SPD blickt nach Brandenburg – Ministerin regt Talkshow-Verbot für Esken an
Mit mehr als 54 Prozent triumphierte die SPD bei den Landtagswahlen in Brandenburg 1994, in die sie mit Ministerpräsident Manfred Stolpe und Sozialministerin Regine Hildebrandt gezogen war. Mit 28 Prozent der Stimmen wurde die damalige PDS im Jahr 2004 zweitstärkste Kraft, und auch als „Die Linke“ konnte sie dieses Ergebnis fünf Jahre später mit 27,2 Prozent beinahe bestätigen.
Heute sehen die Zustimmungswerte beider Parteien wesentlich anders aus. In der jüngsten INSA-Umfrage liegt die Linkspartei bei fünf Prozent. Diese stammt allerdings vom 6. August und die Entwicklungen seit dieser Zeit sowie die Landtagswahlergebnisse in Thüringen und Sachsen sind dort noch nicht eingepreist. Ähnlich wie in Sachsen besteht auch in Brandenburg die Chance, durch ein Grundmandat den Einzug in den Landtag zu sichern. Die Linke hatte allerdings – anders als in Sachsen – schon 2019 kein Direktmandat mehr erringen können. Um das unmöglich Scheinende wahr werden zu lassen, reaktiviert die Partei in Strausberg ihre frühere langjährige Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser. Zugutekommen könnte dieser neben ihrem Bekanntheitsgrad der Umstand, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Bundesland keine Direktkandidaten aufstellt.
SPD hofft in Brandenburg auf Trendwende
Auf eine zumindest kleine Trendwende hofft hingegen die SPD. Das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde ist in Sachsen und Thüringen nicht eingetreten. In Brandenburg kann sie zudem auch auf den Ministerpräsidentenbonus hoffen. Seit der Wiedervereinigung haben die Sozialdemokraten ununterbrochen den Regierungschef im Land gestellt und geht es nach den Bürgern, soll dieser weiterhin Dietmar Woidke heißen.
Einer Infratest-dimap-Umfrage gaben 51 Prozent der Befragten an, Woidke weiter als Ministerpräsidenten haben zu wollen. CDU-Kandidat Jan Redmann kam nur auf sieben, AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt auf sechs Prozent.
Dass man nicht immer einen Ministerpräsidentenbonus einkalkulieren kann, musste am Sonntag die Linkspartei erfahren, die trotz ähnlich hoher Zustimmungswerte für Bodo Ramelow in Thüringen abstürzte. Allerdings lag die Brandenburger SPD in der INSA-Umfrage mit 20 Prozent nur vier Prozent hinter der AfD. Dieser Abstand könnte noch knapp genug sein, um Sympathisanten anderer Parteien dazu zu motivieren, SPD zu wählen – um einen weiteren ersten Platz der AfD in einem Bundesland zu verhindern.
Finanzministerin nennt Eskens Äußerungen zu Solingen „unerträglich“
In der SPD Brandenburg sieht man sich personell und inhaltlich gut genug aufgestellt, um auf diese Weise zumindest einen Achtungserfolg erzielen zu können. Allerdings befürchtet man, wie bereits die Genossen in Sachsen und Thüringen die Wut über die Politik der Ampel in Berlin zu spüren zu bekommen. Ministerpräsident Woidke hatte von vornherein keine gemeinsamen Termine mit Bundeskanzler Olaf Scholz eingeplant.
Die Finanzministerin des Bundeslandes, Katrin Lange, erklärte nun gegenüber „Bild“, es wäre „schon einiges gewonnen, wenn bestimmte Leute grundsätzlich nicht mehr an Talkshows teilnehmen würden“. Dies sei nämlich „unerträglich“. Auf Spekulationen hin, auf wen dies gemünzt sein könne, bestätigte Lange anschließend auf Facebook, dass die Anspielung Parteichefin Saskia Esken gegolten habe.
Esken war jüngst für die Äußerung in die Kritik geraten, dass sich aus dem mutmaßlichen Terroranschlag von Solingen „nicht viel lernen“ lasse. Später bezeichnete sie dies als „sicher keine kluge und richtige Aussage“. Man könne aus der Bluttat lernen, dass „wir den Islamismus, die Gefährdung durch den islamistischen Terror noch viel ernster nehmen müssen, als wir es bisher getan haben“.
