Koalitionsvertrag in Berlin: Hat sich am Ende die SPD durchgesetzt?
In der vergangenen Woche haben die CDU und die SPD in Berlin ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Unter dem Titel „Das Beste für Berlin“ haben beide formuliert, wie sie in den nächsten Jahren die Bundeshauptstadt nach vorne bringen möchten. Schnell wurden nach der Präsentation aber auch Stimmen laut, die den vorgelegten Vertrag als einen „Hieb in die Magengrube“ empfinden.
Polizisten werden nun doppelt frustriert sein
In einem Gastbeitrag für den „Focus“ fand der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, deutliche Worte in Richtung CDU. Wendt wirft dem Wahlsieger vor, dass dieser sich in der Vereinbarung mit der SPD von dem entfernt habe, wofür gerade viele Polizisten dieses Mal ihr Kreuz bei der CDU gemacht hätten. „Manche von ihnen haben erst nach jahrelangen Demütigungen und Beleidigungen durch rot-rot-grüne Ideologen zur Union gefunden und waren von den Versprechungen, die die CDU zum Topthema Innere Sicherheit überzeugt worden. Sie werden nun doppelt frustriert sein.“, schreibt Wendt.
Der Polizeigewerkschafter verweist darauf, dass die rot-rot-grüne Berliner Stadtregierung in der Vergangenheit immer wieder Polizisten unter einen Generalverdacht gestellt und ihnen pauschal Rassismus, Diskriminierung oder rechtswidrige Anwendung ihrer Befugnisse unterstellt hätte. Immer wieder habe sich in dieser Zeit die CDU an die Seite der Polizei gestellt. Dass die CDU dann im Wahlkampf das Thema „Innere Sicherheit“ auch noch zu einem ihrer Schwerpunktthemen gemacht hat, habe viele Polizisten überzeugt, sich für die CDU zu entscheiden. Laut Rainer Wendt sei damit auch die Hoffnung verbunden gewesen, dass eine neue Regierung das heftig kritisierte Anti-Polizei-Gesetzespaket wenigstens entschärfen könnte. „Sie fühlen sich nun getäuscht.“, so Wendt.
„Das Landesantidiskriminierungsgesetz bleibt erhalten und wird weiter fortentwickelt“, heißt es im Koalitionsvertrag. Und weiter: „Die laufende Berliner Polizeistudie wird fortgesetzt.“
Rechts wahlkämpfen, links regieren?
Die „Zeit“ kommentiert den Koalitionsvertrag dahingehend, dass offensichtlich im Namen von „Zusammenhalt und Respekt“ vieles möglich sei. Die „Zeit“ vermutet weiter, dass Kai Wegner kopiert habe, was Angela Merkel schon 2005 praktizierte: rechts wahlkämpfen, links regieren. Wiederholt sich das in Berlin jetzt tatsächlich wieder?
Ein Punkt sticht hier tatsächlich ins Auge: Bei der Wiederholungswahl im Februar lag die CDU mit zehn Prozent weit vor der SPD. Trotzdem bekommt die SPD fünf Senatoren, genauso viele wie die CDU. Verwundert wird sich dabei sicherlich mancher die Augen gerieben haben, dass das Innenressort bei der SPD bleiben soll.
Eine Entscheidung, die tatsächlich nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Hatte die CDU im Wahlkampf doch mit dem Thema „Sicherheit und Ordnung“ bei den Wählerinnen und Wählern gepunktet. Gegenüber dem Radiosender „rbb24“ hatte der Studienleiter des „ARD-DeutschlandTREND“ bei Infratest dimap, Roberto Heinrich, kurz nach der Wahl festgestellt, dass mit einer Fokussierung im Wahlkampf auf die Themen Ordnung und Sicherheit die CDU bei den Wählern einen Punkt getroffen habe, der bei vielen angekommen sei.
Gerade nach der Silvesternacht in Berlin sei das Thema „Sicherheit und Ordnung“ noch einmal in den Fokus des Wahlkampfes gerückt. Damals waren Sanitäter, Feuerwehrleute und Polizisten von einem aufgebrachten Mob attackiert worden. Das hatte für eine deutschlandweite Sicherheitsdiskussion geführt.
