Symbolpolitik als Soft-Power: Flagge zeigen auf allen Weltmeeren

Kein Verteidigungsminister reiste so häufig ins Ausland wie Boris Pistorius. Hinter der militärpolitischen Reisediplomatie steht vor allem Symbolpolitik. Als „Soft-Power“ ist sie ein Teil der neuen deutschen Verteidigungsstrategie. Gleichzeitig möchte Deutschland weltweit als „verlässlicher Partner“ wahrgenommen werden. Eine Analyse.
Bei den Verteidigungsausgaben drückt Minister Pistorius aufs Tempo.
Bei den Verteidigungsausgaben drückt Minister Pistorius aufs Tempo.Foto: Soeren Stache/dpa
Von 6. August 2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist gerade von einer einwöchigen Reise in den indopazifischen Raum zurückgekehrt. Diese Reise „bekräftigt“ laut Bundesverteidigungsministerium (BMVg) vor allem eine Botschaft: „Deutschland ist ein verlässlicher Partner, der für die Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung einsteht.“

Doch was genau ist mit dieser „Botschaft“ gemeint?

Deutsche Marine auf Hawaii

Ausgangspunkt war Pearl Harbor auf Hawaii, wo am 31. Juli die seit 1971 regelmäßig durchgeführte Seeübung RIMPAC zu Ende ging. Erstmals war auch die Bundeswehr mit zwei Schiffen beteiligt: Die Fregatte „Baden-Württemberg“, 125 Meter lang und 7.000 Tonnen schwer, hat bei der dreiwöchigen Übung mit ihrem 127-Millimeter-Geschütz virtuell Schiffe versenkt.

29 Nationen nahmen an diesem Marinemanöver teil und der Verteidigungsminister wollte sich offenbar vor Ort ein eigenes Bild machen. Daniel Mützel stellt auf „t-online“ die berechtigte Frage: „Will er die deutsche Sicherheit auch im Pazifik verteidigen?“

Verteidigungsminister Pistorius besucht Pearl Harbor

Verteidigungsminister Pistorius besucht Pearl Harbor auf Hawaii. Der Marinestützpunkt Pearl Harbor wurde am 7. Dezember 1941 von japanischen Streitkräften angegriffen, was den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg zur Folge hatte. Foto: Soeren Stache/dpa

Gegen Pekings Druck

Das BMVg gab zu Beginn der Reise eine Begründung für das hohe Pazifik-Engagement seines Ministers: „Seit geraumer Zeit“ gefährdeten „geopolitische Spannungen im indo-pazifischen Raum die internationale Ordnung“. Vor allem „Chinas Vormachtstreben, sein Anspruch auf Taiwan und Nordkoreas Atomwaffenprogramm führen zu Spannungen“, heißt es weiter.

Deutschland habe ein strategisches Interesse an freien Seewegen in der Region. Denn eine Beeinträchtigung der Transportrouten im Indo-Pazifik und damit der Lieferketten von und nach Europa hätte gravierende Folgen – auch für die Versorgung der Bundesrepublik.

Mit seinem Besuch in der Region festige der Minister „sicherheitspolitische Beziehungen mit Schlüsselpartnern vor Ort“ und lasse keinen Zweifel an „Deutschlands Solidarität“. Pistorius vor Ort zur Presse: Deutschland stelle sich „an die Seite derjenigen, die unter Druck geraten“. Eine mögliche weitere diplomatische Verstimmung mit der VR China nimmt Pistorius offenbar billigend in Kauf.

Bundeswehr nach Südkorea

Konkret verblüffte Pistorius die Presse bei seiner nächsten Station in Südkorea. Zwei Tage hielt er sich dort auf und bekundet damit die Ernsthaftigkeit seines Interesses an dem Land. Pistorius verhandelt über Rüstungsverträge, vor allem aber zeigt er wieder mal symbolisch „Flagge“: Nach einem Besuch der innerkoreanischen Demarkationslinie unterzeichnet er den Beitritt Deutschlands zum UNO-Kommando (UNC), das den seit 1953 geltenden Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea sichert.

Deutschland wird damit die 18. Nation, die sich an diesem heiklen Unterfangen beteiligen will. Geführt wird das UNC von den USA. In erster Linie geht es um das Feststellen von Grenzverstößen gegen das Waffenstillstandsabkommen.

