Starker Zulauf für AfD in Thüringen – Regierungsoption jedoch undenkbar
Einer aktuellen Umfrage von INSA zufolge wäre die AfD, würde am Sonntag in Thüringen gewählt, weiterhin stärkste Kraft im Landtag. Im Vergleich zu November legt der Landesverband von Björn Höcke einen weiteren Prozentpunkt zu und liegt nun bei 26 Prozent. Mit einem Plus von zwei Punkten auf 25 Prozent kann die Linkspartei unter Ministerpräsident Bodo Ramelow jedoch aufschließen.
Keine Koalition ohne AfD oder Linkspartei in Thüringen
Auch wenn es der CDU gelingt, einen Punkt auf 22 Prozent zuzulegen, wäre bei diesem Ergebnis keine Regierungskoalition ohne Linkspartei oder AfD möglich. Die Union hat jedoch eine Zusammenarbeit mit beiden Parteien ausgeschlossen. Derzeit toleriert sie eine linke Minderheitsregierung. Die SPD bliebe im Freistaat mit zehn Prozent weiterhin schwach, auch die Grünen verlieren auf nur noch sechs Prozent.
Die FDP, die schon 2019 nur um Haaresbreite den Landtagseinzug geschafft hatte, müsste auch diesmal zittern. Sie liegt unverändert bei fünf Prozent. Die „Bürger für Thüringen“ (BfTh), kämen nicht in den Landtag. Sie liegen bei zwei Prozent. Der BfTh-Gruppe im Landtag gehören eine frühere Abgeordnete der FDP und drei frühere AfD-MdLs an.
In Thüringen wird regulär im Jahr 2024 ein neuer Landtag gewählt. Unmittelbar nach dem Skandal um die „rückgängig gemachte“ Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten sah dies anders aus. Regierungsparteien und CDU hatten im Frühjahr 2020 eine Neuwahl spätestens im Jahr darauf ins Auge gefasst. Ein entsprechender Beschluss kam jedoch nicht zustande. Neben der Corona-Krise galten hohe AfD-Umfragewerte als Gründe dafür.
Höcke als treibende Kraft zur Ablösung der Gründergeneration
„Die AfD steht so gut da wie lange nicht“, äußert der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder gegenüber AFP. Sie sei „in der Lage, den Unmut aufzunehmen und zu artikulieren, der angesichts der vielen Krisen und Unsicherheiten vorhanden ist“.
In einigen Sachfragen gelingt es ihr auch, die geschlossene Ablehnungsfront der übrigen Parteien zu durchbrechen. So verabschiedeten CDU und FDP jüngst mit den Stimmen der Rechten ein Spielhallengesetz.
Eine Regierungsperspektive für die AfD sieht Schroeder jedoch auch weiterhin nicht. Es sei bei der aktuellen Führung nicht zu erkennen, wer die Partei auf einen Regierungskurs bringen könnte. Dies gelte erst recht in Thüringen, wo mit Landeschef Björn Höcke der entscheidende Architekt des Rechtskurses der Partei wirke.
Seine 2015 vorangetriebene „Erfurter Resolution“ habe die Ablösung der „konservativ-euroskeptischen“ Gründergeneration auf dem Essener Parteitag initiiert. Danach sei, so Schroeder, der „antirassistische, migrationsfeindliche, nationalistische und rückwärts orientierte Stil zum Tragen gekommen“.
„Ausdruck gesellschaftlicher Widersprüche und Krisensituationen“
Schroeder erwartet, dass 2024 „das große Jahr der AfD“ werden könnte, wenn Landtagswahlen in den Ost-Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen anstehen. Die AfD könnte dann erstmals stärkste Kraft bei einer Landtagswahl werden. Eine Regierungsbeteiligung würde daraus jedoch nicht resultieren. Es würden sich vielmehr Mehrparteienkoalitionen stabilisieren.
Bundesweit liegt die AfD derzeit wieder bei 14 bis 15 Prozent. Das ist noch deutlich unter den Bestwerten von bis zu 18,5 Prozent, die im Jahr 2018 zu verzeichnen waren. In den Jahren 2021 und 2022 verlor die AfD bei mehreren Landtagswahlen und der Bundestagswahl deutlich an Stimmen. In Schleswig-Holstein flog sie sogar nach einer Legislaturperiode wieder aus dem Landtag.