Die SPD-Chefin wollte sich diesen Maulkorb allerdings nicht verpassen lassen. Ausgerechnet in einer Talkshow – „Beisenherz“ bei ntv – äußerte sie:
„So gehen wir in der SPD nicht miteinander um.“
Woidke nähert sich inhaltlich AfD-Forderungen an
Esken erklärte, man habe „jetzt womöglich zu lange nicht miteinander gesprochen“. Daran müsse man „mal was ändern“. Lange hatte in ihrem Interview erklärt, hinter den Ergebnissen in Sachsen und Thüringen stehe „die Tatsache, dass die Geduld der Menschen mit der vorherrschenden Politik auf breiter Front zu Ende geht“.
Für eine Flüchtlingspolitik, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel sie betrieben habe, sei die Akzeptanz in Ostdeutschland „praktisch erloschen“. Es sei eine „Gemeinschaftsanstrengung in der Migrationsfrage“ erforderlich, so Lange, nach dem Vorbild des Asylkompromisses der frühen 1990er-Jahre.
Auch Ministerpräsident Woidke selbst versucht in dieser Situation, der AfD durch markige Forderungen in der Flüchtlingspolitik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er begrüßte jüngste Verschärfungen beim Bürgergeld und stellte dieses für Geflüchtete aus der Ukraine infrage.
Es sei richtig gewesen, diesen 2022 bei Kriegsausbruch zu helfen, äußerte Woidke. Nun jedoch müsse man angesichts einer – verglichen mit anderen EU-Ländern – schleppenden Integration von ukrainischen Schutzsuchenden „fragen, ob diese Form der Unterstützung noch zeitgerecht ist“.
Scheitert die Union in Brandenburg an Ukraine-Politik und Alkohol am Steuer?
Brandenburgs CDU-Innenminister Michael Stübgen ging sogar noch weiter und forderte, wehrpflichtigen ukrainischen Staatsangehörigen in Deutschland grundsätzlich kein Bürgergeld mehr zu bezahlen. Diese würden „zur Verteidigung der Ukraine gebraucht“.
Ob solche Forderungen in der breiten Öffentlichkeit des Bundeslandes ankommen, ist fraglich. Offenbar sollen sie bei der Rückgewinnung von AfD-Wählern helfen. Allerdings geht bislang nicht einmal die AfD so weit, in Deutschland lebende wehrpflichtige Ukrainer durch Streichung des Bürgergeldes in den Krieg schicken zu wollen. Deren Spitzenkandidat Berndt will Ukrainer – gemeinsam mit anderen Geflüchteten – allerdings von der Teilnahme an Volksfesten ausschließen.
Für die CDU erscheint die Ausgangsposition in Brandenburg zum derzeitigen Zeitpunkt als deutlich unvorteilhafter verglichen zu Sachsen, wo man den Ministerpräsidenten stellt. Zum Vorsprung der AfD und dem Amtsbonus von Woidke kommt zudem auch noch der Skandal um eine alkoholisierte Autofahrt von Spitzenkandidat Rebmann. Der große Vorteil für die Partei ist, dass sie 2019 bereits mit 15,9 Prozent ein schlechtes Ergebnis erzielt hat, das kaum noch eine weitere Abwärtsbewegung zulässt.
Während die INSA-Umfrage vom August der CDU 19 Prozent einräumte, liegt das neu gegründete BSW bei 17 Prozent und könnte unter Führung des Arbeitsrechtslehrers Robert Crumbach eine weitere Überraschung schaffen.
Wiedereinzug von Linken, Grünen und BVB/FW ungewiss
Die Mehrheitsbildung im künftigen Landtag könnte kompliziert werden. Es ist unklar, ob die Linke diesem erneut angehören wird. Auch die Grünen liegen derzeit bei fünf Prozent und es ist ungewiss, ob sie ihr Direktmandat von 2019 verteidigen können.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist das Bündnis der Brandenburger Vereinten Bürgerbewegungen mit den Freien Wählern (BVB/FW). Derzeit liegt dieses bei landesweit vier Prozent, ein Grundmandat ist jedoch denkbar. Nach derzeitigem Stand würde es für die aktuell regierende Kenia-Koalition nicht mehr reichen. Um eine stabile Mehrheit zu erzielen, könnten nach aktuellen Umfragewerten SPD und CDU das BSW mit ins Boot holen. Eine Zusammenarbeit der CDU mit BSW steht derzeit jedoch in Kritik, da der aktuelle Unvereinbarkeitsbeschluss der Union auch gegen linke Positionen wie die des BSW gerichtet ist.
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