Milliarden-Lücke im Haushalt 2025: Diese „Kunstgriffe“ müssen im Bundestag noch diskutiert werden

Das Bundeskabinett hat den Haushalt für das kommende Jahr auf den Weg gebracht. Damit kann der lange umstrittene Entwurf nun an den Bundestag weitergeleitet werden. Dort lauern noch viele Stolpersteine für die Ampel. Der Bruch der Koalition ist dabei nicht ausgeschlossen.
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Im Bundestag könnte Lindners Bundeshaushalt 2025 Streitpunkt in den eigenen Reihen werden.Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 17. Juli 2024

Dass der Bundeshaushalt 2025 heute vom Kabinett beschlossen wurde, war keine große Überraschung. Zwei Monate hatte die Ampel verhandelt, bis das heute beschlossene Ergebnis stand. Dass die Regierung den mühsam gefundenen Kompromiss nun noch einmal aufschnüren würde, war nicht zu erwarten. Der Haushalt kann jetzt an den Bundestag weitergeleitet werden. 

Als heute die Bundesregierung zusammenkam, scheint es eine deutliche Ansage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegeben zu haben: Jeder solle anwesend sein und hinter dem Haushalt stehen. So meldet es zumindest die „Tagesschau“. Verteidigungsminister Pistorius (SPD) musste einen Termin am Vormittag absagen, um an der Sitzung teilnehmen zu können. Es soll unter allen Umständen Einigkeit demonstriert werden.

An der „Grenze der Kompromissbereitschaft“

Trotz allem bleiben aber Unsicherheitsfaktoren: Das Bundeskabinett hat heute lediglich den Weg hin zu einem Beschluss über den Haushalt 2025 frei gemacht. Nach der parlamentarischen Sommerpause im Bundestag soll der Haushalt dann diskutiert werden. Bis November möchte man den Etat dann sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat beschlossen haben. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. 

Auf der heutigen Pressekonferenz zum Kabinettsbeschluss machte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) deutlich, dass man bei der Aufstellung an die „Grenzen der Kompromissbereitschaft“ gegangen sei. 

Insgesamt hat der Haushalt ein Volumen von 480,6 Milliarden Euro. Das sind rund acht Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. 78 Milliarden sollen davon, laut Finanzministerium, als Investitionen genutzt werden. 

„Unser Haushalt ist kein Sparhaushalt“, betonte Finanzminister Lindner auf der Pressekonferenz am heutigen Nachmittag. Das verwunderte – gab sich der Finanzminister im Vorfeld noch ganz anders. Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Ministerium ein Video „#EinfachFragen – Christian Lindner antwortet zu Sparmaßnahmen“. Ein ausgeglichener Haushalt sei nur möglich, „indem wir den Appetit der Politik nach immer höheren Staatsausgaben bremsen“, so Lindner selbstbewusst. 

Seine Kollegen müssten lernen, sich zu beschränken. „Die Hauptaufgabe war es, die einzelnen Ministerien auf den sogenannten Finanzplan zu bringen, also das, was vorab schon geplant war, an Staatseinnahmen“, so Lindner.

Ampel setzt Schwerpunkte

Mit dem nun beschlossenen Haushalt hat sich die Ampel selbst Schwerpunkte gesetzt. Es geht um eine gleichzeitige Stärkung der Wirtschaft, die Sicherung von Sozialleistungen und eine Reaktion auf die internationale Sicherheitslage. Verteidigungsminister Boris Pistorius erhält zusätzliche Mittel, sodass Deutschland die NATO-Vorgabe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten kann. Die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und andere Sicherheitsbehörden profitieren von einer zusätzlichen Finanzierung von rund einer Milliarde Euro.

Zudem werden Familien durch erhöhtes Kindergeld und einen höheren Kinderzuschlag für berufstätige Eltern mit niedrigem Einkommen unterstützt. Insgesamt sind für 2025 und 2026 steuerliche Entlastungen in Höhe von etwa 23 Milliarden Euro vorgesehen, unter anderem durch die Erhöhung von Freibeträgen bei der Lohn- und Einkommensteuer.

