Türkei für Muslimbrüder nicht mehr sicher genug – Großbritannien bevorzugt
Die Muslimbrüder fühlen sich in der Türkei nicht mehr wohl. Wie das Portal „Mena Watch“ berichtet, haben erst jüngst bedeutende Influencer der radikalen Organisation wie der Journalist Moataz Matar das Land verlassen und in London Quartier bezogen.
Wie „Al Arabiya“ andeutet, soll die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan selbst Medienmacher der Muslimbruderschaft zum Verlassen der Türkei ersucht haben. Neben Matar sollen sich noch weitere einflussreiche Führer der international vernetzten Vereinigung nicht mehr in der Türkei aufhalten. Der oberste Führer der Organisation, Ibrahim Munir, residiert bereits seit längerem in Großbritannien.
Materielle und logistische Unterstützung fällt weg
Der Medienbeobachter Amr Farouk erklärte zudem, der zuvor in der Türkei ansässige Sender „Al Sharq“, der über ein enormes Budget verfügen soll, sei ebenfalls in London als „Al Sharq Media Services“ neu gegründet worden. Zudem habe die Bruderschaft bereits in den vergangenen Monaten zuvor von der Türkei aus betriebene Kanäle wie „Check Egypt“ oder diverse Youtube-Auftritte nach Großbritannien übersiedelt.
Auffällig war, dass die einst scharfzüngige Berichterstattung und Kommentierung politischer Ereignisse bei „Al Sharq“ bereits seit mehreren Wochen fehlte. Auch dafür soll direkter Druck aus Ankara verantwortlich sein.
Die Dozentin Jillian Kennedy von der British University of Southampton spricht von einem „Wandel der türkischen Politik gegenüber der Muslimbruderschaft“, der zur Folge habe, dass „die Mitglieder der Gruppe auch unter Problemen leiden, die sich zu äußerst schwierigen Bedingungen auswachsen könnten, da die materielle und logistische Unterstützung eingestellt wurde“.
Türkei strebt Normalisierung mit Israel, Ägypten und den VAE an
Grund für das harte Vorgehen der Regierung in Ankara gegen die umstrittene Organisation dürfte die von Präsident Erdoğan selbst im Laufe der vergangenen Wochen angekündigte Neujustierung der türkischen Außenpolitik sein. So soll nicht nur ein konstruktiveres Verhältnis gegenüber Israel Platz greifen. Ankara möchte auch seine über Jahre hinweg eingetrübten Beziehungen zu moderaten arabischen Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sowie zu Ägypten normalisieren.
Da die Muslimbrüder gegenüber all diesen Staaten in Konfrontation stehen und in einigen davon sogar verboten sind, hätte eine weitere Ausbreitung und ungehinderte Tätigkeit der Vereinigung in Ankara diesen Prozess untergraben.
Ambivalentes Verhältnis Erdoğans zu der Bewegung
In der Türkei selbst war das Verhältnis der Regierung Erdoğan zu den Muslimbrüdern stets ambivalent. Der heutige türkische Präsident entstammte ursprünglich selbst dem Lager des politischen Islam in der Türkei – der Bewegung „Millî Görüş“ um den engen ideologischen Weggefährten der Bruderschaft, Necmettin Erbakan.
Nach dem Putsch gegen dessen Regierung 1997 und dem Verbot seiner Parteiprojekte schloss sich Erdoğan jedoch mit Reformern im islamischen politischen Spektrum 2001 zur AKP zusammen, die sich von den radikaleren Vorstellungen der Millî-Görüş-Bewegung distanzierte, deren harter Kern sich in der politisch eher wenig bedeutenden Saadet-Partei sammelte.
Allerdings vollzog Erdoğan nie einen vollständigen Bruch mit den radikalen islamischen Kräften. Zum einen war er innenpolitisch auf deren Stimmen und Mobilisierungsfähigkeit angewiesen. Zum anderen wurden die Muslimbrüder außenpolitisch Anfang der 2010er Jahre zum wichtigen politischen Partner. Sie konnten in Ägypten bis zum Putsch 2013 die Macht erobern und waren im syrischen Aufstand gegen Machthaber Baschar al-Assad eine wesentliche Komponente. Auch in Libyen und im Gazastreifen erschien die Bruderschaft als potenzieller Förderer türkischer Interessen.
Muslimbrüder wollen Verankerung in europäischen Communitys festigen
Mittlerweile hat die Bruderschaft jedoch auch in der breiten Bevölkerung arabischer Länder und in islamischen Communitys der Diaspora an Anziehungskraft verloren. Für die Türkei erscheint es zunehmend als lohnender, auf normalisierte Beziehungen zu den staatlichen Akteuren in der Region zu bauen – zumal auch wirtschaftlich in einer schwierigen Situation Win-win-Situationen entstehen können.
Die Muslimbrüder wiederum dürften an ihrem neuen Brückenkopf in Großbritannien ein neues ruhiges Hinterland suchen – und versuchen, von dort aus ihren Einfluss auf die britische und europäische muslimische Diaspora zu festigen. Dies meint auch Jillian Kennedy, die auf einer Veranstaltung in Abu Dhabi jüngst erklärte:
Großbritannien ist einer der wichtigsten sicheren Häfen für die Muslimbruderschaft. Viele Mitglieder der Gruppe leben dort, und waren in der Lage, ein Netz von Beziehungen zu sozialen und wohltätigen Organisationen aufzubauen.“
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