Auch hier wieder ein mantraartiges Statement von Pistorius: Deutschland trage mit dem Beitritt „zur Stabilität“ auf der koreanischen Halbinsel bei. Diesen Schritt untermauerte Pistorius unmittelbar konkret: Die beiden deutschen Marineschiffe, die vor Hawaii an der Seeübung teilgenommen hatten, werden nach Südkorea verlegt und für eine kurze Zeit den Seeraum Koreas mit überwachen, um UN-Sanktionen gegen Nordkorea durchzusetzen.

Auch ein Beobachtungsflugzeug der Luftwaffe wird sich an der Aktion beteiligen. Für später ist die Einrichtung eines Verbindungsbüros der Bundeswehr in Seoul geplant. Von deutschen Soldaten, die unmittelbar an der Demarkationslinie patrouillieren, war nicht die Rede.

Diese Mitarbeiter des südkoreanischen Außenministeriums tragen Krawatten in schwarz-rot-goldenem Design beim Besuch des deutschen Verteidigungsministers.

Diese Mitarbeiter des südkoreanischen Außenministeriums tragen Krawatten in schwarz-rot-goldenem Design beim Besuch des deutschen Verteidigungsministers. Foto: Soeren Stache/dpa

Militärabkommen mit den Philippinen

Beim letzten Stopp seiner Reise auf den Philippinen gab es die zweite Überraschung. Dort kündigte Pistorius ebenfalls ein Militärabkommen mit dem Inselstaat bis Ende des Jahres an. Deutschland bietet seit Jahren vielen Ländern dieser Welt mit einem eigenen Programm Ausbildungen bei der Bundeswehr an, darunter waren auch schon Offiziere der Nationalen Volksarmee Chinas.

Nun sollen auch die Philippinen in diesen Genuss kommen. Außerdem wünscht sich Pistorius nach seinen Worten eine Zusammenarbeit in der Luft- und Küstenverteidigung „und möglicherweise die Beschaffung von Transportflugzeugen“. Hier geht es wohl um das Bewerben von Verkäufen des neuen Bundeswehr-Transportflugzeugs A400M.

Verteidigungsminister Pistorius hat in diesem Jahr bereits ein beträchtliches Pensum an Auslandsreisen absolviert. Die diesjährige Militärreisediplomatie des Verteidigungsministers begann am 6. Februar.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (rechts) und der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. posieren für Fotos während ihres Treffens im Malacanang-Palast am 05. August 2024 in Manila, Philippinen. Foto: Ezra Acayan/Getty Images

Februar: Balkan

In Kosovos Hauptstadt Priština wurde er sowohl von seinem Amtskollegen als auch vom Premierminister und der Staatspräsidentin hochrangig empfangen. Das verdeutlicht den hohen Stellenwert, der Deutschland von dem seit 2008 von Serbien unabhängigen Balkanstaat beigemessen wird.

Denn die Bundeswehr ist dort seit 1999 nach Beendigung des Kosovokrieges am NATO-Einsatzkontingent KFOR zur Sicherung des Friedens beteiligt. Es ist der längste auf unbestimmte Zeit andauernde Auslandseinsatz der Bundeswehr. Pistorius kündigte an, den deutschen Kontingentanteil von derzeit 90 Soldaten ab Mai auf 250 Soldaten zu erhöhen. Dies soll wohl als Beitrag dazu dienen, die US-Truppen zu entlasten.

Am darauffolgenden Tag traf Pistorius mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić in Belgrad zusammen. Das Verhältnis zwischen Belgrad und Berlin ist angespannt, da Serbien gute Beziehungen zu Putin pflegt. Im Mittelpunkt der Gespräche soll laut Pressemitteilungen der Krieg in der Ukraine gestanden haben.

Boris Pistorius und Aleksandar Vučić (r) geben gemeinsam eine Pressekonferenz.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius und der serbische Präsident Aleksandar Vučić (r) geben gemeinsam eine Pressekonferenz. Foto: Soeren Stache/dpa

März: Skandinavien

Am 6. März startete Pistorius in Schweden eine Skandinavienreise. Mit seinem Amtskollegen vereinbarte er „eine Intensivierung der bilateralen militärpolitischen Beziehungen“. Hauptgrund des Besuches war jedoch ein Informationsaustausch über das schwedische Modell der Wehrpflicht, von dem sich Pistorius angetan zeigte.

Tags darauf besuchte er am Polarkreis in Norwegen deutsche Gebirgsjäger, die an der NATO-Übung „Nordic Response“ teilnahmen.