Diese Ausgaben sollen unter anderem mit neuen Krediten in Höhe von 43,8 Milliarden Euro bezahlt werden. Das ist weniger als die in diesem Jahr vorgesehene Neuverschuldung von 50,3 Milliarden Euro. Einen entsprechenden Nachtragshaushalt, der eine Neuverschuldung von 11,3 Milliarden Euro über die ursprünglich vorgesehenen 39 Milliarden Euro hinaus vorsieht, wurde heute ebenfalls vom Kabinett auf den Weg gebracht. Trotz der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse sind Nettokreditaufnahmen in dieser Höhe möglich. SPD und Grüne hatten in den Haushaltsverhandlungen immer wieder laut darüber nachgedacht, eine Ausnahme für höhere Kredite geltend zu machen und damit die Schuldenbremse auszusetzen. Hier konnte sich aber die FDP durchsetzen, die sich immer wieder für die Einhaltung der Schuldenbremse starkgemacht hatte. 

Ob am Ende diese Schuldenbremse den Verhandlungen im Bundestag standhalten wird, bleibt abzuwarten. Für die Ampel ist das zumindest ein kritischer Punkt, der sich auch als Bruchstelle der Koalition erweisen könnte.

Schuldenbremse nicht vom Tisch

Vor allem der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte sich immer wieder für die Aussetzung der Schuldenbremse stark gemacht. Als er am 5. Juli vor die Presse trat, hatte Bundeskanzler Scholz gerade in der SPD-Fraktion den Haushaltskompromiss von SPD, Grüne und FDP vorgestellt. Dann platzte es aus ihm heraus: Von „Klamauk“ sprach er mit Blick auf die Koalitionspartner und von „Triumphgeheul“ nach der Haushaltseinigung.

Mützenich äußerte sich nicht konkret, aber das Ziel seiner Kritik war offensichtlich: Finanzminister Christian Lindner. Der FDP-Vorsitzende habe den Haushalt nicht ohne die Unterstützung des Kanzlers aufstellen können. Kanzler Olaf Scholz habe zwei Monate lang verhandeln müssen, was Mützenich als „sehr ungewöhnlich“ bezeichnet. Diese Aufgabe hätte eigentlich dem Finanzminister obliegen müssen.

Dann folgt eine klare Ansage des Fraktionsvorsitzenden: Für Mützenich ist die Diskussion über die Schuldenbremse – die laut Koalitionsvertrag eingehalten werden soll – weiterhin nicht beendet. Er behält sich vor, im Rahmen eines Notlagenbeschlusses eine Ausnahme von der Schuldenbremse durchzusetzen. Denn es seien schon „viele Kunstgriffe“ erforderlich gewesen, um das Milliardenloch im Haushalt zu schließen.

Lindners „Kunstgriffe“ für ausgeglichenen Haushalt

Es gibt aber auch noch andere Bruchstellen in der Ampel. So hatte der grüne Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer ebenfalls kurz nach der Haushaltseinigung Nachbesserungen bei den Verteidigungsausgaben eingefordert. Der Grünen-Politiker spricht von einer „ordentlichen Arbeitsgrundlage“ für die Haushaltsverhandlungen im Bundestag. Da müssten bei den Ampelspitzen die Alarmglocken läuten: Die Aussage heißt im Klartext, es könnte tatsächlich zahlreiche und auch wesentliche Änderungsanträge geben.

Neben diesen absehbaren Streitpunkten stehen die Kunstgriffe im Raum, die die Ampel für einen ausgeglichenen Haushalt benutzt. Lindner plant, die Zinsausgaben zukünftig haushaltstechnisch anders zu verbuchen. 

Im Bundeshaushalt gibt es eine wenig bekannte Buchungsregel: Bei niedrigen Zinsen kann der Bund Anleihen über dem Marktwert verkaufen und erzielt Mehreinnahmen. Steigen die Zinsen, müssen die Anleihen unter Nennwert verkauft werden, was zu Mehrausgaben führt.

