Scholz reist wieder nach China

Wenn am Samstag Bundeskanzler Scholz zu einer dreitägigen Reise nach China aufbricht, wird er dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Peking einiges zur deutschen China-Politik erklären müssen. Russland, Wirtschaft – Menschenrechte auch? Eine Analyse.
Olaf Scholz am Flughafen Berlin-Brandenburg.
Olaf Scholz am Flughafen Berlin-Brandenburg. (Archivbild).Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 11. April 2024

Scholz will nach Angaben des Regierungssprechers auch die Metropolen Chongqing und Shanghai besuchen. Begleitet wird er von drei Ministern, die jedoch erst für politische Gespräche am Dienstag, 16. April, nachreisen werden: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sowie einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation.

Eines der Gesprächsthemen, das von deutscher Seite aus gewünscht ist, soll Pekings Einfluss auf Russland sein. Für Scholz ist es sein dritter Besuch in China: 2015 reiste er als Oberbürgermeister von Hamburg nach China, im November 2022 als Bundeskanzler.

Ausgangslage in Berlin: Scholz und Baerbock gespalten

Ob Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping für einen Diktator hält, bleibt unbekannt. Auf eine entsprechende Frage hat am 8. April in Berlin der Regierungssprecher Steffen Hebestreit vor der Presse ausweichend geantwortet. Bekannt ist hingegen, dass Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Xi Jinping im vergangenen September so bezeichnet hat und ihre Aussage später sogar mehrfach bekräftigte. Wie es da um die „Ein-China-Politik“ in der deutschen Regierung steht, bleibt somit fraglich.

Eigentlich steht der Begriff „Ein-China-Politik“ für den Anspruch Chinas, dass auch die „Republik China“ auf Taiwan zu Peking gehören müsse. Innerhalb der Bundesregierung hingegen gibt es keine gemeinsame China-Politik.

Im Reich der Mitte – wie weit wird sich Scholz vorwagen in den Gesprächen mit der Kommunistischen Partei Chinas? Foto: iStock

Baerbocks Außenministerium veröffentlichte im Juli 2023 eine „China-Strategie der Bundesregierung“, in der eindeutig eine teilweise „Entkoppelung“ von China gefordert wird.  Das Regierungspapier stellt zudem fest, dass es in China Rückschritte bei bürgerlichen und politischen Rechten gebe.

„Und Chinas Wirtschaftspolitik zielt darauf, die eigene Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, während es die Abhängigkeiten anderer von China zu steigern sucht“, heißt es dort. Und weiter: „Außenpolitisch tritt China deutlich offensiver auf und versucht, die bestehende regelbasierte internationale Ordnung umzugestalten – mit Auswirkungen auch auf die europäische und globale Sicherheit.“ 

Chinas Sicht auf Scholz-Besuch

Chinas reichweitenstarke englischsprachige Tageszeitung „Global Times“ findet die Begleitung der drei Minister „ungewöhnlich“, ohne dies näher zu begründen. Die chinesische Regierung hat sich noch nicht offiziell zu dem Besuch des Bundeskanzlers geäußert.

Stattdessen lässt das Staatsmedium „Global Times“, das unter Kontrolle von „Renmin Ribao“ (Volkstageszeitung), dem Organ der Kommunistischen Partei Chinas, steht, nicht namentlich genannte „chinesische Analysten“ zu Wort kommen: Der Besuch des Bundeskanzlers könne dazu beitragen, „eine positive Dynamik bei der Konsensbildung“ – auch mit anderen EU-Staaten – zu fördern, so die Analysten.

Der China-Besuch von Scholz wird zudem als „ein Zeichen für die Bereitschaft Deutschlands“ gewertet, „die pragmatische Zusammenarbeit mit China fortzusetzen“, so „Global Times“. Unter Bezugnahme auf das Strategiepapier des Auswärtigen Amts von Juli 2023 betonte das Regierungsblatt, dieses habe „gemischte Signale hinsichtlich der deutschen China-Politik gesendet“.

Größtes Anliegen von Scholz

China ist seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 einer der wichtigsten Partner Russlands geworden. Bei seinen Gesprächen mit der Führung in Peking wolle der Kanzler ausloten, inwieweit China auf Russland und dessen Kriegsführung in der Ukraine einwirken könne, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Für Deutschland bleibt der Krieg in der Ukraine das wichtigste Sicherheitsproblem.

Deshalb bleibt China bei allen Differenzen im politischen Bereich auch einer der wichtigsten Handelspartner. Das zeigt sich etwa bei der Herstellung von Munition für die Ukraine. Die europäische Rüstungsindustrie ist zu 70 Prozent von China abhängig, was die Lieferungen eines Vorprodukts anbelangt: der sogenannten Schießbaumwolle (Lintern). Diese entsteht als Nebenprodukt der Baumwollherstellung. In der Branche besteht die Befürchtung, dass China die Lieferung von Lintern aus politischen Gründen stoppen könnte, berichtete etwa „n-tv“ am 8. April. Es wird Aufgabe von Scholz sein, solche Befürchtungen in Peking deutlich vorzutragen.

Die USA haben China in jüngster Vergangenheit davor gewarnt, das Land bei russischen Gebietsgewinnen in der Ukraine zur Verantwortung zu ziehen. US-Vizeaußenminister Kurt Campbell sagte, russische Gebietsgewinne könnten das Kräfteverhältnis in Europa „in einer Weise verändern, die offen gesagt inakzeptabel ist.“ Für die Vereinigten Staaten sei die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in Europa die historisch wichtigste Mission, so Campbell.

