Bessere Kommunikation mit Washington angemahnt: „Alle profitieren vom Zusammenhalt des Bündnisses, nur Russland und China von Zwist“
Deutschland ist zu einer neuen „Frontlinie“ des Kalten Krieges des Westens mit Russland und China geworden, fühlt sich aber „nicht mehr in der Lage, sich auf den Schutz der USA zu verlassen“, heißt es in einem neuen Bericht der britischen Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI).
Die Analyse der Denkfabrik erschien, nachdem die USA angekündigt hatten, 11.900 amerikanische Soldaten aus Deutschland abzuziehen. US-Verteidigungsminister Mark Esper sagte am 29. Juli im Pentagon, die Zahl der in Deutschland stationierten US-Soldaten werde von rund 36.000 auf 24.000 gesenkt. Unter anderem wird das regionale Hauptquartier US European Command (Eucom) von Stuttgart ins belgische Mons verlegt.
Dies kühlt womöglich die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA noch weiter ab.
Deutschland droht Gefahr aus China und Russland
„Die schlechten Beziehungen zwischen Donald Trump und Merkel haben das Gefühl der Verwundbarkeit Deutschlands gegenüber potenziellen Gefahren aus China und Russland noch verstärkt“, schreibt die RUSI in ihrem Bericht.
Andreas Michaelis, Deutschlands Botschafter in Großbritannien, sagte gegenüber „Business Insider“, dass es „Mängel“ im Verhältnis zwischen Deutschland und den USA gäbe und die Zusammenarbeit mit der Trump-Administration jetzt „nicht einfach“ sei. Er sagte:
Bei all den Unzulänglichkeiten in der Informationspolitik und den Dingen, die ohne Konsultation entschieden werden, ist diese Unordnung, die sich in die Beziehung eingeschlichen hat, etwas, das uns beunruhigt.“
Deutschland sei „mit einer Reihe von politischen und wirtschaftlichen Gefahren konfrontiert, welche von China ausgehen“, schreibt die britische Denkfabrik. Aus Russland kämen andere Gefahren, die sich hauptsächlich um die Cybersicherheit drehen, „aber keineswegs darauf beschränkt sind“. Die deutsche Regierung sei jedoch der Ansicht, dass sie sich nach einer Reihe von Zusammenstößen zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Trump nicht mehr auf die USA verlassen kann, um „ihre Sicherheit zu gewährleisten“, so der Bericht.
Der Autor des Berichts, John Kampfner von RUSI, stellt fest, dass „Deutschland an der vordersten Front der russischen und chinesischen Hybridaktionen der Einmischung und des Einflusses in Europa steht“.
Die Herausforderungen, welche China und Russland an Deutschland stellten, seien bereits vor der Corona-Pandemie offensichtlich gewesen, steht im Bericht von RUSI. „In den vergangenen Monaten sind sie umso deutlicher geworden. Die weitere Verschlechterung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen hat sich für Deutschland besonders destabilisierend ausgewirkt.“
Beziehung zwischen Deutschland und den USA auf dem Prüfstand
Die Entscheidung des Truppenabzugs kam offensichtlich ohne offizielle Absprache mit Deutschland oder gar mit dem Pentagon. Daher „rief sie bei den Verteidigungs- und Sicherheitseinrichtungen beider Länder Bestürzung hervor“, analysiert der Bericht.
Die Ankündigung kam auch nur einige Tage, nachdem Bundeskanzlerin Merkel „unter Berufung auf die Pandemie erklärt hatte, dass sie an einem persönlichen Treffen der G7 in Washington nicht teilnehmen würde“. „Die Folgeentscheidung von Trump, Russland neben Südkorea, Australien und Indien zu einem neu arrangierten Gipfel im September einzuladen, verunsicherte einige Teilnehmer, darunter auch Deutschland“, so die Analyse aus Großbritannien.
Merkels Regierung reagierte „verärgert“ auf Trumps Entscheidung, schreibt „Business Insider“, die Truppen noch in diesem Jahr aus Deutschland abzuziehen.
Der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann David Wadephul, sagte Anfang Juni:
Die Pläne zeigen erneut, dass die Trump-Administration eine elementare Führungsaufgabe vernachlässigt: Die Einbindung der Bündnispartner in Entscheidungsprozesse.“
„So behandelt man seine Partner nicht“, fügte Wadephul hinzu. „Alle profitieren vom Zusammenhalt des Bündnisses, nur Russland und China vom Zwist. Das sollte in Washington mehr beachtet werden.“
Peter Beyer, Deutschlands Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit, sagte, dies sei „völlig inakzeptabel“.
„Im negativen Sinne beispiellos war, dass die Bundesregierung von den Abzugsideen zunächst nur aus der Zeitung erfahren hat“, sagte er der dpa. „Anschließend wurden wir eine Woche lang hingehalten, es gab keine weiteren Informationen, obwohl sich die Bundesregierung auf allen Kanälen darum bemühte, mehr in Erfahrung zu bringen. So etwas sollte in der eigentlich sehr guten und vitalen deutsch-amerikanischen Freundschaft nicht wieder vorkommen.“
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