International werden solche Einnahmen und Ausgaben gleichmäßig über die Laufzeit einer Anleihe verteilt. In Deutschland hingegen wird die gesamte Summe im Jahr der Ausgabe verbucht.

Diese Praxis führt dazu, dass die ausgewiesenen Zinskosten bei fallenden Zinsen geringer und bei steigenden Zinsen höher erscheinen, was politisch ausgenutzt werden kann. Als Olaf Scholz Finanzminister war, hatte er dadurch mehr Geld zur Verfügung. 

Experten wie die Bundesbank fordern eine „periodengerechte“ Verbuchung, die ökonomisch sachgerechter wäre. Damit sollen solche buchhalterischen Verzerrungen in Zukunft vermieden werden.

Weiter hofft Lindner, dass durch das neue Paket zur Förderung des Wirtschaftswachstums, dessen Eckpunkte das Kabinett heute ebenfalls beschlossen hat, etwa sechs Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen generiert werden.

Ungedeckter Scheck von 17 Milliarden Euro

Und dann ist da noch die sogenannte globale Minderausgabe von 17 Milliarden Euro. Damit wettet die Bundesregierung darauf, dass die Ministerien ohnehin nicht das gesamte Geld in dem Jahr ausgeben werden. Das Vorgehen ist üblich, die Summe aber sehr hoch.

In den 17 Milliarden sind aber auch 8 Milliarden Euro enthalten, für deren Finanzierung die Bundesregierung schon eine Idee hat, die aber verfassungsrechtlich womöglich auf tönernen Füßen steht. So könnte unter anderem Geld, das die Aufbaubank KfW für die Gaspreisbremse nicht verwendet hat, an den Bundeshaushalt zurückfließen. Ob das wasserfest ist, wird noch geprüft.

Genauso muss Lindner klären lassen, ob es wirtschaftlich sinnvoll wäre, Zuschüsse an die Deutsche Bahn und die Autobahngesellschaft durch Darlehen zu ersetzen. Diese würden nicht auf die Schuldenbremse angerechnet – könnten sich aber womöglich auswirken, wenn die Unternehmen Geld am Kapitalmarkt aufnehmen wollen. Lassen sich die drei Ideen nicht umsetzen, müssten SPD, Grüne und FDP womöglich doch noch mal neu verhandeln.

Hart an der Kante der Verfassungsmäßigkeit

Für den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Bundestag, Helge Braun (CDU), ist der Haushaltsentwurf der Bundesregierung „hart an der Kante der Verfassungsmäßigkeit“.

Braun äußerte am Mittwoch im rbb-„Inforadio“ rechtliche Bedenken an den Plänen von Finanzminister Christian Lindner (FDP): „Er greift schon die Zukunftsrücklage der Pflegeversicherung an. Er will bei Unternehmen zu solchen Finanztransaktionen greifen. Im Endeffekt heißt das, er kann mehr Geld ausgeben und macht dabei zusätzliche Schulden. Da ist genau der Punkt. Da ist er wieder auf so einer Klippe unterwegs – hart an der Kante der Verfassungsmäßigkeit, und ob das wirklich hält?“

Er habe große Sorgen, so Braun mit Blick auf den Haushaltsentwurf für 2025, den das Kabinett am Vormittag beschließen will: „Es ist nicht nur die 17-Milliarden-Euro-Lücke. Auch die Ausgaben sind sehr niedrig gerechnet und die Einnahmen sehr hoch gerechnet worden. Wenn wir mal im Jahr 2025 sind und die Realität uns einholt, ist die Gefahr, dass die Lücke am Ende noch größer ist.“ Braun ergänzte: „Wenn man eine 17-Milliarden-Lücke hat, wo man nicht gesagt hat, wo man die spart, da muss man eben im Laufe des Jahres an die Punkte wieder rangehen, wo man eigentlich Geld versprochen hat.“ An welchen Stellen der Finanzminister das vorhabe, wisse man nicht. Braun erwähnt Förderprogramme, mit denen Bürger oder Unternehmen fest rechnen, die dann plötzlich gestoppt oder doch nicht umgesetzt würden. Die E-Auto-Prämie ist ein Beispiel.



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