Schroeder sieht Inflation, Energieknappheit und den Ukraine-Krieg als wesentliche Faktoren der steigenden AfD-Umfragewerte. Diese hätten „die Zukunftsperspektiven für Europa und Deutschland etwas vernebelt“. Die AfD sei „Profiteur dieser pessimistischen Grundhaltung“ und „Ausdruck gesellschaftlicher Widersprüche und Krisensituationen“. Mit ihrer Erzählung vom „Wir hier unten und die da oben“ biete sie auch ein Gemeinschaftsgefühl an.
Skandale und Austritte schaden der AfD bei Stammwählern nicht
Tatsächlich unterscheidet sich die Situation der AfD deutlich von jener der früher präsenten Rechtsparteien wie „Die Republikaner“ oder „Deutsche Volksunion“ (DVU). Neu ist insbesondere, dass ein vom Verfassungsschutz formulierter Extremismusverdacht sie nicht substanziell schwächt. Auch nehmen Wähler ihr Abspaltungen, Skandale und Austritte aus Partei und Fraktion nicht übel.
Es scheint eine verfestigte Wählerschaft in grundlegender Gegnerschaft zum etablierten Spektrum und dessen Narrativen entstanden zu sein. Solange diese in ausreichendem Maße zur Wahl geht, kann die AfD mit Ergebnissen deutlich über fünf Prozent im Westen und jenseits der 20 Prozent im Osten rechnen.
Im Ergebnis zeichnet sich dennoch ab, dass die selbsternannte Anti-System-Partei AfD entgegen dem selbstgewählten Anspruch als systemstabilisierend wirkt. Auch Ergebnisse von 20 oder 25 Prozent haben infolge der Verweigerungshaltung der übrigen Parteien keine Regierungsbeteiligung zur Folge.
Gegnerschaft zu etablierten Narrativen als einigende Klammer
Es erscheint auch fraglich, ob die AfD tatsächlich in der Lage wäre, eine hypothetische Regierungsbeteiligung zu überstehen, ohne an ihren inneren Widersprüchen zu zerbrechen. Bis dato reicht die Gegnerschaft zur Energie-, EU- und Migrationspolitik der übrigen Parteien als Klammer aus, die Mitglieder und Anhängerschaft zusammenhält.
Auch, was die Position zum Ukraine-Krieg anbelangt, scheint sich die Position gegen eine vertiefte Konfrontation mit Russland durchgesetzt zu haben. Das schlechte Abschneiden russlandkritischer Kandidaten beim Bundesparteitag im Vorjahr und aktuelle Umfragen schaffen diesbezüglich klare Verhältnisse. Diese weisen aus, dass die Ablehnung einer weiteren Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland unter AfD-Anhängern bundesweit am stärksten ausgeprägt ist.
Dennoch prallen auch innerhalb der Partei selbst ideologische Welten aufeinander – selbst dort, wo es wie beispielsweise beim Islam ein einigendes Feindbild gibt. Dies betrifft nicht nur Fragen wie den außenpolitischen Umgang mit dem Iran. Während einige Abgeordnete der Partei für eine härtere Gangart gegenüber den Mullahs eintreten, fordern andere, den Rohstoffhandel mit Teheran auszubauen.
Massive ideologische Spaltungspotenziale
Unter der Oberfläche einhelliger Ablehnung von Muezzin-Rufen, Halal-Fleischereien oder Kopftüchern in Deutschland tun sich weitere fundamentale Gegensätze auf. Bei einigen Anhängern und Politikern der Partei ist das Dogma der „Islamkritik“ Ausdruck einer generellen Ablehnung von Religionen. In ihren Reihen lehnt man beispielsweise Restriktionen für Schwangerschaftsabbrüche ab oder befürwortet Druck auf Entwicklungsländer, Geburtenkontrolle zu erzwingen.
Andere lehnen zwar eine Ausbreitung des Islam ab, weil diese eine Konkurrenz zum Christentum darstellt. Sie würden sich jedoch abseits davon insgesamt doch eine Entsäkularisierung und Rückkehr zu religiösen Werten in Deutschland wünschen.
Die zum Teil fundamentalen Interessensunterschiede innerhalb der AfD setzen sich auch noch in Sachfragen fort. So hat die Partei in der Rentenpolitik lediglich einen Minimalkonsens zwischen Anhängern des Umlage- und des Kapitaldeckungsverfahrens erreicht. Auch was den Umgang mit China und dessen KP-Regime betrifft, gibt es keine einheitliche Linie.
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