Regelungen, die mit Grünen nicht möglich wären
An dieser Stelle eröffnet der Koalitionsvertrag dann doch andere Möglichkeiten, als sie unter Rot-rot-grün denkbar gewesen wären. Um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern, werden „Messerverbotszonen“ eingerichtet und Polizeibeamte sollen mit Body-Cams, Tasern und Videokameras ausgestattet werden. Im Vertragstext wird auch keine Ablehnung von „Racial Profiling“ ausgesprochen, stattdessen sollen „verhaltensbezogene Kontrollen aufgrund kriminalistischer oder polizeilicher Erfahrungswerte“ erlaubt sein.
Mit den Grünen wären diese Maßnahmen nicht durchsetzbar gewesen. Nach der Silvesternacht hatten sie solche Maßnahmen immer wieder abgelehnt. Man hatte nicht den Eindruck, dass die Partei irgendeine Lehre aus den Ereignissen ziehen wollte. In einen Koalitionsvertrag hätten solche Regelungen es daher vermutlich nicht geschafft. Die Wähler hatten sich aber gerade Maßnahmen gewünscht, die solche Ereignisse wie in der Silvesternacht verhindern.
Religionsunterricht wieder ordentliches Unterrichtsfach
Aufgrund des Drucks seitens der CDU wird Berlin nun nach jahrzehntelangem Sonderweg Religion als ordentliches Unterrichtsfach einführen. Die Christdemokraten und die Kirchen forderten das schon lange, konnten sich jedoch bisher nicht durchsetzen. Das bisherige freiwillige Angebot in den Randstunden wird bald als Wahlpflichtfach unter dem Namen „Weltanschauungen/Religionen“ zum regulären Lehrfach werden. Der Koalitionsvertrag beinhaltet auch das klare Bekenntnis zum grundständigen Gymnasium und die geplante Abschaffung des Probejahrs. Stattdessen soll ein Eignungstest eingeführt werden.
SPD bestimmt den Ton
Schaut man genauer in den Koalitionsvertrag, dann kann man in der Tonalität durchaus eine SPD-Handschrift erkennen. Das können die Sozialdemokraten zweifellos auf die Habenseite verbuchen. Das klare Bekenntnis zu Vielfalt, Offenheit und Teilhabe zieht sich durch das Papier. Insgesamt verströmt das Papier mehr Versöhnungsprosa als Erneuerungsenergien. Gegen „Zukunftssorgen, Einsamkeit und Desinteresse“ soll „das gemeinsame Wir“ mobilisiert werden.
Der Fernsehsender rbb schreibt dann auch, dass gute Stimmung wichtig für das Regieren sei. Wegner sei inhaltlich zu Kompromissen bereit gewesen und setzte nur Akzente, wo es nötig schien, um Signale in die eigene Partei zu senden. Ein Parteitag der CDU muss dem Koalitionsvertrag zustimmen, aber es besteht kein Zweifel, dass dies passieren wird. Die SPD-Mitglieder entscheiden darüber, ob Kai Wegner Regierender Bürgermeister wird oder nicht, was für ihn nicht zum Nulltarif zu haben ist.
SPD möchte nur „überwintern“
Aber ein „Restrisiko bleibt“, zitiert der rbb einen nicht weiter benannten CDU-Politiker, der in der Spitzengruppe mitverhandelt hat. Schon vor Verhandlungsstart hatte die SPD angekündigt, dass sie bei der Wahl 2026 wieder stärkste Kraft in Berlin werden möchte. Die SPD möchte daher in der Koalition nur „überwintern“, heißt es laut rbb aus CDU-Kreisen. Sie könnte also durchaus in den kommenden Jahren in der Regierungsarbeit Sand ins Getriebe streuen, wenn es um die eigene Profilierung ihrer Partei geht. Ob es die CDU schafft, hier dann eigene Akzente in Richtung ihrer Wählerschaft zu setzen, bleibt abzuwarten.
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