Mai: Baltikum

Am 21. Mai startete der Verteidigungsminister zu einer „militärpolitischen Reise“, wie die Auslandsreisen des Ministers offiziell vom BMGg genannt werden, ins Baltikum. Auf dem Programm standen Truppenbesuche in Lettland und Litauen sowie Gespräche mit allen drei baltischen Verteidigungsministern.

Es sei um die Stärkung der NATO-„Ostflanke“, wie seit geraumer Zeit die Staaten Osteuropas in Berlin genannt werden, gegangen, verlautbarte das BMVg. Dazu will Pistorius konkret ab 2027 mit der Stationierung einer Bundeswehrbrigade (4.800 Soldaten) in Litauen beitragen. Der Verteidigungsminister nennt dieses Vorhaben „ein Leuchtturmprojekt der Zeitenwende“.

Juli: Alaska, Washington, Pazifik

Der Polarkreis ist für die NATO von geostrategischer Bedeutung. Deshalb machte sich Pistorius am 8. Juli auf den Weg nach Alaska, wo die Luftwaffe mit NATO-Partnern beim Manöver Arctic Defender Luftkampf übte. Wieder ging es dem Minister um den persönlichen „Blick ins Gelände“.

Von Alaska aus eilte Pistorius am 10. Juli nach Washington, um gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz am NATO-Gipfel mit Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum des Verteidigungsbündnisses teilzunehmen. Und Ende des Monats startete er die besagte Indo-Pazifik-Tour.

Juli 2023: Irak-Reise abgesagt

Jedoch kommt nicht jede von Pistorius geplante Reise zustande. Als Beispiel sei eine Reiseabsicht aus dem vergangenen Jahr angeführt. Wegen Koran-Verunglimpfungen in Schweden und Dänemark am 21. Juli 2023 hatte es im Irak massive Proteste gegeben, bei denen es auch zu Ausschreitungen kam.

Daraufhin sagte Pistorius seinen für Juli geplanten Besuch in dem Land, in dem die Bundeswehr ein Einsatzkontingent unterhält, ab. Als Grund wurden Sicherheitsbedenken angegeben, die das Auswärtige Amt (AA) äußerte. Doch so prekär wie die deutschen Diplomaten die Lage damals schilderten, stellte sie sich in Realität nicht dar, zumal Deutschland im Irak über ein hohes Ansehen und damit auch über Schutz verfügt.

Anfang März 2023 hatte bereits Außenministerin Annalena Baerbock den Irak besucht und stieß überall auf offene Türen. Möglicherweise ging Pistorius hier den Diplomaten des AA auf dem Leim, die keine Konkurrenzveranstaltung zu ihrer Ministerin haben wollten.

Ein Besuch von Pistorius im Irak dürfte aufgrund der nun tatsächlich angespannten Lage im gesamten Nahen Osten auf lange Sicht nicht mehr infrage kommen.

Reisen als „Show of Force“

Die vielen Auslandsreisen von Pistorius stellen in erster Linie eine Symbolpolitik dar, die als „Soft-Power“ ein Teil der neuen deutschen Verteidigungsstrategie ist. In nahezu jeder Presseerklärung des Verteidigungsministeriums zu den Auslandsreisen seines Ministers wird mantraartig verkündet, die Besuche „demonstrieren, dass Deutschland ein verlässlicher Partner“ sei.

Wer so oft betonen muss, dass er als „verlässlicher Partner“ wahrgenommen werden will, hat ein Imageproblem. Stets nur Flagge zeigen und Symbolpolitik betreiben, wird die Glaubwürdigkeit des ministeriellen Mantras nicht erhöhen. Doch um überall, wo Pistorius hinreist, das liefern zu können, was sich die anderen Partner von Deutschland wünschen, fehlen dem Verteidigungsminister die Mittel.

Das hat ihm jüngst wieder sein Kabinettskollege Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Zuge des Haushaltsstreits der Regierung ins Stammbuch geschrieben. Wohl aus diesem Grund wurde von den Amtsvorgängern die militärische Reisediplomatie nur gering genutzt.

Außerdem fehlte es an Unterstützung seitens der sechzehn Jahre lang regierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese Zurückhaltung hat sich offenbar mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) drastisch geändert. Er lässt seinen Verteidigungsminister so häufig ins Ausland reisen, wie dieser möchte, weil das in der Wahrnehmung der beiden SPD-Politiker ein Teil von „Show of Force“ ist – und am wenigsten kostet.

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.



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