb eines strategisch agierenden Netzwerks, die in wesentlichen Teilen von gemeinsamen oder jedenfalls ähnlichen politischen Überzeugungen getragen werden“.
Charakteristisch für dieses Netzwerk seien „gegenseitige Veranstaltungseinladungen, Interviews oder Gastbeiträge für Onlineformate“. Namentlich nennt der Bericht als Verbindungen die rechtsextremistischen Verdachtsfälle „Institut für Staatspolitik“ (IfS) und „Ein Prozent e. V.“, aber auch das als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestufte „COMPACT-Magazin“.
Sehr offensiv mit diesem Thema geht der Spitzenkandidat für die EU-Wahlen, Maximilian Krah um. Er tourt sogar mit dem Leiter des IfS, Götz Kubitschek, durch andere europäische Länder, und hat in dessen Verlag sein Buch „Politik von rechts. Ein Manifest“ veröffentlicht.
Eigenwillige Allianzen rund um den EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah
Inwieweit der Schulterschluss des katholisch-konservativen Krah mit der „Denkfabrik“ in Schnellroda auf Überzeugung gründet, ist ungewiss. Krah wurde in der eigenen Partei und deren Umfeld zum Teil sogar für zu wenig ausgeprägte Islamfeindlichkeit kritisiert.
Das IfS, das bis dato vorwiegend für seine Nähe zum thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke bekannt war, ist bis dato kaum für religiös-konservative Positionen bekannt. Eher pflegt dieses Spektrum einen strikt biologisch-ethnischen Volkstumsbegriff, Höcke spricht zudem von einem „jährlichen Bevölkerungsüberschuss in Afrika“ und nimmt am „Reproduktionsverhalten“ der Afrikaner Anstoß. Selbst zu ökofaschistischen Denkmustern, wie sie etwa der EU-Kandidat David Eckert oder die Zeitschrift „Die Kehre“ erkennen lassen, sind die Grenzen teilweise fließend.
Allerdings ist es durchaus denkbar, dass Krah, der malthusianische und eugenische Vorstellungen zurückweist, diese Form der Rückendeckung sucht, um eine Hausmacht in der Partei zu bewahren. Jener Teil der Partei, der eher dem Segment zuzuordnen ist, das Soziologe Wilhelm Heitmayer einst als „verrohtes Bürgertum“ bezeichnet hatte, hatte den Dresdner Katholiken schon längst als Feindbild definiert. Der Verfassungsschutz betrachtet dieses Segment hingegen als unproblematisch.
Aussteiger Leschik: „Systematische Unterwanderung“
In einer im Januar veröffentlichten ARD-Dokumentation attestieren ausgetretene AfD-Mitglieder, darunter auch Ex-Parteichef Jörg Meuthen, der Partei einen Prozess der permanenten Radikalisierung. Der 2021 ausgetretene Alexander Leschik sprach bereits zum damaligen Zeitpunkt von einer „systematischen Unterwanderung von rechtsradikalen Kräften“.
Gegenüber „TRT Deutsch“ erklärte Leschik, Vereine und Strukturen wie „Ein Prozent“ oder „Compact“ hätten „systematisch Leute geschult und vorbereitet, am rechten Rand der Gesellschaft diese Partei zu agitieren“.
Erst sei es noch mehrheitsfähig gewesen, ultrarechte Entgleisungen zu kritisieren. Dies habe sich jedoch mit Fortdauer der Zeit deutlich geändert. Für das Jahr 2021 „habe ich beobachtet, dass die Kritik an diesen Entgleisungen überhaupt nicht mehr mehrheitsfähig ist“, so Leschik.
Stigmatisierung durch Medien als Hilfe für radikale Kräfte?
Weitere Faktoren, die zu einer Radikalisierung beigetragen hätten, seien aber auch mediales Framing und Anfeindungen durch linksextreme Kreise wie die „Antifa“ gewesen, von deren Gewalt sich etablierte Parteipolitiker zu selten distanziert hätten. Gleichzeitig habe sich ein Filterblasenphänomen ergeben. Leschik äußerte dazu:
„Dann kommt man auf die Facebook-Timeline und das Einzige, was man sieht, sind Menschen, die dieselben Ansichten vertreten. Und die sich in ihrer Radikalität immer mehr hochschaukeln, da bekommt man den Eindruck ganz, ganz schnell, dass die eigene Facebook-Timeline die Realität ist…“
Auch Ex-Chef Jörg Meuthen spricht von einer Mitschuld der Medien an der Radikalisierung der Partei. Diese hätten die AfD „bereits zu einem Zeitpunkt in die rechte Ecke gestellt, als wir das noch gar nicht waren“. Mehrere andere der befragten Ex-Mitglieder bestätigten, dass gemäßigte Kräfte sich aufgrund des Framings zurückgezogen und radikale sich bestätigt gefühlt hätten.
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