Campbell antwortete am 9. April auf eine Frage zu einem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Peking. Dort hatten sich Lawrow und sein chinesischer Kollege Wang Yi für eine Stärkung der strategischen Zusammenarbeit ihrer Länder ausgesprochen. Chinas Staatschef Xi Jinping sagte laut Staatsmedien, dass sein Land bereit sei, „gemeinsam mit Russland die bilaterale Kommunikation“ und die „multilaterale strategische Koordination zu stärken“.

Was will die deutsche Wirtschaft?

Das Verhältnis zu China ist jedoch nicht nur auf politischer Ebene belastet. Auch deutsche Unternehmer klagen über Zugangsbeschränkungen für den chinesischen Markt.  Zudem würde China mit staatlich geförderten Produkten den Weltmarkt geradezu überschwemmen. Sorgen bereitet den deutschen Wirtschaftsbossen auch das angespannte Verhältnis zwischen den USA und China sowie zwischen China und Taiwan. Als namhafteste Vertreter der deutschen Wirtschaftsdelegation nannte Reuters die Chefs von Siemens, Bayer, Mercedes-Benz, BMW, Merck, DHL, ThyssenKrupp und den Anlagenbauer Voith.

Unterstützt wird die deutsche Wirtschaft insbesondere durch die drei Minister. Landwirtschaftsminister Özdemir wird sich darum kümmern, dass der seit 2020 bestehende Importstopp für deutsches Schweinefleisch aufgehoben wird. Vor vier Jahren war in Deutschland ein Fall der tödlichen Schweinepest vorgekommen. Unter dem zusätzlichen Schock der Corona-Pandemie verhängte China deshalb ein Einfuhrverbot. Für deutsche Bauern war dies ein herber Verlust, denn der Export nach China machte 17 Prozent der deutschen Schweinefleischverkäufe ins Ausland aus.

Von Verkehrsminister Wissing wird erwartet, dass dieser eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung des autonomen Fahrens erreicht. Umweltministerin Lemke wird sich um Fortschritte in der Zusammenarbeit in Umweltschutz und Klimafragen kümmern. Dazu existiert eine unterzeichnete Absichtserklärung beider Staaten aus dem vergangenen Jahr. Chinas CO₂-Ausstoß steigt weiter rasant und bedroht das Weltklima. 2022 entsprach sein Weltanteil an CO₂-Emissionen 30,7 Prozent.

Nicht Peking, sondern das am Jangtse-Fluss gelegene Chongqing wird die erste Station sein, die Scholz besuchen will. Chongqing gilt als die größte Stadt der Welt. Darauf folgt ein Besuch im chinesischen Finanzzentrum Shanghai. In beiden Städten will Scholz Niederlassungen deutscher Firmen besuchen. In Shanghai ist zudem eine Rede an einer Universität und eine Diskussion mit Studenten geplant.

Menschenrechtsverletzungen

Ob Scholz auch die prekäre Menschenrechtssituation in China anspricht, hat sein Sprecher Hebestreit nicht verkündet. Zahlreiche deutsche Zivilorganisationen, darunter die Gesellschaft für bedrohte Völker, mahnen bei solcherart Besuchen immer an, dass die deutsche Politik auch eine Schutzbefohlenenpflicht habe. Etwa für die muslimische Minderheit der Uiguren in Chinas westlicher Provinz Xinjiang.

Die USA, Kanada, Großbritannien und die EU haben im März 2021 Sanktionen gegen zahlreiche chinesische Funktionäre wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverstöße gegen Uiguren verhängt. China soll Masseninhaftierungen von Uiguren vorgenommen und diese zu Zwangsarbeit verurteilt haben. Ein UNO-Bericht aus dem Jahr 2022 erhebt gegen die chinesische Führung „schwere Vorwürfe von erheblichen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten“.

Ähnliches gilt für Tibet, das 1950 vom kommunistischen Regime Chinas angegriffen und annektiert wurde. Gegen Pekings Willkür gab es immer wieder Aufstände und Unruhen im Land, zuletzt 2008, sowie Selbstverbrennungen aus Protest. Die Lage in Tibet ist nach wie vor angespannt. Die einstige Mitbegründerin der Partei „Die Grünen“, Petra Kelly, war bis zu ihrem Tod 1992 die namhafteste Bundestagsabgeordnete, die sich für die Freiheit Tibets eingesetzt hatte.

Am 18. Januar verabschiedete das Europäische Parlament im französischen Straßburg die Resolution 2024/2504(RSP). Hierbei geht es um die in China seit über 24 Jahren andauernde Verfolgung von buddhistischer Meditationspraxis Falun Gong. Die Resolution fordert von China, die Unterdrückung der Religionsfreiheit und die totale Überwachung der Menschen zu beenden. Insbesondere wird auf den Fall des Falun-Gong-Praktizierenden Ding Yuande eingegangen, dessen Sohn in Deutschland lebt. Die chinesische Regierung solle ihn sofort bedingungslos aus der Haft freilassen. Dieser parteiübergreifende Resolutionsantrag wurde durch den deutschen Abgeordneten Michael Gahler (CDU) initiiert.

China ist sich bewusst, dass es in Deutschland hartnäckige Kritik aufgrund der Lage der Menschenrechtsverletzungen gibt, wischt diese jedoch aufgrund seiner wirtschaftlichen Machtstellung stets schroff zur Seite. Deshalb ist die Ansprache dieses Themas bei der chinesischen Staatsführung für jeden deutschen Politiker heikel und nicht immer möglich, je nachdem, welches Ziel in der Zusammenarbeit erreicht werden soll.

Fazit

Insofern wird die deutsche China-Politik stets von jener Prämisse bestimmt, auf die die „Global Times“ hingewiesen hat: die pragmatische Zusammenarbeit mit China fortzusetzen.

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.



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